Das weltweite Artensterben hat Auswirkungen auf uns alle. Eine neue Studie zeigt das Ausmaß der Katastrophe am Beispiel der Vogelwelt.
Klimawandel und Artensterben
Zustand der Vogelwelt
Auswirkungen des Artensterbens auf den Menschen
Was tun?
Laut Bericht des Weltbiodiversitätsrat (IPBES) der UN von 2019 sind eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Verantwortlich für dieses gigantische Artensterben ist der Mensch. Wenn immer mehr Arten verschwinden, hat das Auswirkungen – auch für uns.
Klimawandel und Artenschwund
Bereits 2007 wurde im Weltklimabericht ein Verlust von 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten durch den Klimawandel vorausgesagt. Schmelzendes Eis in der Arktis, Wassermangel und Dürren, Brände und Extremwetterereignisse haben große Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt. Vor allem in den polaren Gebieten und im Hochgebirge, wo die Erderwärmung am stärksten voranschreitet, verkleinern sich Lebensräume rapide.
Daneben gibt es weniger sichtbare, allmähliche Veränderungen. Viele Tier- und Pflanzenarten sind spezialisiert und können sich nicht so schnell anpassen. Beispielsweise verändert sich durch Überwärmung von Gewässern das Nahrungsangebot an Fischen und Kleinlebewesen für Wasservögel. Wegen sich verschiebender Regen- und Trockenzeiten werden tropische Insekten weniger – und damit auch die tropischen Vögel. Veränderte Temperaturen im Lauf der Jahreszeiten in den gemäßigten Klimazonen bringen zudem das Verhalten der Zugvögel durcheinander.
Durch ein verändertes Klima finden manche eingewanderte Tier- und Pflanzenarten gute Bedingungen und siedeln sich an. Es fehlen ihnen aber in der neuen Heimat oft natürliche Feinde und sie vermehren sich stark. Einige, sogenannte invasive Arten, verdrängen einheimische Tiere und Pflanzen und werden zum Problem für bestehende Ökosysteme. Bekannte invasive Arten bei uns, von denen du vielleicht schon gehört hast, sind Waschbären, asiatische Tigermücken und Ambrosia. Eingeschleppte Arten können für den Menschen auch eine gesundheitliche Gefahr darstellen. Die Tigermücke kann beispielsweise Krankheiten wie das Dengue-Fieber übertragen. Die Pollen der nordamerikanischen Ambrosie sind stark allergen.
So viele Arten stehen auf der Roten Liste
Die Weltnaturschutzunion IUCN führt seit 1964 eine internationale Rote Liste. Dies ist die weltweit wohl umfassendste Informationsquelle über den Zustand von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Demnach sind von 128.918 erfassten Arten mehr als 40.000 bedroht, darunter:
etwa ein Viertel der Säugetierarten
jede achte Vogelart
37 Prozent der Haie und Rochen
41 Prozent der Amphibienarten
33 Prozent der Korallenriffe.
Auch andere Organisationen und einzelne Staaten geben Rote Listen heraus. Sie sollen über die Gefährdung der Arten informieren und dienen als Argumentationshilfe und zur Planung von Maßnahmen zum Naturschutz. Für die Erstellung Roter Listen werten Wissenschaftler alle erhältlichen Daten aus. Mehr dazu findest du beim Rote-Liste-Zentrum des Bundesamtes für Naturschutz.
In Deutschland sind bislang mehr als 30.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten bewertet worden. Über ein Viertel davon gelten als bedroht oder schon ausgestorben. Demnach sind in Deutschland 33 Prozent der Wirbeltiere, 34 Prozent der wirbellosen Tiere, 31 Prozent der Pflanzen und 20 Prozent der Pilze gefährdet.
Gefährdet - Bedroht - Ausgestorben?
Sind Tier- und Pflanzenarten sehr selten, hörst du oft, sie sind "gefährdet", auf der "Roten Liste" oder "vom Aussterben bedroht". Das heißt, dass es von ihnen nur noch wenige Exemplare gibt. Wenn diese erkranken, keinen Lebensraum oder keine Nahrung mehr finden, vermehren sie sich nicht mehr. Falls sie ohne Nachkommen sterben, verschwindet die Art unwiederbringlich.
Es kann auch sein, dass Arten in einer bestimmten Gegend nicht mehr vorkommen, woanders aber noch zu finden sind. Die "Population" in der Gegend ist dann ausgestorben. Manchmal erholen sich Arten auch oder Tiere und Pflanzen tauchen wieder in einer Gegend auf, in der sie schon lange nicht mehr gesehen wurden. Dass Arten aussterben, ist ein natürlicher Prozess. Doch der Menschen beschleunigt diesen Prozess derzeit massiv.
Verschiedene Gefährdungskategorien werden in den Roten Listen unterschieden, in Deutschland ist der Grad der Gefährdung einer Art in 10 Stufen unterteilt. Diese reichen von "ausgestorben oder verschollen" bis zu "ungefährdet" und "nicht bewertet". Diese Einteilungen sollen genauer über den Zustand der jeweiligen Art und über die Dringlichkeit von Gegenmaßnahmen informieren.
