Darf ein potenzieller Arbeitgeber nach meinem Gehalt fragen?

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Die Frage nach dem aktuellen Gehalt gehört, wenn sie dann gestellt wird, zu den heikleren Momenten in einem Bewerbungsgespräch.
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Erwin Wodicka (Erwin Wodicka)/Colourbox.de

Das Gehalt zählt bei einem neuen Job immer noch häufig zu den wichtigsten Kriterien. Nicht immer, aber es kommt vor, stellt der potenzielle neue Arbeitgeber die Frage nach dem aktuellen Gehalt. Hier solltest du deine Antwort vorher gut überlegen.

Im Bewerbungsprozess möchte dich dein möglicher neuer Arbeitgeber kennenlernen. Schließlich will er sichergehen, mit dir den richtigen Kandidaten bzw. die richtige Kandidatin einzustellen. Dazu stellt er dir in den Bewerbungsgesprächen viele Fragen. Natürlich hast du auch ein Recht auf Privatsphäre und musst nicht auf alle Fragen antworten. Meistens sind die Fragen berechtigt und beziehen sich unmittelbar auf die zu erfüllenden Anforderungen. Die Frage nach dem aktuellen Gehalt bewegt sich dabei in einer gewissen Grauzone. Sie ist nicht per se unzulässig. Insbesondere dann nicht, wenn sie vor einem ganz bestimmten Hintergrund gestellt wird.  

Was darf der potenzielle Arbeitgeber erfahren?

Im Jahr 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten, welches auch unter dem Begriff "Antidiskriminierungsgesetz" bekannt ist. Mit diesem Bundesgesetz sollen Bewerber*innen und Arbeitnehmer*innen davor geschützt werden, "aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" diskriminiert zu werden. So soll das AGG einer Benachteiligung entgegenwirken, etwa im Rahmen von Einstellungsverfahren, Arbeitsbedingungen und auch beim Gehalt . 

An der Stelle beginnt bei der Frage nach dem aktuellen Gehalt eine leichte Grauzone. Ein offenes Geheimnis ist, dass beispielsweise die Bezahlung von Männern und Frauen bei gleicher Erfahrung und Qualifizierung immer noch häufig nicht gleichberechtigt ausfällt (Gender Pay Gap). In dem Fall sollen die Bestimmungen des AGG dafür sorgen, dass nicht aufgrund des Geschlechts ein niedrigeres Gehalt gezahlt wird. Wenn der Hintergrund der Fragestellung also auf das Geschlecht abzielt, wäre sie nach dem AGG tatsächlich unzulässig. Zu berücksichtigen ist daher auch immer der Kontext der gestellten Fragen. So können und dürfen eigentlich unzulässige Fragen in bestimmten Fällen, wenn aus Sicht des Arbeitgebers ein sogenanntes berechtigtes Interesse vorliegt, gestellt werden. Der Bewerber bzw. die Bewerberin ist in solchen Fällen verpflichtet, selbst indiskrete Fragen korrekt zu beantworten. Wenn du zum Beispiel bei einem Werttransportunternehmen als Fahrer*in oder als Kassierer*in bei einem Geldinstitut anheuern möchtest, sind die Fragen nach entsprechenden Vorstrafen oder einer kriminellen Vergangenheit durchaus nachvollziehbar.

Der Umgang mit eventuell unzulässigen Fragen stellt sich in der Praxis natürlich etwas schwierig dar. Denn sicher wird keiner in einem Bewerbungsgespräch den potenziellen neuen Arbeitgeber darauf hinweisen wollen, dass seine Fragen möglicherweise unzulässig im Sinne des AGG sind. Selbst ein beharrliches Schweigen auf solche Fragen wird vermutlich eher das Ende des Gesprächs bedeuten. Jedoch sollte man in einer solchen Situation sich und seiner Haltung treu bleiben. Es zeugt von Selbstbewusstsein und auch von deiner Qualität, wenn du auf mögliche heikle Fragen gut vorbereitet bist und mit entsprechenden Antworten und Argumenten aufwarten kannst. Generell sind Fragen laut Aussage von Lars Kohnen, Gründungspartner der Kanzlei Kohnen & Krag in Hamburg, nicht erlaubt, die auf persönliche Daten von Verwandten oder etwa Freizeitbeschäftigungen etc. abzielen. Hierzu zählen auch Fragen "zu Schulden, zur Familienplanung, zum Gesundheitszustand, zur Religionszugehörigkeit oder zur Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder Partei. Bewerber müssen auf solche Fragen grundsätzlich keine Antwort geben, sie dürfen sogar lügen." 

