Wie Schichtarbeit krank macht: Diese schweren Krankheiten können gefördert werden

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Fast sechs Millionen Menschen arbeiten in Schichten.
Pflege, Krankenhaus, Schichtdienst
Julien/AdobeStock

Schichtarbeit ist nicht gut für die Gesundheit. Vor allem viele Nachtschichten führen zu Erkrankungen. Gegenüber der Tagesarbeit sind es Erschöpfungen und Schlafstörungen, die den Menschen zu schaffen machen.

Schichtarbeit zu verbieten, weil sie krank macht, ist keine Lösung. Oftmals ist sie zwingend notwendig, wie beispielsweise im Krankenhaus oder bei der Feuerwehr. Niemand käme auf die Idee, hier nur "Nine to Five" zu arbeiten. Manchmal geht es aber nicht darum, Menschenleben zu retten. Es sind profanere Dinge, warum Maschinen nachts laufen. Es geht darum, die Rendite der Betriebe zu erhöhen oder die Maschinen schneller zu amortisieren. Egal, wie es auch sei: Solange diese Arbeiten notwendig sind und Arbeitnehmer bereit sind, die belastenden Arbeitsplätze zu akzeptieren, dann gilt es wenigstens, die Arbeitsbedingungen erträglicher zu gestalten. Aber wie kann das konkret aussehen?

Schichtarbeit als ergonomischer Gestaltungsauftrag

Arbeiten, wenn andere schlafen, das ist nicht ohne. Die Auswirkungen von Schichtarbeit sind hinreichend untersucht. Wer regelmäßig abends, nachts oder am Wochenende arbeitet, bringt seine biologische Uhr durcheinander. Und: Nachts oder am späten Abend fällt die Arbeit besonders schwer. Schichtarbeit ist nicht gesund. Der Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund liefert dafür bereits 2012 die Zahlen: allgemeine Müdigkeit, Erschöpfung nimmt zu, es kommt zu Schlafstörungen. Gesundheitliche Störungen treten häufiger auf als bei der Normalarbeit am Tag.

In vielen Unternehmen ist Schichtarbeit unverzichtbar. Etwa 6,8  Millionen Menschen arbeiteten 2021 in Deutschland in Schichten, davon rund 3,2 Millionen Menschen in regelmäßiger Nachtarbeit. Schichtarbeit kommt in vielen Bereichen vor, etwa im Krankenhaus, bei Polizei und Feuerwehr, im Justizvollzug oder Verkehr. Genauso gibt es Industriesektoren mit ausgeprägter Schichtarbeit: der Betrieb von Kraftwerken, in der Stahlindustrie, Chemieanlagen, in Rechenzentren, der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, bei Fertigungsstraßen, im Flugverkehr und im Customer Service (Hotlines). Schichtarbeit komplett abzuschaffen, funktioniert also nicht. Einzudämmen und nicht weiter auszubauen, wäre sie allerdings schon.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Gefährdungen für die Gesundheit zu minimieren oder abzubauen: Firmen, Arbeitsschützer, Betriebsräte und Gewerkschaften müssen anpacken und Schichtarbeit gesünder machen. "Dort, wo Nacht- und Schichtarbeit unumgänglich ist, muss sie mit vereinten Kräften ergonomisch gestaltet werden: durch betriebliche Initiativen, über tarifvertragliche Regelungen sowie durch politische Leitplanken", fordert Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandmitglied der IG Metall und zuständig für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Begünstigt kontinuierliche Nachtarbeit Krebs?

Eigentlich geht es also darum, wie es in den Betrieben gelingt, gesünder in Schichten zu arbeiten. Aber es geht nicht nur um Müdigkeit, Erschöpfung und Schlafstörungen. Vor einiger Zeit macht die Aussage, dass kontinuierliche Nachtarbeit wahrscheinlich Krebs auslöst, Schlagzeilen. So schrieb das Nachrichtenmagazin Der Spiegel: Nachtarbeit könnte Krebs fördern.

Zu diesem Urteil kam ein Gremium aus 27 Wissenschaftlern, die den Zusammenhang von regelmäßiger Nachtarbeit und Krebs für die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) untersucht hat. Das Forschungsteam hat alle relevanten Studien analysiert und kommt zum Fazit, dass Nachtschichten ein möglicher Grund für bösartige Tumore in Brust, Prostata und Darm sind. Diese Einschätzung hat das IARC bereits zum zweiten Mal in Folge bestätigt. Anlass für die Neu-Bewertung war die hohe Zahl aktueller Studien zum Thema.

"Es gibt eine relativ deutliche Assoziation zwischen Nachtarbeit und malignen Tumoren der Brust, der Prostata und des Darms. Diese Organe stehen unter hormonellen Einflüssen, die durch Nachtschicht beeinflusst werden können", sagt Prof. Hajo Zeeb, vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen, im Interview mit der Zeitschrift Gute Arbeit. Zeeb war als einziger deutscher Wissenschaftler Mitglied der Arbeitsgruppe bei der IARC.

Gestaltungsempfehlungen für Schichtarbeit

Ansatzpunkt für die Gestaltung von Schichtarbeit sind die "Gestaltungsgrundsätze der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit", die bei der Organisation von Schicht- und Nachtarbeit zu berücksichtigen sind. So schreibt es der Gesetzgeber ausdrücklich im Arbeitszeitgesetz (§ 6, Abs. 1 ArbZG) vor.

