100 Jahre Erster Weltkrieg: Was 1914 uns heute noch lehrt

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Das Archivbild aus dem Jahr 1915 zeigt einen Sturmangriff österreichischer Truppen an der Isonzofront (Ostabschnitt der italienisch-österreichischen Front). Foto: dpa/Archiv
Das Archivbild aus dem Jahr 1915 zeigt einen Sturmangriff österreichischer Truppen an der Isonzofront (Ostabschnitt der italienisch-österreichischen Front). Foto: dpa/Archiv

Vor 100 Jahren nahm die Katastrophe ihren Lauf: Von 1914 bis 1918 wütete der Erste Weltkrieg mit unvorstellbarem Grauen in Europa. Die Konflikte wirken bis heute nach.

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Es war einer der Momente, der den Lauf der Geschichte veränderte, obwohl nicht einmal die unmittelbar Beteiligten ahnten, welche Jahrhundert-Katastrophe sie da in Gang setzten. Die Schüsse von Sarajevo, denen am 28. Juni 1914 der österreichische Thronfolger zum Opfer fiel, waren zunächst ein politischer Mord - ein Verbrechen mit Schockwirkung, dessen Folgen man aber sicher auch mit diplomatischen Mitteln hätte auffangen können. Dazu hätte es aber entweder einen guten Willen gebraucht oder aber internationale Institutionen, die deeskalierend wirken können.

Beides gab es damals nicht. Dafür gab es jede Menge Konfliktstoff, es herrschten unbeherrschte nationale Gefühle, Europa war ein Pulverfass. Und es gab eine mächtige Kaste in Politik und Militär, die den Krieg als mögliches und legitimes Instrument zur Durchsetzung nationaler Interessen ansah. Besonders aggressiv gab sich der Militarismus im Deutschen Kaiserreich.

Es ist hier nicht der Ort, um die Frage nach der Schuld am Ersten Weltkrieg neu zu diskutieren. Daran haben sich ganze Generationen von Historikern abgearbeitet. Aber von Fritz Fischers "Griff nach der Weltmacht" durch das Deutsche Reich bis hin zur These des Christopher Clark von den "Schlafwandlern", die irgendwie kollektiv in die Katastrophe gestolpert sind, gibt es bei aller Kontroverse doch die gemeinsame Erkenntnis: In der entgrenzten Gewalt dieses ersten globalen Krieges steckte der Keim des Bösen, der das 20. Jahrhundert mit seinen radikalen Ideologien auf Jahrzehnte hinaus vergiften sollte. Es war - oft zitiert und noch immer richtig - die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts".

Und diese Geschichte ist längst noch nicht abgeschlossen - all jenen zum Trotze, die glauben, es ließen sich Schlussstriche unter die Geschichte ziehen. Heute wissen wir: Demokratie und Rechtsstaat und Frieden sind Werte, die alles andere als selbstverständlich sind. Und viele, die heute an der Europäischen Union herumnörgeln, haben möglicherweise vergessen, dass genau diesem Konstrukt der zwischenstaatlichen Kompromisse und Kooperationen das Wunder von 70 Jahren Frieden auf einem zweimal zerstörten und von Feindschaften zerfurchten Kontinent zu verdanken ist.

Aber die Anfechtungen sind ebenso gegenwärtig, und viele haben ihre Wurzeln im Ersten Weltkrieg. Russlands Verhalten in der Ukraine-Krise etwa ist wie die Rückkehr jener unseligen Geo-Politik, als Gebiete unter ethnischen Vorwänden annektiert wurden. Oder der Nahe Osten: Das Erbe des Osmanischen Reiches wurde damals mit dem Lineal recht willkürlich zerteilt - die Konflikte wirken bis heute nach; der blutige Zerfall des Irak ist nur das aktuellste Beispiel. Chinas Säbelrasseln gegen seine Nachbarn: als stünde Kanonenboot-Politik im wilhelminischen Stile Pate. Schließlich das Wiedererstarken nationalistischer Kräfte in Europa. Dabei liegt genau hier die wichtigste Lehre, die auch 100 Jahre nach dem Grauen des Krieges von 1914/18 ungebrochen gültig ist: der Pest des Nationalismus die politische Grundlage zu entziehen.

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