Mögliche Gründe für die Frage nach dem aktuellen Gehalt

In einem Bewerbungsprozess treffen mitunter zwei gegensätzliche Interessenlagen aufeinander. Zum einen möchte dein potenzieller Arbeitgeber möglichst viel über dich erfahren, dich testen und herausbekommen, wie du "so tickst“ und ob du zum Unternehmen passt. Du möchtest umgekehrt, vielleicht auch aus gutem Grund, nicht alles von dir preisgeben, dich in bestimmten Bereichen schützen und bei heiklen Fragen lieber nicht unbedingt vollumfänglich mit der Wahrheit herausrücken. Das können zum Beispiel Fragen zu Kündigungsgründen, Unstimmigkeiten mit Vorgesetzten oder auch Krankheiten sein. Manchmal sind es auch private Gründe, wie die Trennung vom Partner oder der Partnerin, die zu einem Jobwechsel führen. 

Die Frage nach deinem aktuellen Gehalt ist zunächst mal unerheblich für das Ausüben des neu angestrebten Jobs. Daher musst du grundsätzlich auf diese Frage auch nicht antworten. Mit einer so entsprechend formulierten Antwort wirst du dich aber vermutlich selbst aus dem Rennen nehmen. Wenn du mit dem neuen Job einen deutlichen Gehaltssprung erzielen möchtest, kann es passieren, dass sich die Angabe deines aktuellen (deutlich niedrigeren) Gehalts negativ auf deine Gehaltsverhandlung auswirkt. Daher solltest du stichhaltige Argumente dafür haben, einen überdurchschnittlichen Gehaltssprung anzustreben. Dass generell bei Jobwechsel mehr Gehalt angestrebt wird, ist allgemein bekannt. 

Der Grund für die Frage nach dem aktuellen Gehalt kann aber auch ganz andere Hintergründe haben. Natürlich musst du in das Gehaltsgefüge des möglichen Arbeitgebers passen. Das solltest du jedoch bereits vorher recherchiert haben, um nicht mit völlig überzogenen Vorstellungen in die Bewerbung zu gehen. Die Einladung zu einem Gespräch bedeutet aber meist, dass du an der Stelle nicht gänzlich verkehrt liegst. Jetzt geht es also mehr um gute Argumente, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen. Der potenzielle Arbeitgeber kann dir also die Frage nach deinen aktuellen Bezügen zum Beispiel auch "fast nur ganz nebenbei" stellen, um herauszubekommen, wie du selbst deinen Marktwert siehst und verteidigst. Häufig ist das der Fall bei Stellen im Vertrieb und in der freien Wirtschaft. Im öffentlichen Dienst hat diese Frage eher selten eine Bedeutung, da hier die Vergütung relativ klar und transparent geregelt ist.     

Praxisnahe Tipps für die Gehaltsverhandlung

Wenn die Frage nach dem aktuellen Gehalt dann tatsächlich im Raum steht und du sie beantworten möchtest, hast du generell drei Optionen. Entweder du nennst deinem potenziellen Arbeitgeber ehrlich dein letztes Gehaltsniveau oder du flunkerst und packst ein bisschen was drauf. Das solltest du dir aber gut überlegen, da die Vernetzung und Transparenz, gerade wenn du in derselben Branche bleibst, durchaus besser sein kann, als von dir gedacht. Im Gespräch einer Lüge überführt zu werden, bringt dich dann in eine unnötige, defensive Position, aus der du nur schwerlich herauskommen wirst. Aber pokern ist natürlich mit allen Konsequenzen erlaubt. Auch die Angabe einer Gehaltsspanne ist eher weniger vorteilhaft, weil es dem potenziellen Arbeitgeber die Möglichkeit gibt, für deine Gehaltseinstufung das untere Ende deiner angegebenen Spanne heranzuziehen.

