Die Impfquote in Deutschland ist immer noch zu niedrig - aus diesem Grund will die Politik eine Impfpflicht einführen. Häufig ist auch von einem Impfzwang die Rede. Doch zwischen Pflicht und Zwang gibt es einen entscheidenden Unterschied.
Angesichts der zu geringen Impfquote will die Regierung eine Impfpflicht einführen
Was bedeutet das genau für Ungeimpfte?
Diese Strafen könnten Impfverweigerern drohen
Am Mittwoch (7. Dezember 2021) diskutierte der Bundestag in einer ersten Lesung über eine Corona-Impfpflicht für Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Obwohl die allgemeine Impfpflicht lange ein Tabu-Thema war, ist sie seit ein paar Wochen im Gespräch. Während manche die Freiheit des Einzelnen bedroht sehen, bewerten andere eine Impfpflicht als die Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaft ihre Freiheit zurückgewinnen kann. Was hat es also mit einer allgemeinen Impfpflicht auf sich, und wie sieht die rechtliche Situation aus?
Die aktuelle Impfquote in Deutschland ist mit knapp 70 % zu niedrig, um die Ausbreitung von Corona wirksam einzudämmen und somit der Überlastung der Kliniken entgegenzuwirken, sagen Experten. Aus diesem Grund sehen viele die Impfpflicht als eine Chance, um dieser Spirale von immer neuen Virus-Wellen und Einschränkungen zu entkommen.
Gibt es einen Unterschied zwischen Impfpflicht und Impfzwang?
Laut BR sieht die Leopoldina in einer allgemeinen Impfpflicht die "letzte Maßnahme, um eine Impflücke zu schließen, die sich augenscheinlich anders nicht beheben lässt".
Eine Impfpflicht bedeutet, dass der Staat die Bürger zu einer Impfung verpflichtet – wer der Pflicht nicht nachkommt, wird sanktioniert. So wie zum Beispiel jeder, der sich nicht an die Anschnallpflicht hält, mit einer Strafe rechnen muss.
Impfzwang bedeutet, dass ein Staat die Pflicht mit Gewalt durchsetzt und Personen durch die Polizei oder das Militär gegen ihren Willen impft. Das wäre rechtlich wohl kaum zulässig und wird auch gar nicht diskutiert. Um es mit den Worten des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu sagen: "Es muss niemand Angst haben, dass er von der Polizei zum Impfen geschleppt wird oder er im Gefängnis landet." Denkbar ist, dass Impfverweigerer im Falle einer allgemeinen Impfpflicht eine Geldstrafe zahlen müssen.
Bei einer Impfpflicht muss das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Einzelnen mit dem Schutz der Allgemeinheit abgewogen werden. Theoretisch wird die körperliche Unversehrtheit bereits durch die Spritze verletzt - vor allem aber geht es um das zwar unwahrscheinliche, aber mögliche Risiko eines Impfschadens. Zudem können das Recht auf Selbstbestimmung und Glaubensfreiheit von Bedeutung sein, zum Beispiel wenn sich jemand aus religiösen Gründen nicht impfen lassen möchte.
Die meisten Grundrechte sind jedoch nicht absolut, sondern können durch Gesetzte eingeschränkt werden. Andernfalls wäre ein Staat kaum handlungsfähig. Laut dem BR sagen Staatsrechtler, dass das Grundgesetz eine allgemeine Impfpflicht nicht ausschließt. Ein Eingriff in die Grundrechte müsse aber immer verhältnismäßig sein. Das bedeutet, ein solcher Einschnitt ist nur zulässig, wenn dem Staat kein anderes Mittel zur Verfügung steht, um ein Ziel – in diesem Fall eine höhere Impfquote – zu erreichen. Ob das im Fall der Impfpflicht zutrifft, müsste das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Bayern führte als erster Staat eine Impfpflicht ein
Die Geschichte der Impfpflicht begann in Bayern. 1807 führte das Königreich Bayern als erster Staat weltweit eine Impfpflicht gegen Pocken ein. Später taten es ihm andere Staaten nach. Bis Ende 1975 bestand auch in der Bundesrepublik eine allgemeine Impfpflicht gegen die Pocken, bis die Virenkrankheit als ausgerottet galt.
