Hexenverfolgung in Franken: Hintergrund der Hexenjagden

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Pakt mit dem Teufel: So stellte man sich eine Hexe im Mittelalter vor.
Pakt mit dem Teufel: So stellte man sich eine Hexe im Mittelalter vor.
CC0 / Pixabay / Waldkunst
Der Papst und der Inquisitor (Gemälde von Jean Paul Laurens, 1882)
Der Papst und der Inquisitor (Gemälde von Jean Paul Laurens, 1882)
Von Jean-Paul Laurens - https://art.rmngp.fr/fr/library/artworks/jean-paul-laurens_le-pape-et-l-inquisiteur-dit-aussi-sixte-iv-et-torquemada_huile-sur-toile_1882, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3572005
Titelseite des „Malleus maleficarum“, Lyon 1669
Titelseite des „Malleus maleficarum“, Lyon 1669
Von Sprenger, Jakob - Verfügbar in der digitalen Bibliothek der Europäischen Bibliothek für Information und Kultur (BEIC) und hochgeladen im Rahmen einer Partnerschaft mit der BEIC., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=50373089
Hexenwaage im Foltermuseum Freiburg im Breisgau
Hexenwaage im Foltermuseum Freiburg im Breisgau
Von Flominator - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=624378

Auch in Oberfranken wurden während der Inquisition Frauen als Hexen verfolgt. In unserer Reihe zum Thema informieren wir dich im ersten Teil über die Hintergründe der Hexenprozesse.

  • Was war die Inquisition?
  • Wie entstand sie?
  • Wie wurden Hexen verfolgt?
  • Wie ging man in den Prozessen vor?

Über 500 Jahre lang verfolgte die katholische Kirche Menschen, die nach ihrer Ansicht Ketzer oder mit dem Teufel im Bund waren. Oft reichte bereits der kleinste Verdacht, um sie in die Folterkeller und auf den Scheiterhaufen zu bringen. Oft waren es Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden. Wie wurde dabei vorgegangen? Und wie entstanden die Urteile?

Der Weg zur Hexenverfolgung

Im 12. Jahrhundert verliert die katholische Kirche immer mehr an Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung, denn sie ist mehr darauf aus, Reichtümer anzusammeln, als sich um das Seelenheil der Menschen zu kümmern. Dazu kommt, dass die Lebensbedingungen schlechter werden, es herrschen oft Hunger und große Not. Die Gläubigen suchen Halt in der Frömmigkeit und in der Hoffnung auf ein gutes Leben nach dem Tod. Doch finden sie dies immer weniger in der katholischen Kirche. So entstehen neue Kirchenbewegungen, die den Menschen Hoffnung geben. Papst Innozenz III. ist im Umgang mit den "Ketzern", wie sie in der katholischen Kirche genannt werden, völlig überfordert, die katholische Kirche ist in ihrer Existenz bedroht. Man sucht nach Wegen, wie man systematisch die Ketzer aufspüren und bekämpfen kann. Waren zunächst die Bischöfe für deren Bekämpfung zuständig, so sind diese teils nicht in der Lage der Aufgabe nachzukommen oder nicht an einer Lösung des Problems interessiert. Daher sollen speziell ausgebildete Abgesandte des Papstes diese Aufgabe übernehmen. 

1231 ernennt Papst Gregor IX. die Dominikaner und Franziskaner zu Inquisitoren und beauftragt sie mit der Verfolgung der Ketzer. Gleichzeitig werden die Inquisitoren mit einer Vollmacht ausgestattet, welche für eines oder mehrere Bistümer gilt. Im Jahr 1252 erlaubt Papst Innozenz IV. nach dem Vorbild staatlichen Rechts in besonders hartnäckigen Fällen, also wenn die Ketzer kein freiwilliges Geständnis ablegen, auch den Einsatz der Folter. Nach einer Beratung mit den Beisitzern kommt der Inquisitor zu einem Urteil, welches aber nicht durch die Kirche selber vollstreckt werden darf. Friedrich II. verspricht dem Papst, ihn bei der Verfolgung der Ketzer zu unterstützen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für den "Erfolg" der Inquisition. Damit kann die Kirche systematisch gegen die Ketzerei vorgehen. Dies geschieht immer nach dem gleichen Muster. Der Inquisitor zieht von Stadt zu Stadt und lässt alle Bürger auf dem Marktplatz antreten, dann hält er die Ketzerpredigt. Im Anschluss schickt er alle nach Hause, mit dem Befehl, Ketzer, gegebenenfalls auch sich selbst, bei ihm anzuzeigen. Bei der Selbstanzeige kommen Beschuldigte meist mit milden Strafen davon. Dieses Vorgehen öffnet dem Denunziantentum Tür und Tor, aus geringsten Streitigkeiten unter Nachbar*innen kann eine Anzeige wegen Ketzerei folgen. Die Angeklagten müssen sich vor dem Gericht verantworten, ohne zu erfahren, wer sie angezeigt hat. Weigern sich angezeigte Ketzer zu gestehen, so kann der Inquisitor die Folter anordnen. Steht die vermeintliche Schuld fest, so wird das Urteil während einer Messe verkündet. Im schlimmsten Fall droht der Scheiterhaufen. 

