In Bayern sind so viele Rentner von Altersarmut betroffen wie in keinem anderen Bundesland. Tafel-Chef Peter Zilles erläutert im Interview die Gründe.
Mini-Renten zum Teil auch nach 45 Versicherungsjahren. So lautete der Einstieg des Deutschen Gewerkschaftsbundes Bayern bei der Veröffentlichung des Renten-Reports 2025. Die Zahlen in dem Bericht können durchaus als alarmierend bezeichnet werden. Altersarmut gehört im Freistaat für viele Senioren zur bitteren Realität.
Der Großteil der Renten liegt demnach unter der Armutsschwelle von rund 1300 Euro. Auf Nachfrage von inFranken.de haben sich die Tafel Bayern und der Sozialverband VdK Bayern zur Situation, zu Zahlen und möglichen Veränderungen geäußert. DerVdK Bayern erklärt dazu, dass man das Thema Altersarmut bei Rentnern schon lange verfolgt, "denn im reichen Bayern liegt die durchschnittliche Rentenhöhe sogar unter dem Bundesdurchschnitt." Bayern habe im Vergleich zu allen Bundesländern weiterhin die höchste Armutsgefährdungsquote von Menschen ab 65 Jahren.
Klick dich direkt im Text runter zu den Aussagen der Tafel Bayern und einem Problem mit der Altersarmut, welches in keiner Statistik auftaucht.
Geldnot in der Rente: VdK Bayern mit klarer Forderung
VdK Bayern: "Vor allem die unterschiedlichen Mietpreise sorgen dafür, dass die Lebenshaltungskosten, und damit auch der Wert der Rente, regional deutlich auseinanderklaffen. Am härtesten trifft es diejenigen, bei denen niedrige Rentenansprüche und hohe Lebenshaltungskosten zusammenkommen." Beim VdK Bayern hat man klare Vorstellungen davon, was die Staatsregierung verändern muss: "Zum einen entstehen höhere Renten und damit höhere Kaufkraft im Alter durch bessere Löhne und höhere Erwerbsbeteiligung – insbesondere von Frauen." Es braucht demnach:
Mehr Angebote zur Kinderbetreuung
bessere Entlastung pflegender Angehöriger
Aktive Bekämpfung von Niedriglöhnen
Reguläre Beschäftigung statt Minijobs in Bayern
Zum anderen müssten die Lebenshaltungskosten "durch den massiven Ausbau von mehr und auch im Alter bezahlbarem und barrierefrei nutzbarem Wohnraum gesenkt werden". UND: Auch auf Bundesebene müsse sich etwas bewegen. Der VdK Bayern unterstützt dabei die Forderung des Sozialverbandes VdK Deutschland nach einem höheren Rentenniveau - 53 statt bisher 48 Prozent. Problematisch könnte es werden, wenn mit dem Nachhaltigkeitsfaktor eine bisher ausgesetzte Regelung wieder greift.
Tafel Bayern erklärt Veränderungen bei den Kunden
Ganz anders schaut man nochmal bei der Tafel Bayern auf die Zahlen im Renten-Report des DGB Bayern. Peter Zilles, Vorsitzender Tafel Bayern, erklärte am Montag, 24. März im Gespräch mit inFranken.de dazu: "Die Altersarmut über die wir hier reden ist ja kein neues Problem. Man wusste es seit über 20 Jahren. Es wird kommen, wenn es keine Renten-Reform gibt, die hat es nicht gegeben, nicht so wie man es benötigt hätte."
Eine Statistik der Tafel aus dem Herbst 2024 zeige laut Zilles eine gravierende Veränderung, die aber gut zu erklären sei: "Ich selber war überrascht über das Ergebnis. Früher konnte man sagen, dass etwa ein Viertel der Kunden bei der Tafel Senioren sind. Jetzt im Herbst 2024 war es ganz anders. Da waren es knapp 18 Prozent. Über sieben Prozent weniger." Wie kommt das?
Zum einen wurde bei der Umfrage unter den 975 Tafeln lediglich die Altersgruppe der Senioren ab 67 Jahren berücksichtigt, was schließlich als Kritikpunkt bei der Statistik hervorgehoben wurde. Zilles: "Die wenigsten Tafelkunden beenden ihr Berufsleben mit 67. Sondern sie haben oftmals eine relativ lückenhafte Arbeitsbiografie und bekommen dann eben auch entsprechend weniger Rente." Zudem weist er auf einen weiteren, noch entscheidenderen Faktor hin.
Altersarmut: Was in keiner Statistik auftaucht
Zilles: "Der große Zustrom an Geflüchteten aus der Ukraine hat dazu geführt, dass wir einen enormen Anstieg bei Kindern und Jugendlichen hatten. Da lagen wir dann bei 31 Prozent. Warum? In den ersten beiden Kriegsjahren waren es fast nur Frauen mit Kindern." Die Statistik habe sich dadurch komplett verändert. ABER: Gefühlt, so berichtet er weiter, "kommen aber immer mehr Senioren zu uns, weil die Altersarmut weiter steigen wird."
Zilles: "Die geburtenstarken Jahrgänge kommen jetzt erst ins Rentenalter. Wir rechnen damit, dass mehr ältere Menschen zu uns kommen werden." Der Vorsitzende der Tafel Bayern nennt zudem ein großes Problem, mit dem die Tafeln zu kämpfen haben und das aber in keiner Statistik zu finden ist: "Gerade ältere Personen empfinden oft viel Scham, wenn sie zur Tafel kommen sollen. Es gibt viele, die kommen könnten aufgrund ihrer finanziellen Not, es aber nicht tun. Je kleiner die Kommune, umso größer die Scham, weil man glaubt, jeder kennt mich hier."
Gerade ältere Personen empfinden oft viel Scham
Peter Zilles, Vorsitzender Tafel Bayern e.V.
In Deutschland gibt es demnach eine große, versteckte Armut. Zilles: "Das belastet uns Tafelleute sehr. Wir haben aber noch keine Lösung, um an diese Leute heranzukommen." Für Peter Zilles ist mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen klar, dass in Zukunft noch viel Arbeit auf die Tafel zukommen wird. Früher hatte man immer wieder betont, man würde daran arbeiten, dass es die Tafel nicht mehr braucht. Schon seit 2013 sagt das laut Zilles aber kein Tafel-Laden mehr. Zilles: "Im Gegenteil, wir glauben, wir müssen noch viele Jahre unterstützen. Ich sehe da kein Ende."
Wer sich über die Tafel Bayern informieren möchte, bekommt auf der Internetseite der Organisation Infos über Standorte, Spendenmöglichkeiten, Ansprechpartner und mehr. Und auch die Tafel Deutschland bietet einen entsprechenden Service auf ihrer Seite an.