In der DDR waren auch andere Impfungen verpflichtend, zum Beispiel gegen Diphtherie und Polio. Das Thema Impfpflicht sei dabei laut dem Historiker Stefan Wolle kein Gegenstand öffentlicher Debatten gewesen, berichtet der BR. Impfen habe in der DDR als selbstverständlich gegolten.
Jahrzehntelang hatte es in Deutschland keine Impfpflicht mehr gegeben, bis am 1. März 2020 die Masern-Impfung für bestimmte Gruppen verpflichtend wurde. Sie gilt für alle Kinder ab eins beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten sowie für Lehrerinnen und Erzieher. Wer dagegen verstößt beziehungsweise sein Schulkind nicht impfen lässt, muss ein Bußgeld bezahlen.
Als ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte bewerten Kritiker eine allgemeine Impfpflicht. Zudem könnte sie die öffentliche Diskussion um die Corona-Regeln weiter zuspitzen. Gewaltforscher sehen großes gesellschaftliches Konfliktpotenzial und befürchten eine weitere Radikalisierung von Impfgegnern und Teilen der Querdenker-Bewegung.
Außerdem handelt sich bei der Corona – anders als bei den Pocken – um eine Krankheit, die nicht durch einmaliges Impfen ausgerottet werden kann. Ein Gesetzentwurf zur allgemeinen Impfpflicht müsste nach Kritikern der Tatsache gerecht werden, dass das Coronavirusschnell mutiert und die vorhandenen Impfstoffe bislang keinen dauerhaften Schutz bieten.
Eine Corona-Impfpflicht in bestimmten Branchen gibt es in einigen europäischen Staaten bereits. Sie ist meist mit der Androhung von Versetzung, Suspendierung oder Entlassung verbunden. In Frankreich gibt es seit Mitte September eine Impfpflicht für medizinisches Personal, Pflegekräfte und Feuerwehrleute. In Italien muss das Personal in medizinischen Berufen bereits seit Ende Mai gegen Covid-19 geimpft sein. Tschechien plant eine Impfpflicht für Menschen ab 60 Jahren sowie für einige Berufsgruppen.
Zudem ist eine allgemeine Impfpflicht in Österreich geplant - bis Februar nächstes Jahres soll sie eingeführt sein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich dafür ausgesprochen, eine allgemeine Corona-Impfpflicht in der Europäischen Union zu prüfen.
Welche Strafen drohen Impfverweigerern?
Eine wesentliche Frage wird wohl sein, wie Personen, die gegen die Impfpflicht verstoßen, sanktioniert werden. Bei der Masern-Impfpflicht kann das Bußgeld bis zu 2.500 Euro betragen. Auch der Verlust des Krankenversicherungsschutzes ist im Gespräch – Ungeimpfte müssten ihre Behandlung im Falle einer Hospitalisierung dann selbst bezahlen.
Wahrscheinlich müsste ein Gesetz zur Impfpflicht angesichts des dynamischen Pandemiegeschehens außerdem stetig an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Die berufsbezogene Impfpflicht ist für Mitte März geplant. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete dieses Gesetzesvorhaben als "ersten Schritt", auf den dann weitere folgen können. Olaf Scholz (SPD) hatte kürzlich angekündigt, ein Gesetzgebungsverfahren zur allgemeinen Corona-Impfpflicht "zeitnah" auf den Weg zu bringen.
Dabei solle jeder Abgeordnete "nach seinem Gewissen abstimmen" können. Das Bundesverfassungsgericht würde ein Gesetz zur allgemeinen Impfpflicht erst nachträglich prüfen – sofern es denn im Bundestag überhaupt eine Mehrheit findet.
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