Neue Studie: So geht es den Vögeln
Vögel sind weltweit zu finden und eine sehr gut erforschte Gruppe von Tieren. Aus Untersuchungen der Vogelwelt lassen sich Rückschlüsse auf andere Arten und den Zustand der Umwelt allgemein ziehen.
Alexander Lees von der Manchester Metropolitan University und sein Team gewannen jetzt in ihrer globalen Studie beunruhigende Erkenntnisse: "Unsere Schätzungen deuten auf eine effektive Gesamtaussterberate, die sechsmal höher liegen könnte als die Rate des Aussterbens von Vogelarten seit 1500". Die Hälfte aller weltweit bekannten Vogelarten geht zurück. "Die Vogelvielfalt erreicht in den Tropen weltweit ihren Höhepunkt, und dort ist auch die Zahl der bedrohten Arten am höchsten", schreiben Lees und sein Team. Auch viele früher sehr häufige Arten nehmen ab, vor allem in den gemäßigten Klimazonen. Nordamerika und Europa verloren in den letzten Jahrzehnten Milliarden Vögel, besonders Vögel des Ackerlands.
Die Hauptursachen für den dramatischen Rückgang der Vögel, neben dem Klimawandel: Die Zerstörung ihres Lebensraums durch Verschmutzung und industrielle Landwirtschaft und die Jagd durch den Menschen. Durch Wiederherstellung und Schutz von Feuchtgebieten nehmen, laut Lees, in Nordamerika und Europa Wasservögel wieder zu. Schutzmaßnahmen können also durchaus etwas bewirken. Doch bisher gibt es weltweit viel zu wenige davon.
Artensterben betrifft auch die Spezies Mensch
Man könnte die Haltung haben: Schade, aber die Dinosaurier waren auch toll und sind ausgestorben, oder? Tatsächlich entstanden nach den Dinosauriern neue, veränderte Pflanzen- und Tierwelten. Das dauerte allerdings viele Millionen Jahre. Und: Das Aussterben einer Art istnicht rückgängig zu machen.
Ein Ökosystem funktioniert nur als Zusammenspiel aller Teile. Abgesehen von der unwiederbringlichen Besonderheit jeder einzelnen Spezies und ihrem Recht auf Leben: Alle Tiere und Pflanzen haben eine Funktion in der Natur. So wirken die Pflanzenfresser unter den Vögeln, ebenso wie viele Insekten, als Bestäuber und Samenverbreiter. Als Aasfresser sind sie eine Art Gesundheitspolizei. Raubvögel helfen, das Gleichgewicht in der Tierwelt zu erhalten. Vögel fressen auch für den Mensch schädliche Insekten oder sorgen dafür, dass Mäuse auf Getreidefeldern nicht zu viele werden.
Der Mensch beginnt gerade erst, Ökosysteme zu verstehen. Forscher*innen wissen nicht, was genau passieren wird, wenn einzelne Arten verschwinden. Sicher ist aber, dass auch der Mensch Teil solcher Systeme ist. Unsere Nahrung (tierische und pflanzliche), Wasser und Medizin hängen von funktionierenden und gesunden Ökosystemen mit einer hohen Artenvielfalt ab.
Was kannst du tun?
Unsere Art des Wirtschaftens und Konsumierens ist letztlich die Ursache des Artensterbens. Willst du aktiv für die Artenvielfalt werden, starte und unterzeichne Petitionen, unterstütze Tier- und Naturschutzorganisationen, informiere und aktiviere andere. Wenn du deinen persönlichen Lebensstil beim Einkaufen, Essen, Müllvermeidung, Energiesparen und Klimaschutz nachhaltig gestaltest, tust du ebenfalls etwas gegen das Artensterben. Sinnvolle Maßnahmen können sein:
Persönliches Handeln alleine wird nicht ausreichen. Politische und gesetzliche Schritte sind nötig:
Umstellung auf umweltfreundliche Energien, um den Klimawandel zu begrenzen
Schutz von Lebensräumen und Naturschutzgebieten
Verbote von Pestiziden und Umweltgiften
die Wiederherstellung von zerstörten Naturflächen wie Moore und Feuchtgebiete ("Renaturierung")
Schaffen neuer Werte jenseits der Wegwerfgesellschaft
Fazit
Studien wie die von Lees und Team zeigen uns, dass das Ausmaß des Artensterbens größer ist, als viele bisher dachten. Sicher gibt es hier noch Forschungsbedarf. So sind zahlreiche Arten auf unserem Planeten noch gar nicht entdeckt. In Teilen der Welt werden bisher noch zu wenige Daten gesammelt. Doch alarmierend genug sind aktuelle Erkenntnisse: Eine Million der bisher bekannten Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Und der Mensch ist schuld daran. Wenn sich nichts ändert, sind die Aussichten für die Menschheit düster. Es ist höchste Zeit, zu handeln.