Mitte des 14. Jahrhunderts sind die meisten Ketzerbewegungen zerschlagen, die Gefahr für die Kirche scheint abgewendet. Doch im Zuge der Reformation, der Erfindung des Buchdrucks und der Verbreitung wissenschaftlicher Ideen entstehen neue Gefahren für die Kirche. 1542 gründet Papst Paul III. die "Heilige Römische und Universale Inquisition" in Rom. Anstelle einzelner Inquisitoren gibt es nun einen bürokratischen Apparat, das "Heilige Officium", dem rund ein Dutzend Kardinäle angehören, deren Aufgabe die Reinhaltung des Glaubens ist. Diese versucht auch, den Buchdruck zu kontrollieren, zensiert Bücher, verbietet sie und lässt Menschen, die unerwünschte Bücher schreiben, besitzen oder lesen, exkommunizieren. Erst 1965 wird das "Heilige Officium" aufgelöst.

Hexenverfolgung

Der Glaube an Wesen, die als Hexen bezeichnet werden, existiert schon sehr lange. Bereits in den Hochkulturen Ägyptens oder Babyloniens ist man von der Existenz dieser Wesen überzeugt, vermeintliche Zauberer oder Hexen werden mit dem Tode bestraft, allerdings werden sie nicht gezielt verfolgt. Auch im römischen Imperium glaubt die Mehrheit der Bevölkerung an Zauberei, doch wird nur ihr Missbrauch unter Strafe gestellt. Während ein "Schadenszauber" ab dem 3. Jahrhundert mit dem Tode durch lebendiges Verbrennen bestraft wird, bleibt "wohltätiger Zauber" ungestraft. Erst nachdem ab dem 4. Jahrhundert die christliche Religion erstarkt, wird für jede Art der Zauberei die Todesstrafe verhängt. Paradox: Die frühen Christen glauben nicht an die Wirksamkeit der Zauberei, der bloße Versuch wird jedoch als teuflisch angesehen. Der Kirchengelehrte Augustinus (354 - 430) setzt sich als erster ausführlich mit Magie und Zauberei auseinander. Seiner Ansicht nach ist Zauberei wirkungslos, aber jegliche magische Handlungen setzen einen Pakt mit dem Teufel voraus. Es kommt zu vereinzelten Prozessen gegen Hexen und Zauberern, aber eine gezielte Verfolgung findet nicht statt. Die Kirche wendet sich sogar ausdrücklich gegen Lynchjustiz und Pogrome

