Deutschland
Baustellenlärm

Mietrecht: Das können Mieter gegen Baustellenlärm tun

Baustellenlärm kann Mietenden den letzten Nerv kosten. Gerade in der Stadt musst du das häufig erdulden. Aber es gibt Regeln, die zu beachten sind.
Wohnen wenn gebohrt, gebaggert und gehämmert wird: Wie ist die Rechtslage?
Wohnen wenn gebohrt, gebaggert und gehämmert wird: Wie ist die Rechtslage? Foto: CC0 / Pixabay / c_badeja
  • Wohnen in der Stadt ist oft mit Lärm verbunden
  • Von 20 Uhr bis 7 Uhr ist Pause
  • Vorsicht bei Mietminderungen
  • Der Fall in München
  • BGH stoppt Mietminderung

In der Nachbarschaft wird gebaut, das bringt viel Lärm und Schmutz. Vorbei ist es mit der behaglichen Ruhe, wenn nebenan Häuser plattgemacht oder neue Wohnungen entstehen. Bist du dann völlig machtlos oder kannst du wenigstens die Miete mindern?  

Wohnen in der Stadt ist mit Lärm verbunden

In Städten sei "stets damit zu rechnen, dass bei bestehender Bebauung in der Nach­barschaft Bau­tätigkeit entfaltet wird", sagt Volker Grundmann, Immobilienanwalt in Berlin und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht im Deutschen AnwaltvereinZugunsten von Mieter*innen kann allerdings eine sogenannte Beschaffenheitserklärung wirken. Baulärm oder generell die Umgebungslautstärke ist normalerweise kein Bestandteil der mietvertraglichen Vereinbarungen. Solange keine anderslautende Erklärung existiert, ist nachträglich auftretender Baulärm von einem Nachbargrundstück deshalb kein Mangel. Gibt es dagegen eine solche Erklärung als Teil des Mietvertrags, hast du als Mieter*in bessere Möglichkeiten, eine Mietminderung durchzusetzen.

Generell hast du als Bürger*in Baustellenlärm zu dulden. Wäre das nicht so, könnten Baustellen, unabhängig vom entstehenden Lärm, überhaupt nicht betrieben werden. Sobald sich jemand gestört fühlt, käme es zum Stillstand. Der Gesetzgeber gibt Bauverantwortlichen und ausführenden Firmen allerdings Lärmschutzregeln vor, an die sie sich halten müssen. Hierfür maßgeblich sind die Technische Anleitung (TA) Lärm und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) zum Schutz gegen Baulärm.

Wer Baustellen betreibt, hat nach § 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) dafür zu sorgen, dass

  • Geräusche nicht entstehen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und
  • Vorkehrungen getroffen werden, um die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Von 20 Uhr bis 7 Uhr ist Pause

Wann muss Ruhe herrschen? Die gesetzlichen Ruhezeiten richten sich nach den jeweiligen Landesimmissionsschutzgesetzen und kommunalen Verordnungen. In der Regel gilt in Deutschland eine Nachtruhe von 22 bis 7 Uhr sowie eine ganztägige Sonn- und Feiertagsruhe. Grundsätzlich muss es zwischen 20 Uhr und 7 Uhr morgens leiser sein als tagsüber. In reinen Wohngebieten kann für Freizeitlärm nachts ein Grenzwert von 35 Dezibel (dB) gelten.

Bei Baustellenlärm ist die Sachlage anders. Es gilt wie gesagt der Grundsatz: Baulärm ist unvermeidbar. Generell haben Bürger*innen Baustellenlärm zu dulden. Die AVV aus dem Jahre 1970 schreibt aber maximal zulässige Lärmwerte vor – sogenannte Immissionsrichtwerte. Je nach Tageszeit oder nach Lage der Immobilie (Gewerbe- und Industriegebiet, Wohn- oder Mischgebiet) gelten unterschiedliche Grenzwerte. 

In der AVV Baulärm sind Immissionsrichtwerte festgesetzt worden; sie lauten folgendermaßen:

  • Industriegebiet: 70 dB
  • Gewerbegebiet: tagsüber 65 dB, nachts 50 dB
  • Mischgebiet: tagsüber 60 dB, nachts 45 dB
  • Allgemeines Wohngebiet: tagsüber 55 dB, nachts 40 dB
  • Reines Wohngebiet: tagsüber 50 dB, nachts 35 dB
  • Kurgebiet, Krankenhäuser und Pflegeanstalten: tagsüber 45 dB, nachts 35 dB

Beschweren sich Nachbar*innen, schickt die städtische Bauaufsicht oder das Umweltamt zunächst Kontrollierende los. Bei Verstößen machen die Behörden Auflagen. Diese reichen von der Vorlage von Schallschutzkonzepten und Schallbarrieren bis hin zu Arbeitszeitbeschränkungen und dem Einsatz leiserer Maschinen. Im Extremfall ist die Baustelle sogar stillzulegen.

Vorsicht bei Mietminderungen

Ob Mieter*innen wegen Baulärm eine Mietminderung durchsetzen können, hängt vom Einzelfall ab. Mitentscheidend ist, ob Bauarbeiten in der Gegend erwartbar sind. Wenn ja, entfällt der Anspruch. Mieter*innen in der Stadt wird ein höheres Lärmniveau zugemutet als jenen, die auf dem Land leben.

