"Es gibt eine relativ deutliche Assoziation zwischen Nachtarbeit und malignen Tumoren der Brust, der Prostata und des Darms. Diese Organe stehen unter hormonellen Einflüssen, die durch Nachtschicht beeinflusst werden können", sagt Prof. Hajo Zeeb, vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen, im Interview mit der Zeitschrift Gute Arbeit. Zeeb war als einziger deutscher Wissenschaftler Mitglied der Arbeitsgruppe bei der IARC.
Gestaltungsempfehlungen für Schichtarbeit
Ansatzpunkt für die Gestaltung von Schichtarbeit sind die "Gestaltungsgrundsätze der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit", die bei der Organisation von Schicht- und Nachtarbeit zu berücksichtigen sind. So schreibt es der Gesetzgeber ausdrücklich im Arbeitszeitgesetz (§ 6, Abs. 1 ArbZG) vor.
Bei den Grundsätzen geht es darum, dass die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten gering zu halten sind. Es sollen nicht mehr als drei aufeinanderfolgende Schichten sein. Nach der Nachtschichtphase sind 24 Stunden arbeitsfreie Zeit einzuplanen. Die Wochenendfreizeit sollte geblockt sein, weil sie besser sind als einzelne freie Tage am Wochenende.
Außerdem ist ein frühes Ende der Nachtschicht (5:00 bis 6:00 Uhr) wichtig. Mehrbelastungen durch Freizeit und nicht durch Geld ausgleichen. Ungünstige Schichtfolgen sollte der Betrieb vermeiden: deshalb ist es sinnvoll, dass Schichtpläne vorwärts rotieren (Früh-/Spät-/Nachtschicht). Und bei ungleichen Schichtlängen ist die Nachtschicht kürzer anzusetzen.
Zuschlag und Anreize bei der Steuer machen Schichtarbeit attraktiv
Bei der Umsetzung der Gestaltungsgrundsätze in den Betrieben gibt es noch viel zu tun, wie Thomas Langhoff und Rolf Satzer in ihrer Studie zur "Gestaltung von Schichtarbeit in der Produktion" feststellten. "Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und Regeln zur Schichtplangestaltung werden – trotz gesetzlicher Umsetzungspflicht – nur unzureichend praktiziert." Die Autoren sprechen von einer "desaströsen Umsetzung".
Insbesondere weil es finanzielle Anreize für Schichtarbeit gibt, ist es nicht sonderlich schwierig, ausreichend Personal zu finden, trotz gesundheitlicher Risiken. Die Schichtzulage beträgt zwischen 25 und 30 % vom Bruttostundenlohn (BAG 2015, Az. 10 AZR 423/14). Möglich ist ebenso ein Freizeitausgleich für Schichten.
Interessant ist ebenfalls die Besteuerung von Schichtenzulagen. Bei Arbeitsstunden zwischen 20 und 6 Uhr ist der Zuschlag von bis zu 25 % steuerfrei, wenn die Arbeit noch vor Mitternacht beginnt. Bei Nachtschichten von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich die Grenze auf 40 %. Die Nachtschichtzulagen sind steuer- und sozialversicherungsfrei, wenn der Stundenlohn höchstens 25 Euro beträgt. Liegt der Stundenlohn zwischen 25 Euro und 50 Euro, gibt es die komplette Lohnsteuerfreiheit. Dafür sind aber Versicherungsabgaben für den Anteil des Lohnes fällig, der über 25 Euro liegt. Liegt ein Stundenlohn über 50 Euro, ist der Lohnanteil, der über 50 Euro liegt, zu versteuern.
Dürfen Azubis in Schichten arbeiten?
Generell dürfen Jugendliche unter 16 Jahren nur in der Zeit von 6.00 bis 20.00 Uhr arbeiten und lernen (§ 14 Abs. 1, JArbSchG). Mehrschichtbetriebe können Jugendliche über 16 Jahre auch bis 23 Uhr beschäftigen. Jugendliche über 16 Jahre können im Gaststätten- und Schaustellergewerbe bis 22 Uhr, in der Landwirtschaft ab 5 Uhr oder bis 21 Uhr und in Bäckereien und Konditoreien ab 5 Uhr beschäftigt sein. Jugendliche über 17 Jahre dürfen in Bäckereien ab 4 Uhr arbeiten.
Beginnt am nächsten Tag die Berufsschule vor 9 Uhr, endet die Arbeitszeit spätestens um 20 Uhr. Für volljährige Azubis gibt es keine Einschränkungen. Sie dürfen auch nachts arbeiten.
Besonders beliebt ist Schichtarbeit bei jungen Leuten jedenfalls nicht. Bei der Befragung der Azubi-Recruiting Trends 2019 sagen 70 % der befragten Schülerinnen und Schüler, dass für sie "keine Schichtarbeit" ein ganz wichtiges Auswahlkriterium für Beruf und Betrieb ist.
Ernährung während der Nachtschicht
Die zentrale Botschaft für die Nachtverpflegung lautet: warm, fettarm und leicht verdaulich. Der Arbeitgeber sollte eine angemessene Verpflegung bzw. Catering vorhalten. Schokoriegel und salziges Knabbergebäck mal so auf die Schnelle, sind nicht zu empfehlen.
Gegen Mitternacht sollte man eine warme, fettarme, leicht verdauliche Mahlzeit zu sich nehmen. Besonders während der Nachtschicht ist es wichtig, ausreichend zu trinken, um konzentriert der Arbeit nachgehen zu können. Nach Mitternacht sollte man keinen Kaffee oder schwarzen Tee trinken. Zu empfehlen sind außerdem Warmgetränke statt Kaltgetränke. Als Zwischenmahlzeiten bieten sich fettarme Milchprodukte, Obst, Kompott, Vollkornbrot oder heiße Brühe an. Nach Ende der Nachtschicht ist zu einem leichten Frühstück zu raten.
"Wenn es keine Betriebskantine gibt, fördern ansprechend gestaltete Pausenräume mit Kühlschrank und Mikrowelle eine gesunde und ausgewogene Ernährung", empfiehlt Susanne Leitzen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.