Konservativ sein bedeutete einmal, solche Eigenschaften zu kultivieren wie Dezenz, Zurückhaltung, ja Noblesse. Es bedeutete unauffällige Eleganz, das Bestreben, nicht in jeden hingestellten Fettnapf zu treten. Stattdessen springen sie heute wolllüstig hinein, dass es vor Peinlichkeit nur so trieft.
Natürlich gepaart mit dem durch die sog. sozialen Medien induzierten Exhibitionismus, der nichts anderes ist als kaum, ach was, überhaupt nicht kaschierte Karrieregeilheit. So weit nichts Neues auf der Welt; schön aber immer wieder die Neue Schamlosigkeit zu studieren.
Ice Bucket Challenge ist für Imstrommitschwimmer, Opportunisten und Karrieristen Nehmen wir eine Grässlich- bzw. Albernheit namens Ice Bucket Challenge, die seit einigen Tagen (Wochen?) im Netz kursiert. Das heißt, irgendwelche Schratzen und Schranzen überschütten sich mit kaltem Wasser, andernfalls sie zahlen müssen o.s.ä. Das genau zu recherchieren, war mir zu dumm. Man sollte Lebenszeit nicht verschwenden. Es gibt jedoch kein Entrinnen: Zwangsläufig bekommt man mit, wie zwanghaft alle Selbstdarsteller und Schauspieler (nicht die gelernten) und Wichtigtuer und Gesichter und Imstrommitschwimmer und Opportunisten und Konformisten und Karrieristen sich exhibieren - für alle diese gilt, es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, selbstredend auch die weibliche Version. Das führt dann zur Schlagzeile "Eiskalter Busenblitzer bei Simone Thomalla", vermittelt durch eine "Blödmaschine" (Seeßlen/Merz) wie t.online-tv.
Ice Bucket Challenge: Und wer darf bei dem Unfug nicht fehlen? Claudia Roth? Alice Schwarzer? Beide trotz heißem Bemüh'n vielleicht nicht internetaffin genug. Es ist, bleiben wir vor der Haustür, Seehofers digitale Geheimwaffe,
die christsoziale Dorothee Bär, zurzeit Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, eifrige Twitterin und naturgemäß Anhängerin der Eiswasserkur. Wir dürfen vermuten, dass sie keine narzisstische Hauterotikerin ist, die den Kältereiz sucht. Der verdienstvolle Bayerische Rundfunk weiß über sie, wohl CSU-Bürgermeisterstochter aus dem Unterfränkischen, dass sie als Jugendliche heiß mit dem Vater diskutierte, weil der "innerhalb der CSU zu weit links steht". Für eine solche Rebellin gibt es nur einen Weg: den nach oben und im September vorigen Jahres geradewegs ins TV-Studio zu Benjamin von Stuckrad-Barre, dem nun bei Springer gelandeten Popliteratur-Clown. Bereitwillig machte sie sich zur Äffin und jeden ihr angedienten Humbug mit (wie übrigens auch Hans-Christian Ströbele und Katja Kipping, so viel zum Zustand der Demokratie).
Ice Bucket Challenge: Konservatismus 3.0 Also hinein ins Nass und die Peinlichkeit "gepostet", was das Zeug hält. Das ist Konservatismus 3.0 und innerhalb der Partei gewiss nicht zu weit links. Der Zweck heiligt die Mittel. Der Zweck? Ach ja, es geht irgendwie darum, Spenden zu sammeln für Erforschung und Therapie einer seltenen neurologischen Erkrankung. Keiner, wirklich keiner ist darauf gekommen zu fragen, was das für ein Gemeinwesen ist, in dem Fittis jedweder Couleur Faxen machen müssen, um Geld für ein paar Kranke aufzutreiben.