Für dich als Mieter*in gibt es zwei Möglichkeiten, das Thema Mietminderung anzupacken: Erstens kannst du deine*n Vermieter*in anschreiben und mitteilen, dass die Lärm- und Schmutzbelästigungen extrem sind. Als Ausgleich schlägst du eine Mietminderung vor, die dein*e Vermieter*in akzeptieren soll. 

Oder du teilst schriftlich mit, dass du die Miete ab sofort unter Vorbehalt bezahlst. Dann musst du ausführlich Tagebuch über den Verlauf und die Intensität der Arbeiten führen. Lärmpegelmessungen mit einer App stützen deine Aufzeichnungen. Sobald die Bauarbeiten abgeschlossen sind, kannst du rückwirkend ab der Vorbehaltserklärung die zu viel bezahlte Miete zurückfordern. Diese beiden Varianten schützen dich davor, dass dein*e Vermieter*in die Möglichkeit bekommt (unvollständige Mietzahlung), dir zu kündigen. Falls jemand weniger Miete überweisen will, mahnt Rechtsanwalt Grundmann zur Vorsicht. "Zu viel mindern ist brand­gefährlich. Es droht der Rauswurf."

Der Fall in München

Gerichte urteilen bei Baulärm und Mietminderung unterschiedlich. Übermäßiger Baulärm kann in der Großstadt zur Mietminderung berechtigen. Dies entschied das Amtsgericht (AG) und Landgericht (LG) München und wies damit die Klage einer Vermieterin auf Zahlung eines im Wege der Mietminderung einbehaltenen Mietanteils zurück. Die Mieterin begründete die Mietkürzung mit unzumutbarem Lärm einer benachbarten Großbaustelle. Dazu legte sie ein detailliertes Lärmprotokoll mit eingearbeiteter Fotodokumentation sowie das Ergebnis einer eigenen mehrtägigen Schallmessung vor.

Die Vermieterin bestritt, dass die Baustelle unzumutbare Lärmstörungen verursacht habe. Die gesetzlichen Bauvorschriften seien eingehalten worden. Ihr zentrales Argument: Sie habe die Bautätigkeit aufgrund der erteilten Baugenehmigung auf dem Nachbargrundstück nicht verhindern können. In einer Großstadt müsse mit Bautätigkeiten gerechnet werden, zumal die Beklagte bewusst eine Wohnung neben einer schon stillgelegten Fabrik angemietet habe.

Die unwesentlichen und ortsüblichen Immissionen habe die Vermieterin gegenüber den Bauverantwortlichen nicht abwehren können. Sie seien von der Beklagten folglich hinzunehmen. Das sah das Gericht anders und hielt in Bauphase 1 (Abriss und Grundarbeiten) eine Mietminderung von 30 Prozent, in Bauphase 2 (Hochbauarbeiten) eine Minderungsquote ausgehend von der Bruttogesamtmiete von 25 Prozent für angemessen (Urteil AGvom 1.2.2018, Az.: 472 C 18927/16, LG: Urteil vom 15.11.2018, Az.: 31 S 2182/18).

BGH stoppt Mietminderung

Geht ein Fall vor den Bundesgerichtshof (BGH) sieht die Sache aber anders aus. Regelmäßig weist das höchste Zivilgericht, offensichtlich genervt von den immer wiederkehrenden anderslautenden Entscheidungen untergeordneter Gerichte, Entscheidungen zurück, die eine pauschale Mietminderung durch Baulärm bejahen. Die oft kritisierte, bislang aber unumstößliche Position: Baulärm durch eine benachbarte Baustelle ist nur dann ein Mangel der Mietsache, wenn die Vermietenden selbst Abwehr- oder Entschädigungsansprüche gegen die Störenden haben (Urteil vom 24.11.2021, Az.: VIII ZR 258/19). Diese bestehen im Regelfall aber nicht.

Der BGH argumentiert weiter: Mietende könnten sich nicht an Vermieter*innen schadlos halten, wenn diese rechtlich nichts gegen den lästigen Lärm ausrichten können. Außerdem seien Veränderungen im Umfeld der Wohnung nicht allein den Vermieter*innen anzulasten.

Das LG in Berlin hatte im konkreten Fall einen Mangel der Mietsache durch Lärm einer benachbarten Großbaustelle gesehen und eine Mietminderung von 15 Prozent akzeptiert (Urteil vom 21.8.2019, Az.: 64 S 190/18). Der Deutsche Mieterbund (DMB) sieht in der Haltung des BGH, dass Mietminderungen wegen Baulärms in der Nachbarschaft vor Gericht keine Chance auf Erfolg haben.

Fazit

Baulärm ist eine Plage, den du als Mieter*in in der Stadt aber hinnehmen musst. Die einzige Möglichkeit besteht, darauf zu drängen, dass die Regeln der Immissionsschutzgesetze (Nachtruhe, Einhaltung des Lärmgrenzen) einzuhalten sind. Mietminderungen sind dagegen nur schwer durchzusetzen, insbesondere dann nicht, wenn die Vermietenden den Fall bis zum BGH treiben.