Wohnkostenreport zeigt: In 2023 besser kein Haus kaufen?

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Was ist günstiger: Mieten oder Kaufen?
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Diese Frage beschäftigt viele: Soll ich eine Wohnung oder ein Haus kaufen? Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) liefert jetzt die Fakten für deine Entscheidung.

Soll ich eine Immobilie kaufen oder mieten? Diese Frage stellen sich viele und sie ist auch alles andere als neu. Und doch: Sie stellt sich immer wieder neu, weil der Markt sich verändert und damit die Konditionen. Gerade in den letzten 18 Monaten haben sich die Vorzeichen auf dem Immobilienmarkt dramatisch verändert. Die Eingangsfrage zu beantworten, ist also gar nicht so einfach. Deshalb ist es ausgesprochen nützlich, dass jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Auftrag der Immobilienfirma Accentro in Berlin den Wohnkostenreport 2023 für Deutschland vorlegt. Wir haben ihn genauer unter die Lupe genommen. Willst du den Report in voller Länge lesen, kannst du ihn auf der Online-Seite des IW downloaden. Das funktioniert aber nur bei gleichzeitiger Registrierung bei der Firma Accentro, die auf diese Weise Immobilien-Interessenten sammelt. 

Kostenvorteile von eigenen Immobilien schmelzen

Da kaum jemand eine Immobilie mal so aus dem Handgelenk bezahlt und die meisten einen Kredit aufnehmen müssen, ist die Zinsentwicklung ein entscheidender Parameter. Ein zentrales Entscheidungskriterium ist außerdem die Frage, ob die Wohnung oder das Haus für die Eigennutzung oder als Kapitalanlage gedacht ist. Ein weiterer Faktor ist die Lage: Liegt die Wohnung oder das Haus in der Metropole oder auf dem Land? Diese drei Rahmenbedingungen bestimmen maßgeblich den Mietpreis oder die Kosten für die Selbstnutzung. 

Bevor die Autoren Prof. Michael Voigtländer und Pekka Sagner vom IW die Frage beantworten, ob sich der Immobilienkauf aktuell lohnt, ist ihr erster Arbeitsschritt ein anderer. Sie wollten zunächst wissen, in welcher Variante Wohnen am preiswertesten ist: als Eigentümer*in und Selbstnutzer*in in der eigenen Immobilie oder als Mieter*in mit einem Neuvertrag? Viele Jahre, genauer bis 2021, fiel die Antwort eindeutig aus: der Kostenvorteil von Immobilien-Kaufenden gegenüber Mietenden mit einem neuen Vertrag (also keine Bestandsmieten), lag bei rund 60 %. Eigentumsbesitzende hatten in allen Regionen also die Nase weit vorn.

Vor allem der unerwartet starke Zinsanstieg bei den Hypotheken sorgte dafür, dass die Lücke bei den Kostenunterschieden sich immer mehr schloss. Selbstnutzer hatten bereits 2022 mit 10,04 Euro pro Monat und Quadratmeter mehr als das Doppelte zahlen müssen als im Vorjahr (4,23 Euro). Dennoch lebten Selbstnutzer im vergangenen Jahr in 328 der 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städten in ihren eigenen Immobilien immer noch günstiger als Mieter, darunter selbst in vier der sieben Metropolen. Sie bezahlten im Schnitt 10,04 Euro pro Quadratmeter und Monat gegenüber Neuvertragsmieten für vergleichbare Wohnungen von 10,90 Euro je Quadratmeter. Der Kostenvorteil lag also im Schnitt immer noch bei 8,0 %, so die Analyse.

Zinsschock verändert den Immobilienmarkt

Das hat sich allerdings in diesem Jahr weiter verändert. Das Datenmodell des IW rechnete für 2022 mit einem Zins von nur 2,65 % im Jahresschnitt für einen Immobilien-Kredit mit zehn Jahren Zinsbindung. Aktuell liegen die Zinsen aber deutlich höher (ca. 4,20 %). Weil ein Zinssatz von 2,65 % nicht annähernd die Zinsrealität abbildet, legte das IW für 2023 eine weitere Rechnung vor.

Das zweite Rechenmodell operierte mit einem Zinssatz von 3,7 %. Ergebnis: Die Kosten für Selbstnutzende liegen in 300 von 401 untersuchten Regionen höher als die Mieten für Neuverträge. Günstig sei Kaufen weiterhin nur in abgelegenen, ländlichen Regionen, heißt es in der Studie. Damit ist klar: Bei Hypothekenzinsen von 3,7 % oder mehr sind die Kostenvorteile für die eigen genutzte Immobilie endgültig passé. Für zwei Drittel der Immobilien-Eigentümer*innen wäre eine Mietwohnung kostengünstiger. 

