Statt Rekordlerin nur Ex-Freundin? Olympia-Schwimmerin bricht bei Interview in Tränen aus

3 Min
Schwimmerin Isabel Gose
Heftiges kritisiertes Interview: Während der laufenden Siegerehrung für Goldmedaillengewinner Lukas Märtens kam Schwimmerin Isabel Gose (im Bild beim Vorlauf über 1500-Meter-Freistil) vor die Kamera.
Schwimmerin Isabel Gose
Michael Kappeler (dpa)

Ist Isabel Gose statt einer Rekordschwimmerin nur eine Ex-Freundin? Ein Olympia-Interview eines Sportschau-Reporters mit der Schwimmerin sorgte am vergangenen Wochenende für Ärger. Es hagelt Kritik an der ARD.

Die ARD sah sich am ersten Wochenende der Olympischen Spiele in Paris scharfer Kritik ausgesetzt - und das, obwohl der Samstag (27. Juli 2024) äußerst erfolgreich für die deutschen Schwimmathleten verlief. Lukas Märtens, 22 Jahre alt, sicherte sich den ersten Platz im Finale über 400-Meter-Freistil der Männer. Isabel Gose, ebenfalls 22, schwamm im 400-Meter-Freistil-Finale der Frauen neuen deutschen Rekord.  

Doch im Moment des Erfolgs schienen für die ARD nicht die Leistungen der beiden im Mittelpunkt zu stehen, sondern deren Beziehung - die sie kürzlich beendet hatten.

Olympia 2024: Interview mit Isabel Gose – deutsche Schwimmerin bricht in Tränen aus

Als Isabel Gose während der laufenden Siegerehrung der Männer interviewt wurde, hätte es genug sportliche Themen gegeben. Nur wenige Minuten zuvor hatte die 22-Jährige im Finale über 400 Meter Freistil den fünften Platz belegt und dabei einen deutschen Rekord aufgestellt. Doch Reporter Dominik Vischner rückte Goses sportliche Leistung in den Hintergrund und konzentrierte sich auf ihre Meinung zu Märtens' Goldmedaille.

Der Hintergrund: Gose und Märtens waren lange Zeit ein Paar und hatten sich kurz vor den Spielen in Paris getrennt. Statt Goses Platzierung oder den neuen deutschen Rekord zu erwähnen, zeigte das Fernsehbild lediglich "Ex-Freundin" unter ihrem Namen. Gose brach während des Interviews in Tränen aus, überwältigt von den Emotionen. "Ich musste mich ein wenig zurückhalten, weil ich direkt danach meinen Start hatte. Natürlich überwältigen einen die Emotionen", erklärte Gose, als sie auf Märtens' Sieg angesprochen wurde, der wenige Minuten vor ihrem Finallauf die erste deutsche Goldmedaille im Schwimmen seit 1988 gewonnen hatte. "Ich bin gespannt, was jetzt noch kommt. Ich kriege gar kein Wort heraus, tut mir leid", sagte Gose, als parallel die Siegerehrung gezeigt wurde.

Lukas Märtens' Goldmedaille ist für die deutschen Männer die erste im Schwimmbecken seit 1988, als Michael Groß in Seoul Gold gewann. Im Freiwasserschwimmen hingegen hatte es in den vergangenen Jahren häufiger olympische Medaillen gegeben. Märtens wird außerdem noch in den Disziplinen 200 Meter Freistil und 200 Meter Rücken antreten.

Nur die Ex-Freundin von Goldmedaillengewinner Lukas Märtens? Scharfe Kritik an der ARD 

In den sozialen Medien gab es heftige Kritik an dem Interview, einige Nutzer bezeichneten es als "pietätlos". Andere warfen der ARD mangelnden Feingefühl und Respektlosigkeit vor. Die sportliche Leistung von Isabel Gose sei völlig in den Hintergrund gedrängt worden, während sie als Ex-Freundin abgestempelt wurde. "Na gut, man hätte natürlich auch schreiben können, dass sie über 400 Meter Freistil Fünfte geworden ist", kommentierte etwa DWDL-Journalist Alexander Krei auf X (ehemals Twitter) die entsprechende Szene mit der "Ex-Freundin"-Einblendung.

Die Antworten darauf gehen alle in die gleiche Richtung: "Bodenlos", "Euer Ernst, ARD?", "Was für ein Tritt in die Fresse für eine Ausnahmesportlerin" ist da zu lesen. "Fand das Interview auch schlimm. Es ging nur in einem Satz um ihr Rennen", kritisierte ein Nutzer.

Eine andere pflichtete bei:  "Ziemlich unpassend. Tolle Leistung der Sportlerin. Und dann wird sie nur nach ihrem Ex-Partner gefragt".  Sportjournalist Thomas Nowag kommentierte das Interview der ARD ironisch: "Isabel, erste Frage: Ihr Ex-Freund ist jetzt Olympiasieger - Genau das, was man nach einem deutschen Rekord im Olympia-Finale hören möchte."

ARD reagiert: "zur besseren Verständlichkeit so eingeblendet"

Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), das über den Fall berichtet hatte, nahm die ARD Stellung zu den Kritikpunkten. Der Sender betont: "Das ARD-Team hat größten Respekt vor der sportlichen Leistung von Isabel Gose". Während der Live-Übertragung seien alle Athletinnen und Athleten, einschließlich Isabel Gose, mit ihrem Namen, der Deutschland-Flagge und ihrer Disziplin angezeigt worden. "Im späteren Verlauf der Sendung wurde in der ARD ein Beitrag über Lukas Märtens und die großen Emotionen nach seinem Olympia-Sieg ausgestrahlt. In diesem Kontext sprach Isabel Gose als Ex-Freundin des Schwimmers und wurde zur besseren Verständlichkeit so eingeblendet", erläutert der Sender.

Reporter Dominik Vischer, der Isabel Gose zuerst nach Lukas Märtens befragte, äußerte sich ebenfalls gegenüber dem RND: "Isabel Gose und ich haben vor dem Live-Interview in der Flash-Zone gemeinsam die Siegerehrung von Lukas Märtens gesehen. Sie war sehr ergriffen und daher habe ich sie bezugnehmend darauf zu dem Erfolg von Lukas Märtens befragt und danach zu dem Abschneiden in ihrem Rennen."

Mirjam Bach, die ARD-Programmchefin Olympia, hält das für "im Kontext angemessen" und fügt hinzu: "In der Live-Situation hat unser Reporter Dominik Vischer auf die Siegerehrung und auf die großen Emotionen von Isabel Gose reagiert."

Medienexpertin kritisiert "unangemessen sexistische Berichterstattung"

Anders sieht es dagegen eine Medienexpertin: Joan Kristin Bleicher, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Medien und Kommunikation an der Universität Hamburg, kritisierte: "Leider finden sich diese Formen der unangemessen sexistischen Berichterstattung über Sportlerinnen recht häufig", erklärte sie gegenüber dem RND. "Es wird nicht die Leistung thematisiert, sondern die Beziehungen, die Familie und das Outfit. Diese Unterscheidung verdeutlichen beispielsweise die unterschiedlichen Moderationen im Bereich Frauen- und Männerfußball."

Bleicher führte weiter aus: "Solche Unterschiede finden sich leider nicht nur im Sport. Ich weiß dank deutscher Medien inzwischen mehr über die Anzahl der Schuhe als über die politischen Ziele der US-amerikanischen Präsidentschaftskandidatin."

Den zweiten deutschen Sieg bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 hat Vielseitigkeitsreiter Michael Jung am Montag, 29. Juli 2024, in der Einzelwertung geholt.