Bei den Grundsätzen geht es darum, dass die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten gering zu halten sind. Es sollen nicht mehr als drei aufeinanderfolgende Schichten sein. Nach der Nachtschichtphase sind 24 Stunden arbeitsfreie Zeit einzuplanen. Die Wochenendfreizeit sollte geblockt sein, weil sie besser sind als einzelne freie Tage am Wochenende.

Außerdem ist ein frühes Ende der Nachtschicht (5:00 bis 6:00 Uhr) wichtig. Mehrbelastungen durch Freizeit und nicht durch Geld ausgleichen. Ungünstige Schichtfolgen sollte der Betrieb vermeiden: deshalb ist es sinnvoll, dass Schichtpläne vorwärts rotieren (Früh-/Spät-/Nachtschicht). Und bei ungleichen Schichtlängen ist die Nachtschicht kürzer anzusetzen.

Zuschlag und Anreize bei der Steuer machen Schichtarbeit attraktiv

Bei der Umsetzung der Gestaltungsgrundsätze in den Betrieben gibt es noch viel zu tun, wie Thomas Langhoff und Rolf Satzer in ihrer Studie zur "Gestaltung von Schichtarbeit in der Produktion" feststellten. "Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und Regeln zur Schichtplangestaltung werden – trotz gesetzlicher Umsetzungspflicht – nur unzureichend praktiziert." Die Autoren sprechen von einer "desaströsen Umsetzung". 

Insbesondere weil es finanzielle Anreize für Schichtarbeit gibt, ist es nicht sonderlich schwierig, ausreichend Personal zu finden, trotz gesundheitlicher Risiken. Die Schichtzulage beträgt zwischen 25 und 30 % vom Bruttostundenlohn (BAG 2015, Az. 10 AZR 423/14). Möglich ist ebenso ein Freizeitausgleich für Schichten. 

Interessant ist ebenfalls die Besteuerung von Schichtenzulagen. Bei Arbeitsstunden zwischen 20 und 6 Uhr ist der Zuschlag von bis zu 25 % steuerfrei, wenn die Arbeit noch vor Mitternacht beginnt. Bei Nachtschichten von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich die Grenze auf 40 %. Die Nachtschichtzulagen sind steuer- und sozialversicherungsfrei, wenn der Stundenlohn höchstens 25 Euro beträgt. Liegt der Stundenlohn zwischen 25 Euro und 50 Euro, gibt es die komplette Lohnsteuerfreiheit. Dafür sind aber Versicherungsabgaben für den Anteil des Lohnes fällig, der über 25 Euro liegt. Liegt ein Stundenlohn über 50 Euro, ist der Lohnanteil, der über 50 Euro liegt, zu versteuern.

Dürfen Azubis in Schichten arbeiten?

Generell dürfen Jugendliche unter 16 Jahren nur in der Zeit von 6.00 bis 20.00 Uhr arbeiten und lernen (§ 14 Abs. 1, JArbSchG). Mehrschichtbetriebe können Jugendliche über 16 Jahre auch bis 23 Uhr beschäftigen. Jugendliche über 16 Jahre können im Gaststätten- und Schaustellergewerbe bis 22 Uhr, in der Landwirtschaft ab 5 Uhr oder bis 21 Uhr und in Bäckereien und Konditoreien ab 5 Uhr beschäftigt sein. Jugendliche über 17 Jahre dürfen in Bäckereien ab 4 Uhr arbeiten.

Beginnt am nächsten Tag die Berufsschule vor 9 Uhr, endet die Arbeitszeit spätestens um 20 Uhr. Für volljährige Azubis gibt es keine Einschränkungen. Sie dürfen auch nachts arbeiten.

Besonders beliebt ist Schichtarbeit bei jungen Leuten jedenfalls nicht. Bei der Befragung der Azubi-Recruiting Trends 2019 sagen 70 % der befragten Schülerinnen und Schüler, dass für sie "keine Schichtarbeit" ein ganz wichtiges Auswahlkriterium für Beruf und Betrieb ist.

Ernährung während der Nachtschicht

Die zentrale Botschaft für die Nachtverpflegung lautet: warm, fettarm und leicht verdaulich. Der Arbeitgeber sollte eine angemessene Verpflegung bzw. Catering vorhalten. Schokoriegel und salziges Knabbergebäck mal so auf die Schnelle, sind nicht zu empfehlen.

Gegen Mitternacht sollte man eine warme, fettarme, leicht verdauliche Mahlzeit zu sich nehmen. Besonders während der Nachtschicht ist es wichtig, ausreichend zu trinken, um konzentriert der Arbeit nachgehen zu können. Nach Mitternacht sollte man keinen Kaffee oder schwarzen Tee trinken. Zu empfehlen sind außerdem Warmgetränke statt Kaltgetränke. Als Zwischenmahlzeiten bieten sich fettarme Milchprodukte, Obst, Kompott, Vollkornbrot oder heiße Brühe an. Nach Ende der Nachtschicht ist zu einem leichten Frühstück zu raten.

"Wenn es keine Betriebskantine gibt, fördern ansprechend gestaltete Pausenräume mit Kühlschrank und Mikrowelle eine gesunde und ausgewogene Ernährung", empfiehlt Susanne Leitzen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.