Als dritte Option solltest du dir im Vorfeld überlegen, welchen Mehrwert du für das Unternehmen haben wirst. Gehe dazu argumentativ auf Qualifikationen, Erfahrungen und Erfolge ein.

  • Hast du zum Beispiel Ideen oder Konzepte entwickelt und diese im oder mit einem Team, innerhalb gesetzter Fristen und trotz Widerständen erfolgreich umsetzen können?
  • Hast du als Führungskraft dein Team weiterentwickelt und kannst das mit belastbaren Fakten (Methoden, Maßnahmen, Ergebnissen) untermauern?
  • Verfügst du über ein funktionierendes Netzwerk, das für deinen neuen Arbeitgeber wertvoll sein kann?
  • Kannst du deinen neuen Arbeitgeber davon überzeugen, dass du dich bei deinem jetzigen Arbeitgeber gut entwickelt hast und nun den nächsten Schritt gehen möchtest? Hier ist dann wichtig zu argumentieren, warum du diese Schritte jetzt bei einem neuen Arbeitgeber und warum du diese nicht bei deiner jetzigen Stelle gehen möchtest. 

Mit all diesen Angaben verargumentierst du dein gewünschtes Zielgehalt, ohne dass du dich dazu konkret auf dein jetziges Gehalt beziehen müsstest. Wichtig dabei ist, dass deine Angaben immer belegbar sind. Hier können ggf. detaillierte Nachfragen ein schön erbautes Kartenhaus leicht zum Einsturz bringen. Viel hängt natürlich auch von deiner persönlichen Situation ab: Bewirbst du dich aus einer ungekündigten Stelle heraus oder befindest du dich derzeit in der Arbeitslosigkeit. Hast du bereits gekündigt oder wurde dir gekündigt und du bist entsprechend unter Zeitdruck. Liegt eine längere Krankheitsphase hinter dir und du bist auf der Suche nach einem Wiedereinstieg. Verfügst du über weitere Optionen und Angebote oder ist der potenzielle Arbeitgeber aktuell deine einzige Chance. Je nach Ausgangslage wird es entsprechend um dein Selbstbewusstsein und damit um die Stärke deines Auftritts bestellt sein. Letztlich ist bei Gehaltsverhandlungen aber der Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit und den damit verbundenen Mehrwert für das Unternehmen immer das beste Gehaltsargument.       

Fazit

Die Frage nach deinem aktuellen Gehalt ist nicht grundsätzlich unzulässig. Soweit sie von der Absicht her nicht gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstößt, kann sie von deinem potenziellen Arbeitgeber gestellt werden. Zum Beispiel, um deine Argumentations- und Verhandlungsstärke zu testen. Von daher solltest du auf die Frage gut vorbereitet sein, deinen Marktwert kennen und dir überzeugende Argumente zurechtgelegt haben. Grundsätzlich ist immer zu empfehlen, dich auch auf eventuell unzulässige Fragen, wie etwa nach Familienplanung, sexuellen Neigungen, Religionszugehörigkeit oder zur Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder Partei entsprechend vorzubereiten. So kannst du nicht überrascht werden. Es hängt in dem Moment von dir und deinem Selbstbewusstsein ab, wie du reagierst und mit der Situation umgehst. Da die nach dem AGG unzulässigen Fragen gemeinhin und damit auch deinem möglichen Arbeitgeber bekannt sein sollten, solltest du für dich überlegen, ob im Falle solcher gestellten Fragen, dies ein Arbeitgeber ist, bei dem du wirklich arbeiten möchtest.    

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