Ungerecht und wenig effektiv - so bewerten die Sozialverbände die Pläne zur Aktivrente, die schon ab Januar 2026 kommen soll. Nicht nur für die junge Generation habe das Folgen.
Mit der Aktivrente will Kanzler Friedrich Merz (CDU) das Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus wieder attraktiver machen. 2.000 Euro sollen sich Rentner daher ab Januar 2026 steuerfrei hinzuverdienen können. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, und die Präsidentin des Verbandes VdK, Verena Bentele, stehen den Plänen skeptisch gegenüber. Profitieren am Ende nur wenige?
Sozialverbände schlagen Alarm: "Mehrheit wird von Aktivrente nicht profitieren"
Welskop-Deffaa sagte dem Nachrichtenportal t-online: "Es ist nicht hilfreich, den Älteren zulasten der Jungen teure Steuergeschenke zu machen." Die Aktivrente führe "im Generationenverhältnis zu schwer erklärbaren Ungerechtigkeiten". Ältere könnten neben der vollen Rente 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen. "Wenn aber junge Eltern ihre Erwerbstätigkeit wieder aufstocken, sobald die Kinder in der Schule sind, kommt jeder Euro, den sie mehr verdienen, in die volle Steuer-Progression", beanstandete sie.
Als überfällig zur Stabilisierung der Rentenkassen bezeichnete Welskop-Deffaa die Einbeziehung von Selbstständigen in die Rentenversicherung. Gerade diese seien von Altersarmut bedroht. Viele Selbstständige unterschätzten diese Risiken. "Sie nutzen in den ersten Jahren der Selbstständigkeit jeden Euro für die Gründungsidee – und merken zu spät, dass sie damit große Lücken in ihrer Altersabsicherung aufreißen." Auch werde die Arbeitswelt immer hybrider. Menschen wechselten zwischen Anstellung und Selbstständigkeit oder kombinierten beides. Allerdings gingen dann auch nur für Teile des Einkommens Beiträge in die Rentenkasse.
Die Caritas-Chefin bezeichnete zugleich das Rentenniveau als eine "überschätzte Kennzahl". Sie sage wenig darüber aus, wie viel Rentnerinnen und Rentner tatsächlich im Geldbeutel haben. Die Koalition will die Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent – also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen – bis 2031 verlängern. Welskop-Deffaa regte stattdessen an, die Spielräume solidarischer Umverteilung in der gesetzlichen Rente intensiver zu nutzen. "Es darf nicht sein, dass Menschen 40 Jahre lang Beiträge zahlen und am Ende trotzdem keine existenzsichernde Rente erhalten. Damit zerstören wir das Vertrauen in das System." Deshalb sollte in der Rentenformel unterschieden werden zwischen denen, die jahrelang aus kleinen Einkommen Beiträge gezahlt haben, und denen mit hohen Einkommen.
Vdk-Präsidentin Verena Bentele: Mehrheit der älteren Menschen würde nicht profitieren
Auch die Präsidentin des Verbandes VdK, Verena Bentele, hat Zweifel bezüglich der Aktivrente. Sie gibt zu bedenken: "Die Mehrheit der älteren Menschen, die im Ruhestand weiterarbeiten, wird von der Aktivrente nicht profitieren. Sie sind entweder selbstständig tätig oder machen dies als Minijob. Minijobber arbeiten jetzt schon weitgehend steuerfrei."
Die Aktivrente sei verlockend für gesunde Menschen in wenig belastenden Berufen, die über die Regelaltersgrenze hinaus weiterarbeiten möchten. "Als Einzelmaßnahme wird sie statt zusätzlichen Arbeitsplätzen vor allem Mitnahmeeffekte und massive Steuerausfälle hervorrufen und dem Fachkräftemangel nur in geringem Maße entgegenwirken", stellte Bentele klar.
Die VdK-Chefin hat noch eine weitere Sorge. Die Bundesregierung wird ihrer Meinung nach aus Gründen der verwaltungstechnischen Vereinfachung darauf verzichten, Alterseinkommen zu kontrollieren. So könnten auch Pensionäre oder ehemalige Selbstständige, die keine gesetzliche Rente beziehen, im Alter 2.000 Euro steuerfrei zu ihren Einkünften hinzuverdienen. "Das schafft einen weiteren Flickenteppich und öffnet Tür und Tor für Klagen: Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz und das daraus abgeleitete Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit werden mit der Aktivrente offensichtlich verletzt", argumentiert Bentele.