"Die höchsten Kostenvorteile können wir im Umland von Metropolen und Großstädten sowie im ländlichen Raum beobachten", sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer der Deutschen Presseagentur. Gerade um Berlin wiesen mehrere Kreise 2022 Kostenvorteile für Selbstnutzer von über 20 % auf. Bundesweit am höchsten waren diese in den Landkreisen Sömmerda (Thüringen), Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) und Oder-Spree (Brandenburg). 

Sinken die Hypothekenzinsen wieder?

Aber nicht für alle Immobilien-Interessenten ist die aktuelle Lage eingetrübt: "Die aktuelle Marktlage bietet Einstiegschancen für Eigenkapital starke Käufer", formulieren die beiden Autoren der Studie die Marktchancen einer besonderen Gruppe. Damit sind diejenigen angesprochen, die hohe Summen an Eigenkapital für den Immobilienkauf mobilisieren können. In diesen Fällen reduziert sich das Fremdkapital und damit die Zinslast. Im günstigsten Fall ist die Immobilie komplett aus der eigenen Tasche zu bezahlen.   

Um den Immobilienmarkt wieder in Schwung zu bringen und um die Kostenvorteile der vergangen Jahre zu erreichen, ist entscheidend, dass die Hypothekenzinsen fallen. Die Hoffnung, dass dies bald passiert, verbreitet die Studie. "Der Zinsanstieg wird jedoch zeitnah seinen Höhepunkt erreichen", prognostizieren die Autoren des IW. Auf Basis von Szenarienrechnungen sei davon auszugehen, dass der Wohneigentumsmarkt "zum Jahreswechsel 2023/24 wieder an Dynamik" gewinnt, sprich die Hypothekenzinsen fallen.

Weil sich die Autoren mit ihrer Prognose nicht sicher sind, fordern sie zur Ankurbelung des Immobilienmarktes staatliche Förderung für junge Familien. Ihnen ist wichtig, so der Vorschlag, insbesondere bei den Erwerbsnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notar- und Grundbuchkosten, Maklergebühren) einer Immobilie zu helfen. Ebenso schließt das IW direkte Prämien für den Immobilienkauf nicht aus. 

Welcher Typ bist du: Mieter*in oder Eigentümer*in?

Ob du eine Immobilie kaufst oder mietest, ist am Ende auch eine emotionale und niemals nur eine rationale Entscheidung. Stell dir die Frage: Bist du eher Typ Mieter*in oder Typ Eigentümer*in? Die folgenden sechs Statements helfen dir bei der Einordnung:

Typ Mieter*in

  • Umzug, Jobverlust, Jobwechsel, Kurzarbeit, all das kannst du nicht ausschließen.
  • Schulden sind ein Gräuel für dich.
  • Finanzielle Risiken magst du nicht.
  • Interessen liegen bei Reisen, Ausgehen, schönes Leben, du liebst teure Autos.
  • Flexibilität ist dir mehr wert als Sicherheit.
  • Du hast Angst vor hohen Nachinvestitionen für Instandsetzung oder Modernisierung.

Typ Eigentümer*in

  • Du arbeitest in einer gesicherten Position.
  • Schulden sind keine Belastung, sie sind Zukunftsinvestitionen.
  • Risiken kannst du ertragen.
  • Du bist gerne im Garten und werkelst am eigenen Haus.
  • Du bist ein Fan von Betongold, weil es die sicherste Form der Geldanlage ist.
  • Eine Immobilie ist für dich eine gute Altersvorsorge.

Fazit

Wer eine Immobilie kauft, lebt günstiger als wenn er oder sie mietet. Jahrelang galt diese Maxime für Immobilienkaufende. Das hat sich allerdings in diesem Jahr in vielen Regionen gedreht. Der finanzielle Vorsprung ist mit dem Anstieg der Hypothekenzinsen stark gesunken. Die jüngste Erhöhung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank (EZB), am 15. Juni 2023, um 0,25 % auf 4,0 %, wird die Hypotheken weiter verteuern. EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte für den Monat Juli eine weitere Zinserhöhung an. Das Ende der Fahnenstange ist also noch nicht in Sicht. Deshalb abschließend unser Rat: Wenn du viel Geld aufnehmen musst, um dir eine Immobilie leisten zu können, dann solltest du das in diesem Jahr nicht tun.