Produkte im Supermarkt stehen auf dem Kopf - was steckt dahinter?

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Produkte im Supermarkt stehen Kopf - was es damit auf sich hat
Eine neue Bewegung in Europa sorgt dafür, dass Produkte im Supermarkt auf den Kopf gestellt werden. Was soll das?
Einkaufen im Supermarkt, Discounter (Netto-Filiale)
Ralf Welz / inFranken.de (Symbolbild)

Eine neue Bewegung in Europa sorgt dafür, dass Produkte im Supermarkt auf den Kopf gestellt werden. Was soll das?

Wer beim Einkaufen derzeit auf den Kopf gestellte Produkte findet, hat es wohl nicht mit unachtsamen Supermarkt-Mitarbeitern zu tun. Vielmehr steckt eine europaweite Bewegung dahinter, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, sich aber Großes vorgenommen hat.

Tatsächlich hat die Aktion viel mit US-Präsident Donald Trump zu tun: Der hatte mit seinen wirtschaftspolitischen Entscheidungen zahlreiche langjährige Handelspartner vergrätzt. Nicht nur bei den jeweiligen Regierungschefs regt sich deshalb nun verstärkter Widerstand.

Umgedrehte Produkte im Supermarkt: Neue Bewegung in Europa?

Angefangen hat die Bewegung eigentlich in Kanada. Das nordamerikanische Land, das Trump nicht nur mit Zöllen belegen, sondern am liebsten gleich den USA einverleiben will, wehrt sich auch zivilgesellschaftlich immer stärker gegen den übermächtigen Nachbarn im Süden.

Dazu gehört eine Kampagne, beim Einkaufen bewusst auf amerikanische Produkte zu verzichten. Um die US-amerikanische Herkunft der Produkte leichter kenntlich zu machen, hatten einige Menschen damit begonnen, die Produkte in den Regalen umzudrehen. Ein ähnliches Ziel verfolgen die Mitglieder der derzeit (25.03.2025) knapp 190.000 Mitglieder umfassenden Reddit-Gruppe "BuyFromEU" und andere Aktivisten nun auch in Europa.

Ob sich daraus auch in Deutschland eine große zivilgesellschaftliche Bewegung entwickelt, bleibt abzuwarten. Zum einen scheinen die Supermärkte selbst derzeit kein Interesse an einer solchen "Markierung" amerikanischer Produkte zu haben. Laut Frankfurter Rundschau hatten sich einzelne Mitarbeiter schon kritisch zu Wort gemeldet, da sie die Produkte im Nachgang wieder umdrehen mussten und so Mehrarbeit hatten. Andererseits ist es auch gar nicht so einfach, US-amerikanische Produkte zu erkennen und auf Alternativen umzusteigen.

Liste zeigt europäische Alternativen zu amerikanischen Marken

Bei letzteren will eine andere Internetseite helfen: Unter "Go European" listen Aktivisten, die sich laut eigener Aussage über Reddit kennengelernt und zusammengeschlossen hatten, zu bekannten amerikanischen Produkten europäische Alternativen auf. Man wolle "Produkte und Dienstleistungen, die in Europa hergestellt werden, ins Rampenlicht zu rücken", schreiben die Betreiber der Seite. Das Ziel sei es, ""das Wachstum europäischer Unternehmen zu fördern und die reiche Vielfalt des Handwerks auf dem Kontinent zu unterstützen."

Tatsächlich könnte eine solche Besinnung auf europäische Produkte Europa und insbesondere Deutschland nach Einschätzung von Experten langfristig sogar helfen. Stärkeres Wachstum innerhalb Europas könnte ein schrumpfendes US-Geschäft sogar mehr als ausgleichen, so die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte in einer neuen Studie zur Entwicklung bis 2035. Voll zum Tragen kommen könne das aber nur, wenn die EU noch bestehende Handelsschranken abbaue.

Allein die bis Mitte März angekündigten Handelsbarrieren dürften die deutschen Exporte in die USA bis 2035 im Schnitt um 3,2 Prozent pro Jahr schrumpfen lassen, so die Deloitte-Experten. Ergebnis: Das US-Geschäft würde binnen zehn Jahren von derzeit 84 Milliarden auf 59 Milliarden Euro schrumpfen. Im vergangenen Herbst hatten sie - ohne die inzwischen von US-Präsident Donald Trump angekündigten oder eingeführten Zölle - bis 2035 noch ein Wachstum von 1,8 Prozent pro Jahr im US-Geschäft vorhergesagt.

Europa-Geschäft dominiert

Nach oben korrigiert haben sie dagegen ihre Prognosen für Europa: Ausfuhren in die zehn wichtigsten Abnehmerländer dürften demnach im Schnitt um 2,5 Prozent pro Jahr zulegen anstatt der im Herbst erwarteten 1,8 Prozent. Das könnte das wegbrechende US-Geschäft sogar mehr als ausgleichen - zumindest nominal, ohne Berücksichtigung der Inflation. Schon jetzt liege das Volumen der zehn größten Abnehmer in Europa mit zusammen 357 Milliarden Euro mehr als viermal so hoch wie das in den USA, rechnen die Deloitte-Experten vor. 2035 wären es mit dann 467 Milliarden Euro sogar fast achtmal so viel.

"Der EU-Binnenmarkt ist ein schlafender Riese für die deutsche Industrie", sagt Oliver Bendig, Partner und Leiter der Industrieberatung bei Deloitte, einer Mitteilung zufolge. Voll ausschöpfen lasse sich dieses Potenzial aber nur, wenn die EU noch bestehende Handelshemmnisse abbaue. Dann wären der Studie zufolge noch deutlich stärkere Zuwächse möglich. "Angesichts zunehmend protektionistischer Tendenzen im Welthandel kann die Industrie in Deutschland einen Wachstums-Boost aus Brüssel gut gebrauchen."

Auch 30 Jahre nach Einführung des europäischen Binnenmarktes gebe es - trotz Zollfreiheit - noch erhebliche Belastungen im Geschäft mit dem EU-Ausland: abweichende Produktregeln und Zertifizierungen, unterschiedliche Bestimmungen zu Verpackungen und deren Entsorgung, wachsende Berichtspflichten und komplexe Steuervorgaben etwa. "Die bürokratische Belastung von deutschen Unternehmen, die in Europa Handel treiben, ist sehr hoch und in den letzten Jahren weiter gestiegen", sagt Bendig.

Handelshemmnisse auch ohne Zoll

In Summe entspreche das bei Industriegütern einem Aufschlag von bis zu 44 Prozent, so Deloitte mit Verweis auf Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Wenn allein die Hälfte dieser Lasten wegfalle, würde dies der Studie zufolge bis 2035 zu einem zusätzlichen Wachstum von einem Prozent pro Jahr im Geschäft mit den meisten EU-Ländern führen. Würden die Hemmnisse komplett beseitigt, so wäre demnach oft sogar eine Verdoppelung der Wachstumsrate möglich - mit mindestens einem weiteren Prozent Plus pro Jahr in den meisten EU-Ländern.

Profitieren würden vor allem der Maschinenbau und die Elektroindustrie, heißt es in der Studie. Denn hier seien die Belastungen bisher besonders hoch. Deutlich geringer falle der Effekt bei Autos und Chemieprodukten aus. Hier seien die Belastungen durch Handelshemmnisse innerhalb Europas schon derzeit am geringsten. rowa/mit dpa