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Krankenkassen wollen Geld zurück: Kassen-Chef attackiert die Regierung


Autor: Dominik Jahn

Deutschland, Dienstag, 29. Juli 2025

Krankenkassen schlagen Alarm: Der Staat kommt seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, was zu finanziellen Engpässen führt.
Krankenkassen in Deutschland kritisieren die Regierung unter Kanzler Friedrich Merz wegen ausbleibender staatlicher Zahlungen und warnen vor finanziellen Engpässen.


Die Bundesregierung um Kanzler Friedrich Merz gerät bei den Diskussionen rund um die finanzielle Lage der Krankenkassen immer weiter unter Druck. Im Interview der Woche beim Deutschlandfunk weist Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) erneut auf gravierende Versäumnisse hin.

Blatt ist mit seiner deutlichen Kritik an der Politik nicht alleine. Auch Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), hat sich in den vergangenen Tagen immer wieder zu Wort gemeldet. Besonders nachdem klargemacht wurde, dass die Not der Kassen noch größer sei, hat seine direkte Attacke auf Finanzminister Lars Klingbeil über die Plattform LinkedIn für Schlagzeilen gesorgt. 

Krankenkassen sehen klares Versäumnis beim Staat

Der gemeinsame Vorwurf der Krankenkassen bezieht sich darauf, dass der Staat seine Rechnungen nicht zahlt. Die größten Kosten auf denen die gesetzlichen Krankenversicherungen laut GKV-Chef Blatt sitzen bleiben, sind die Beiträge für die Versorgung von Bürgergeld-Empfängern. 

Dabei geht es um zehn Milliarden Euro. Blatt im Interview: "Das ist gesetzlich geregelt, dass es der Staat bezahlt und nicht der Beitragszahler. So, und wir machen das. Wir sind nett, wir machen das auch gut. Aber wir bekommen das Geld nicht zurück."

Wir bekommen das Geld nicht zurück

Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV)

Bereits Anfang Juli hatte der GKV auf Nachfrage von inFranken.de auf den Umstand hingewiesen und "nachhaltige Strukturreformen" gefordert, "um die überbordende Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen".

Kanzler Merz reagiert unbeeindruckt auf die Kassen-Forderung

Bundeskanzler Merz zeigt sich derweil wenig beeindruckt von den Forderungen der Krankenkassen. Noch im ARD-Sommerinterview hat er einen harten Plan für die Kassen ins Gespräch gebracht, der die Versicherten voll treffen würde

Die Leistungskataloge der Krankenkassen sollen demnach zur Streichliste werden. 

Reaktionen kamen dazu unter anderem vom Sozialverband VdK. Gegenüber inFranken.de heißt dazu: ""Der VdK warnt davor, bei der Ausgabenseite zu sparen, indem Leistungen gekürzt werden. Das würde auf Kosten der Versicherten und ihrer Versorgung gehen und wäre deshalb nicht zu akzeptieren."

Kassen kämpfen mit Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben

Das Kosten-Problem der Krankenkassen erklärt Blatt wie folgt: "Wir haben ein grundsätzliches Problem, dass wir nämlich die laufenden Kosten, also die laufenden Ausgaben der Krankenkassen, die steigen um knapp acht Prozent im Moment, ganz aktuell. Und die Einnahmen aber leider nur um 5,6 Prozent. Wir haben also eine Schere zwischen den Einnahmen und den Ausgaben, die wir nicht wegbekommen." Das zugesagte Geld vom Staat fehlt in der Rechnung.

Zuschüsse wird es nicht mehr geben. Im Bundeshaushalt 2025 ist lediglich von einem Darlehen die Rede. Eine Maßnahme, die in den Augen der Experten nicht helfen wird. Der "Erhöhungsdruck" wird bei den Kassen bestehen bleiben hatten Uwe Klemens und Dr. Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes dazu bereits klargemacht.

Klemens und Wagenmann: "Wir sind enttäuscht, dass die vollständige Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen wieder nicht angegangen wird. Einmal mehr fehlt in der Haushaltsplanung des Bundes die vollständige Gegenfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbeziehenden und die Finanzierung der Rentenbeiträge für die pflegenden Angehörigen."

Wenig Hoffnung auf Besserung für das System der Krankenkassen

Auch Blatt hat nur wenig Hoffnung, dass es mit der aktuellen Bundesregierung noch Besserung geben wird. Gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt er, dass er "einerseits gewisse Hoffnung" hat, weil die Gesundheitsministerin Nina Warken zumindest auch politisch dafür kämpft, diese Dinge zu regeln, doch sei Gesamtpolitisch der Bereich "Gesundheit immer noch kein A-Thema".

Die Politik werde demnach beim Verteilen der Gelder die Gesundheit immer hinten anstellen. Doch Blatt bleibt kämpferisch: "Wir werden weiterhin nicht leise werden, danach zu fordern."

Unterstützung bekommen die gesetzlichen Krankenkassen immerhin auch vom BKK Dachverband, der Interessenvertretung der betrieblichen Krankenversicherungen. Der Verband hatte bereits im Juli 2024 Stellung bezogen: "Seit Jahrzehnten zahlt der Bund fragwürdig niedrige Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung der Empfängerinnen und Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Hartz IV und Bürgergeld. Die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung kommen dadurch für Kosten auf, die eigentlich dem Steuerzahler zuzurechnen wären. Die Ampelkoalition weiß um das Problem, sitzt es aber konsequent aus."

Verband der Ersatzkassen bezieht ebenfalls Stellung

Klare Worte kommen auch vom Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Die Verbände haben damit den Druck auf die Politik erhöht. In einer offiziellen Stellungnahme erklärte die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner: "Der Haushaltsentwurf darf das Parlament nicht so verlassen, wie er nun eingebracht wird."

Die geplanten Maßnahmen seien schlichtweg unzureichend für die aktuelle Situation und für die Zukunft. 

Die Politik, so heißt es weiter, dürfe "gesetzlich Versicherte und Arbeitgeber nicht länger im Regen stehen lassen und ihnen alleine gesamtgesellschaftliche Lasten aufbürden".

Auch bei der Pflegeversicherung zahlt der Staat nicht seine Rechnungen

Neben den ausbleibenden Zahlungen für Bürgergeldempfänger bringt der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine weitere offene Rechnung der Bundesregierung zurück ins Spiel. Es geht um die Pflegeversicherungen. Dem anderen großen Sorgenkind mit finanzieller Not.

Es geht um Zahlungen aus der Zeit der Corona-Pandemie. Blatt: "Beim finanziellen Ansatz haben wir hier auch die Situation, dass es deutlich entspannter wäre, wenn wir das Geld, was zum Beispiel die Pflegekasse in Corona-Zeiten ausgegeben hat, um den Bund zu unterstützen – da reden wir auch über fünf Milliarden – zurückbekämen." 

Für die Versicherten hat der GKV-Chef für die Zukunft eine eher düstere Prognose – ähnlich wie bei den Krankenkassen: "Also, wenn die Politik nichts weiter macht, dann gehen wir davon aus, dass auch in der Pflegeversicherung der Beitragssatz steigen muss, denn irgendwoher müssen ja die steigenden Ausgaben kommen."

Das komplette Interview der Woche vom Deutschlandfunk mit GKV-Chef Oliver Blatt steht im Internet zur Verfügung.