Franken verlassen ? Nach Israel auswandern? Für die jüdischen Mitbürger in der Region ist das kein Thema. Trotz der Terroranschläge und Drohungen der letzten Wochen. Und zunehmender Sorge um die Sicherheit im Land.
Nein. Auswanderung ist kein Thema. Sagt Alexandra Golosovski. Seit über 20 Jahren ist sie Mitarbeiterin im jüdischen Gemeindezentrum in Würzburg. Sie kennt die Mitglieder der Gemeinde, weiß um deren Sorgen und Ängste. Die meisten von ihnen sind erst nach 1989 aus Osteuropa nach Deutschland gekommen. Sie haben schon einmal die Koffer gepackt, wollen das so schnell nicht wieder tun. Weil sie in Franken das ruhige und menschliche Miteinander inzwischen zu schätzen gelernt haben. Es sind also nicht nur die Israelis in Tel Aviv und Jerusalem, die Deutschland durchaus schätzen. So ist es zumindest einer jüngst veröffentlichten repräsentativen Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zu entnehmen. Derzufolge haben 70 Prozent der Israelis eine sehr positive Einstellung zu Deutschland.
Angesichts der Geschichte dieser beiden Völker außerordentlich bemerkenswert.
Keine übereilten Reaktionen Aber zurück nach Würzburg. Von hier kommt auch Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er warnte vor wenigen Tagen ebenfalls vor übereilten Reaktionen angesichts der aktuellen Bedrohungslage. Aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern auswandern, das würde nur den Terroristen in die Hände spielen, so Schuster in einer Erklärung.
Haben die jüdischen Mitbürger im Fränkischen derlei ernsthaft vor? Alexandra Gosolovski verneint. Die derzeitige Sicherheitslage bereite zwar Sorge, jedoch keine Angst. Sie verweist auf die sehr gute Zusammenarbeit mit der Stadt Würzburg und der Polizei. Letztere überwache möglichst unauffällig das jüdische Gemeindezentrum.
Die gut 1000 Juden in Würzburg fühlten sich gut beschützt.
Sicherheitskräfte vor Ort Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg sieht das ähnlich. Anders als in Frankreich seien in Deutschland Sicherheitskräfte vor jüdischen Einrichtungen häufiger präsent. Vor Gemeindezentren, Schulen und Geschäften würden Polizei und Staatsschutz regelmäßig kontrollieren. Klar sei aber auch, dass es einen hundertprozentigen Schutz nicht geben könne. Hier müsse auch jeder Einzelne vorsorgen, so Rudolph.
Für Josef Schuster sind die Juden Seismographen der Gesellschaft. Würden sie gezwungen ihre Heimat zu verlassen, müssten in der nicht-jüdischen Gesellschaft die Alarmglocken läuten.
Das hieße dann: Gefahr in Verzug.
Info:
Juden in Deutschland
Geschichte 1933, vor dem Völkermord an den Juden in Europa (Schoa), lebten in Deutschland zwischen 500 000 und 600 000 Juden.
Bis 1939 hatte sich die Zahl aufgrund von Emigration und Vertreibung auf 215 000 mehr als halbiert. 1941, vor Beginn der Deportation in Vernichtungslager, gab es noch 163 000 Juden. Am Kriegsende lebten gerade noch rund 15 000 Juden im Land.
Nach 1945 In den Großstädten wurden wieder erste Gemeinden gegründet. In vielen Städten auch neue Synagogen gebaut. Nach der Wende 1989 verstärkten insbesondere osteuropäische Juden aus der Ukraine, Russland, Moldawien und Usbekistan die jüdischen Gemeinden. Die größten Gemeinden gibt es heute in Berlin (11000) und München (9000). Heute beträgt die Zahl der Juden wieder rund 200 000.
red