Im 13. Jahrhundert ändert sich jedoch die Meinung der Kirche. Thomas von Aquin (um 1225 - 1274), einer der bedeutendsten Kirchentheoretiker des Mittelalters, geht davon aus, dass Hexentaten mithilfe des Teufels durchgeführt werden können und beschreibt zudem detailliert die magischen Praktiken, wie den Pakt mit dem Teufel, die Hexenluftfahrt und vieles mehr. In seinen Augen sind Hexen Schaden bringende Weiber. Damit legt er den Grundstein für die spätere Hexenverfolgung. Weitere Gelehrte veröffentlichen Traktate, die Hexensekten beschreiben. Lebten die Menschen bis dahin in einer Art friedlicher Koexistenz mit den vermeintlichen Hexen und Zauberern, so ändert sich das jetzt und die Anwesenheit wird als Bedrohung empfunden. Die katholische Kirche sieht sich zum Handeln gezwungen, um dem wachsenden Glauben der Menschen an Magie entgegenzuwirken. Auf dem Konzil von Basel 1431 - 1449 wird der Hexenglauben neu definiert, man geht jetzt nicht mehr von Einzelpersonen aus, sondern von einer Hexensekte. Inquisitoren werden ernannt und wandern in den Bistümern umher. Einer der berüchtigtsten ist Heinrich Kramer. 1479 zum Inquisitor für Oberdeutschland ernannt, lässt er zahlreiche angebliche Hexen zum Tode verurteilen. Allerdings gibt es immer noch Gegner dieser Verfolgung, sowohl innerhalb der Kirche als auch in der weltlichen Politik. Daraufhin verfasst Kramer 1484 ein Papier, das Papst Innozenz VIII. unterschreibt. Mit diesem als "Hexenbulle" bekannten Papier legalisiert die Kirche erstmals die Hexenverfolgung durch die Inquisitoren.

Dennoch scheitert Kramer 1485 in Innsbruck. Der dortige Bischof ist von der Rechtmäßigkeit nicht überzeugt, lässt den von Kramer initiierten Prozess platzen und wirft ihn aus Tirol. Dies veranlasst Kramer dazu, ein Buch zu schreiben, den "Hexenhammer", in dem er detailliert die Verbrechen der Hexen beschreibt und Regeln für den Hexenprozess darlegt. Schon bald nach der Veröffentlichung 1487 findet dieses Buch großen Anklang in ganz Europa. In den ersten 30 Jahren nach der Veröffentlichung sterben schätzungsweise mehrere Tausend Menschen in Europa auf dem Scheiterhaufen. Um 1520 ebbt die erste Welle der Verfolgung ab. In verschiedenen Gebieten, so zum Beispiel in den reformierten Gegenden Deutschlands, wird die Hexenverbrennung unter Strafe gestellt. Mitte des 16. Jahrhunderts lebt sie wieder auf, als sich die Lebensbedingungen massiv verschlechtern. Eine Kältewelle bricht über Europa herein, die Lebensmittelpreise steigen, viele leiden Hunger. Durch die Predigten der Hexengegner angestachelt, beginnen die Hexenjagden erneut, zwischen 1570 und 1590 erreichen sie in Europa den Höhepunkt. In West- und Südeuropa nehmen die Verfolgungen um 1600 allmählich ab, in Zentraleuropa dagegen nehmen sie deutlich zu, vor allem während des Dreißigjährigen Krieges. 1626 herrscht bis Ende Mai noch ein so strenger Frost, dass die Teiche zufrieren. Schnell werden Hexen dafür verantwortlich gemacht. Im Kurfürstentum Köln finden zwischen 1626 und 1635 mehr als 2000 Hinrichtungen statt. Und dieses Mal trifft es nicht nur Frauen. Auch Geistliche und Mitglieder des Adels, die sich diesen Hetzjagden entgegenstellen, werden verbrannt. Erst Ende des 17. Jahrhunderts stabilisiert sich die Lage, die Aufklärung verdrängt die Magie. 1782 wird in der Schweiz die letzte angebliche Hexe hingerichtet. Um 1800 sind alle Magiedelikte aus den Gesetzbüchern verschwunden.

Der Prozess – penibel geplant mit festem Ende

War man als Hexe erst einmal in die Fänge der Häscher geraten, war das Ende meist vorprogrammiert. Der Ablauf war genau geplant, nichts war dem Zufall überlassen. Das Schema war immer gleich. Am Anfang stand zumeist eine Denunziation, sei es, weil jemand wirklich glaubte, etwas gesehen zu haben oder aber aus niederen Gründen wie Neid oder Habgier. Dem folgte die Verhaftung, ein Rechtsbeistand wurde selten zugesprochen. Damit die Hexe keine Zaubermittel einsetzen konnte, wurde sie vollständig entkleidet und rasiert. Damit sollte ihre Zauberkraft gebrochen werden. Im Anschluss daran wurde sie auf Hexenmale untersucht, also auf Zeichen, die der Teufel wie einen Stempel auf den Leib der Hexe drückte. Dies konnte beispielsweise ein Muttermal sein, das eine besondere Form aufwies. Mittels einer Nadel, die man in das Mal stach, sollte bewiesen werden, dass es ein Teufelsmal war. Trat kein Blut aus oder wurde bei der Angeklagten kein Schmerz festgestellt, war sie der Hexerei schuldig. Es kamen dabei Nadeln zum Einsatz, die sich beim Stechen zurückzogen. So war weder Blut zu sehen, noch konnte Schmerz empfunden werden. Damit war der vermeintliche Beweis erbracht. 

