Geplanter Steuerbonus für Überstunden ungerecht? Studie zeigt, wer profitiert

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Um Mehrarbeit zu belohnen, will die Regierung Überstundenzuschläge künftig steuerfrei stellen. Eine Studie zeigt nun, wie effektiv das Vorhaben wirklich ist.

Wenn es nach der schwarz-roten Regierung geht, soll sich beim Thema Überstunden künftig einiges ändern. Ihr Plan: Auf Zuschläge, die für Überstunden anfallen, soll künftig keine Steuer mehr entfallen. Die Überstunden selbst bleiben jedoch weiterhin steuerpflichtig. Ein Steuergeschenk? Wohl kaum, sind sich die Autoren einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung einig. Diese zeigt: Viele Arbeitnehmer profitieren von den Plänen überhaupt nicht.

Das WSI teilt mit: "Nur eine verschwindend kleine Minderheit von 1,4 Prozent aller Beschäftigten könnte sich künftig auf einen Steuerbonus freuen, der Rest geht leer aus. Im Durchschnitt aller Beschäftigten in Deutschland blieben deshalb nur 0,87 Euro pro Monat steuerfrei, die mittlere Steuerersparnis fällt mit monatlich 0,31 Euro noch einmal dürftiger aus." Insgesamt gehe man von einem Steuerbonus von 1,35 Euro pro Überstunde aus. 

"Falsches Signal": Studie zeigt, wer beim geplanten Steuerbonus leer ausgeht

Laut den Studienautoren gibt es an den Plänen der Koalition noch einen Haken: Die Entlastung betreffe "ganz überwiegend" Beschäftigte aus der oberen Hälfte der Entgeltverteilung. Die Berechnungen des WSI beruhen nach eigenen Angaben auf der Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamtes vom April 2024, die Gehaltsdaten von rund 9,6 Millionen Beschäftigten enthält.

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"Die neue Studie zeigt, wie sozial unausgewogen das Vorhaben ist", hebt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, hervor. "Statt eine breite Entlastung zu bewirken, würde von dem Steuerprivileg in erster Linie eine kleine Gruppe von Beschäftigten profitieren, die auch so ein auskömmliches Gehalt haben. Das trägt weiter zur Ungleichheit in der Gesellschaft bei und setzt ein falsches Signal", betont sie.

Zudem sei es mittlerweile in der Arbeitswelt sehr ungewöhnlich, dass ein Überstundenzuschlag ausgezahlt werde. "In den Betrieben haben sich Arbeitszeitkonten durchgesetzt und Mehrarbeit kann später durch Freizeit ausgeglichen werden", erklärt Studienautor Malte Lübker. Bezahlte Überstunden seien inzwischen eher ein Randphänomen. Der Verdiensterhebung zufolge bekamen im April 2024 nur 5,1 Prozent der Beschäftigten Überstunden ausbezahlt - und davon gab es nur für 1,8 Prozent einen Überstundenzuschlag

Steuerfreier Überstundenzuschlag: Rechenbeispiel zeigt Auswirkungen der Pläne

Anhand eines Rechenbeispiels zeigt auch eine Mitteilung des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH) die Auswirkungen der geplanten Regelung:

  • Aktuelle Regelung: Ein Arbeitnehmer verdient in diesem Monat bei einer 40-Stunden-Woche brutto 3.000 Euro und erhält für 15 Überstunden 258,60 Euro zusätzlich. Ein fiktiver 30-prozentiger Überstundenzuschlag auf diese Summe vom Arbeitgeber ergibt weitere 77,58 Euro. Insgesamt erhält er also ein Bruttogehalt von 3.336,18 Euro. Bei voller Versteuerung blieben ihm in diesem Beispiel davon noch 2.240,01 Euro netto. 
  • Steuerfreier Zuschuss: Es gelten die exakt gleichen Bedingungen - allerdings ist der Zuschlag von 77,58 Euro in diesem Beispiel steuerfrei. Versteuert werden also nur die 3.258,60 Euro brutto, was ein Nettogehalt von  2.196,57 Euro ergibt. Rechnet man den Zuschlag anschließend hinzu, ergibt das ein Nettogehalt von 2.274,15. Es bleiben dem Arbeitnehmer also 34,14 Euro mehr.

Die VLH betont auch: Im Jahr 2024 leistete jeder deutsche Arbeitnehmer laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchschnittlich 28,2 Überstunden. Davon waren 13,1 Stunden bezahlt und 15,1 Stunden unbezahlt. Unbezahlte Überstunden sind jedoch nur dann erlaubt, wenn dies ausdrücklich im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt ist. Grundsätzlich sind Arbeitgeber jedoch verpflichtet, Überstunden durch Vergütung oder Freizeitausgleich abzugelten.

Geplante Überstunden-Regelung: Werden Teilzeitkräfte benachteiligt?

Sollten die geplanten Änderungen greifen, hätten Arbeitnehmer also mehr Netto vom Brutto. Während Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bereits steuerfrei sind, würde die neue Regelung auch Überstundenzuschläge entlasten. Arbeitgeber dürfen jedoch maximal 50 Euro pro Stunde als Grundlohn für die Berechnung der steuerfreien Zuschläge ansetzen.

Aber: Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD soll die Regelung künftig nur für Überstunden gelten, "die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen". Das bedeutet: Wer Teilzeit arbeitet, profitiert von der Steuer-Entlastung nicht. Auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen antwortete die Bundesregierung dazu jüngst, dass "eine 'mögliche mittelbare Diskriminierung' von Teilzeitbeschäftigten - insbesondere von Frauen" im weiteren Verfahren geprüft werde. "Auch Auswirkungen auf das Steueraufkommen und die Gleichbehandlung im Steuerrecht sollen noch bewertet werden."

Eine Alternative zur Auszahlung ist der Freizeitausgleich. Überstunden können auf einem Arbeitszeitkonto gesammelt und später steuerfrei abgebaut werden. Auch Lebensarbeitszeitkonten bieten Flexibilität, indem sie gesammelte Überstunden für längere Auszeiten wie Sabbaticals oder Vorruhestand nutzbar machen. Werden diese Stunden jedoch später ausgezahlt, fallen Steuern an.

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Vorschaubild: © Roland Holschneider/dpa