Mehrere Prozent in einem Tag: Warum unterscheiden sich Wahlumfragen so extrem?
Autor: Robert Wagner
Deutschland, Mittwoch, 29. Januar 2025
In der Berichterstattung zur Bundestagswahl im Februar spielen Wahlumfragen eine große Rolle. Dabei werden auch kleine Verschiebungen interpretiert und auf große Veränderungen zurückgeführt - wie jetzt nach der Gewalttat von Aschaffenburg. Was steckt wirklich hinter den unterschiedlichen Umfrageergebnissen?
Am 23. Februar 2025 wird in Deutschland der neue Bundestag gewählt. Bis dahin blicken die Menschen in der Bundesrepublik immer wieder auf Wahlumfragen: Wie könnte die Wahl im Februar ausgehen? Wer wird Kanzler, welche Partei gewinnt Stimmen, welche fliegt gar aus dem Bundestag?
Im Vorfeld der Wahl werden Wahlumfragen genau beäugt und analysiert. Aktuelles Beispiel: Wie könnte sich die schreckliche Gewalttat von Aschaffenburg auf die Wähler und Wählerinnen auswirken? Gewinnt die AfD vielleicht deswegen Stimmen? So hatten auch wir bei inFranken.de am 28.01.2025 die Frage aufgeworfen, ob der Messerangriff von Aschaffenburg seinen Schatten vorauswirft und die aktuellen Umfragewerte erklären kann. Doch ist diese Frage überhaupt richtig gestellt?
Schwankende Umfragewerte: Sechs Prozent Verlust an nur einem Tag?
Schaut man sich die Chronik der Umfragen zur Bundestagswahl an, fallen einem immer wieder teils massive Sprünge auf. Die AfD würde laut YouGov-Umfrage vom 29.01.2025 insgesamt 23 Prozent der Stimmen erhalten - ein absoluter Spitzenwert für die Partei in diesem Jahr. Hatte die Tat von Aschaffenburg also einen positiven Effekt auf die AfD? Einen Tag zuvor wollten die AfD laut Ipsos aber nur 19 Prozent der Wählerinnen und Wähler wählen - der niedrigste Wert seit dem 3. Januar 2025. Das spricht eher nicht für einen "Aschaffenburg-Effekt".
Die Umfragewerte anderer Parteien schwanken gleichfalls massiv. Im Januar 2025 gaben maximal 34 % der von renommierten Umfrageinstituten Befragten an, der CDU ihre Stimme geben zu wollen. Minimal waren es 28 %. Das erstaunliche auch hier: Zwischen der Veröffentlichung der beiden Umfragen lag nur ein Tag. Kann man wirklich sechs Prozent der Stimmen in nur 24 Stunden verlieren?
Ähnliches gilt für SPD (14-19%), Grüne (12-15%), BSW (3-7%), FDP (3-5%) und Linke (2,5-5%). Bei noch kleineren Parteien ist eine Aussage noch schwieriger, weil bei der Hochrechnung repräsentativer Wahlumfragen auf die Gesamtbevölkerung der Fehlerbalken bei kleinen Fallzahlen stärker zuschlägt. Anders ausgedrückt: Wenn bei 1000 Befragten 300 angeben, die CDU wählen zu wollen, macht es keinen großen Unterschied, ob es in Wirklichkeit 299 oder 301 von 1000 Wählern wären. Wenn bei einer Umfrage aber nur eine Person angibt, beispielsweise die Partei der Humanisten wählen zu wollen, würde es einen massiven Unterschied machen, wenn es real 0 oder 2 Wähler pro 1000 Personen wären.
Sind Wahlumfragen seriös - oder eher gefährlich?
Wie drastisch die realen Auswirkungen von Umfragen auf den realen Wahlausgang seien können, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2013. Professor Dr. Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin, verwies im Gespräch der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung auf die Bedeutung von Wahlumfragen für das Scheitern der FDP an der 5 Prozenthürde 2013.
"Am Morgen des Wahlsonntags hat die Bild am Sonntag noch eine Umfrage veröffentlicht, die die FDP bei sechs Prozent sah. Um 18 Uhr waren es 4,8 Prozent", erläuterte Faas das Beispiel. In einer Studie habe er zeigen können, "dass die Annahme, dass die FDP schon in den Bundestag kommt, zu weniger Leihstimmen von Unions-Anhängern geführt hat."