Zu viel Bildschirmzeit bei Kindern: Das sind die Folgen

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Nutzung von digitalen Medien bei Kindern gestiegen
Ein Junge liegt auf einem Sofa und guckt auf sein Smartphone. (gestellte Szene). Kinder und Jugendliche verbringen immer früher immer mehr Zeit am Bildschirm - sei es für TikTok, Online-Spiele ...
Symbolbild - Smartphone-Nutzung bei Kindern
Annette Riedl/dpa
Smartphone-Nutzung bei Kindern
Ein Junge guckt auf sein Smartphone, während er in einer Hängeschaukel in einem Garten sitzt. (gestellte Szene) Deutsche Jugendliche verbringen im internationalen Vergleich besonders viel Zeit mit ...
Symbolbild - Smartphone-Nutzung bei Kindern
Annette Riedl/dpa

Achtjährige, die stundenlang am Bildschirm kleben - vor einigen Jahren noch undenkbar, inzwischen beim Nachwuchs aber Realität. Was sind die Folgen?

Kinder und Jugendliche verbringen immer früher immer mehr Zeit vor Bildschirmen – sei es für TikTok, Online-Gaming oder zu Bildungszwecken. Besonders deutsche Jugendliche fallen durch eine intensive Nutzung auf. Eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt, dass dies zu Depressionen, einem ungesunden Körperbild oder Einsamkeit führen kann, obwohl die Forschungslage nicht immer eindeutig ist.

Bereits in sehr jungen Jahren machen sich Kinder mit Bildschirmen vertraut, und ihre Bildschirmzeit nimmt dann rapide zu, wie die Autorinnen und Autoren der OECD berichten. Demnach verbringen Sieben- bis Zwölfjährige in Frankreich bereits mehr als zwei Stunden täglich am Bildschirm. 15-Jährige in Deutschland kommen bereits auf 48 Stunden wöchentlich, also fast sieben Stunden täglich.

Deutsche Jugendliche mit Spitzenwert

Insgesamt erreichen deutsche Jugendliche bei der Nutzung einen Spitzenwert. Fast drei Viertel der 15-Jährigen verbringen pro Schultag mehr als zwei Stunden zu Unterhaltungszwecken vor dem Bildschirm. Nur in vier der 36 untersuchten Nationen waren die Werte noch höher, darunter Polen und Estland.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt Teenagern in diesem Alter, nicht mehr als zwei Stunden mit digitalen Medien zu verbringen. "Je weniger Bildschirmzeit, desto besser."

Während der Pandemie erlebte die Nutzung digitaler Medien einen regelrechten Aufschwung. Fußballtraining, Tanzkurse und andere Aktivitäten fielen aus - folglich fand deutlich mehr vor Bildschirmen statt. In den Jahren danach ging die Mediennutzung sogar teilweise zurück, wie die Digitalstudie der Postbank zeigte. Der langfristige Trend scheint jedoch weiter intakt zu sein.

Schlechter Schlaf führt zu Teufelskreis

Viele Fragen zu den gesundheitlichen Auswirkungen sind noch nicht ausreichend erforscht. Es scheint jedoch erwiesen, dass hoher Medienkonsum insbesondere am Abend die Schlafqualität beeinträchtigt. "Hier entsteht ein Teufelskreis, da ein schlechterer Schlaf bei jungen Menschen zu erhöhter Müdigkeit führt, weshalb sie am nächsten Tag passive Aktivitäten wie Fernsehen bevorzugen", heißt es in der Studie. Besonders ungünstig sei es, wenn Kinder und Jugendliche das Smartphone, den Computer oder den Fernseher direkt im Zimmer hätten.

Laut OECD hat sich die mentale Gesundheit junger Menschen in den letzten 15 Jahren drastisch verschlechtert. Ein Muster, das durch die Pandemie noch verstärkt wurde. In diese Periode fällt auch ein signifikanter Anstieg der Mediennutzung. Die Forschung habe bisher jedoch meist keine eindeutige Kausalität zwischen den Entwicklungen feststellen können. Sicher sei, dass negative Effekte auftreten können, etwa durch übermäßige Nutzung, Cybermobbing oder den Kontakt mit für Kinder ungeeigneten Inhalten.

"Studien deuten darauf hin, dass problematischer Konsum das Risiko für Depressionen, Angstzustände, Einsamkeit, schulische Schwierigkeiten, Probleme mit dem eigenen Körperbild und Schlafstörungen erhöht, wobei Mädchen häufig stärker betroffen sind", heißt es.

Experte warnt vor Folgen fürs Gehirn

Wer zu viel Zeit an Handy, Computer oder Fernseher verbringe, könne erheblich in seiner Entwicklung gestört werden, warnt Joachim Türk, Vizepräsident des Kinderschutzbundes. Kleinkinder bräuchten Anreize wie Haptik, Geruch und Geschmack, um die Welt im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. "Das kann kein noch so smarter Bildschirm leisten." Für das Gehirn von älteren Kindern und Jugendlichen bestehe die Gefahr, dass sie im Strudel von TikToks und Reels verlernten, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren. Besonders TikTok steht immer wieder wegen sogenannter Challenges in der Kritik

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In Deutschland besitzen bereits mehr als die Hälfte der Zehnjährigen ein eigenes Smartphone, je nach sozialer Schicht sind es deutlich mehr. Im Alter von 15 Jahren haben fast alle ein eigenes Gerät.

Den Autoren ist es wichtig zu differenzieren: Viele Anwendungen wie E-Books können Kinder und Jugendliche beim Lernen unterstützen. Vor allem Mädchen und sozial bessergestellte Jugendliche nutzen diese Möglichkeiten.

Digitale Welt bietet auch Potenziale

Einfach abschalten sei deshalb keine Option, sagt Kai Hanke, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks. "Die Studienlage zeigt sehr klar auf, dass die digitale Welt enorme Potenziale für Kinder mit sich bringt." Mediennutzung stelle einen wichtigen Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe dar und könne nicht einfach verwehrt werden, sagt er. Eltern, Schulen, Medien und der Gesetzgeber müssten die Rahmenbedingungen schaffen, damit Kinder diese Potenziale auch nutzen können.

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Auch Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit, setzt auf gute Rahmenbedingungen. Die Frage, ob digitale Medien eher Chancen oder Risiken darstellten, sei nicht entscheidend. "Es braucht verbindliche Standards für sichere digitale Inhalte, klare Werbebeschränkungen und mehr Aufklärung über Risiken." Bildungseinrichtungen sollten Medienkompetenz vermitteln und zugleich Räume für analoge - also Handy- und Tablet-freie - Erlebnisse schaffen.

Für die Überblicksstudie haben die Autorinnen und Autoren der OECD mehrere Erhebungen ausgewertet, darunter die aktuelle Pisa-Studie aus dem Jahr 2022. Untersucht wurden die 38 Nationen der Organisation, zu denen neben weiten Teilen Europas auch etwa Japan und Israel zählen.

Viele wollen Gewohnheiten ändern

In Deutschland nehmen sich indes immer mehr Menschen vor, weniger Zeit am Handy zu verbringen. Das geht aus einer Umfrage der DAK zu Vorsätzen für dieses Jahr hervor. Jeder Dritte wünschte sich demnach mehr Zeit offline - bei den Jüngeren war dieser Wunsch besonders ausgeprägt.

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