Auch die Verhöre waren streng geregelt. Zunächst kam die gütliche Befragung. Der Hexenrichter stellte Fragen nach der Teufelsbuhlschaft, ob Verkehr mit dem Teufel stattgefunden hatte, nach Zauberei und dergleichen mehr. Brachte diese Befragung nicht das gewünschte Ergebnis, so folgte die Territion. Die Beschuldigte wurde bedroht und eingeschüchtert, man zeigte ihr die Folterinstrumente und erklärte, was damit geschehen würde. Erreichte man auch hier kein Geständnis, so kam es zur peinlichen Befragung, sprich zur Folter. Galten für sonstige Prozesse gewisse Schutzvorschriften über die Dauer und Häufigkeit, so wurden diese für Hexen aufgehoben, da Hexerei ein Ausnahmeverbrechen war, gegen das man mit aller Härte vorgehen musste. Spätestens nach der Folter erhielt man ein Geständnis, dieses war unabdingbar, da ansonsten keine Verurteilung stattfinden konnte. Doch mit dem Geständnis war die Tortur nicht zu Ende. In der Besagung wurde nach den Namen anderer Hexen gefragt, nach Orten der Zusammenkunft, um im Anschluss daran die anderen Teilnehmer ebenfalls festzunehmen. Am Schluss stand fast immer die Todesstrafe: das Verbrennen bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen. 

Eine Besonderheit war die sogenannte Hexenprobe. Damit sollte die Schuld der Hexe durch ein Gottesurteil auch ohne Geständnis bewiesen werden. Neben der erwähnten Nadelprobe gab es weitere "Gottesurteile". Bei der Wasserprobe wurde die Hexe an Händen und Füßen zusammengebunden und ins Wasser geworfen. Schwamm die Person oben, so war sie eine Hexe, da das Wasser nur reine Personen aufnähme. Damit war sie schuldig, sie wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ging sie unter, war sie unschuldig. Da die meisten der Angeklagten dabei ertranken, war das Ende im Grunde genommen gleich. Ein anderes Mittel war die Wägeprobe. Im Mittelalter glaubte man, dass die Hexen leichter seien als normale Menschen, damit sie fliegen konnten. So wurden sie nur mit einem Hemd bekleidet gewogen, lagen sie dabei unter einem vorher bestimmten Maß, so waren sie schuldig. Hier bestand im Grunde genommen sogar die Möglichkeit, einen Freispruch zu erreichen, sofern man das Gewichtsmaß nicht allzu hoch ansetzte. Eine andere Methode war die Feuerprobe. Hier musste die Beschuldigte entweder ein glühendes Kohlestück für eine bestimmte Zeit in den Händen halten oder aber über glühende Kohlen laufen. Traten nach einigen Tagen weder eitrige Wunden noch Brandblasen auf, war die Beklagte unschuldig, denn Gott würde eine ungerechtfertigte Bestrafung nicht zulassen. 

Fazit

Die genaue Anzahl der Opfer dieses Wahns lässt sich nicht bestimmen. Alleine im heutigen Deutschland sollen es nach Schätzungen zwischen 15000 und 20000 sein. In West und Mitteleuropa schätzt man die Anzahl der Menschen, die zwischen 1450 und 1750 hingerichtet wurden, auf etwa 100000. Dabei waren etwa 80 Prozent Frauen. Diese Verbrechen wurden im Namen der katholischen Kirche begangen. Erst im Jahr 2000 entschuldigte sich Papst Johannes Paul II. als erster Papst für diese Unmenschlichkeit. In einer Predigt am 11. April 2022 folgte eine weitere Entschuldigung durch Papst Franziskus. Doch alle Entschuldigungen können das Unrecht, das damals verübt wurde, nicht gutmachen. 

Lies auch den zweiten und dritten Teil unserer Reihe zur Hexenverfolgung.