Als "wahre Schatztruhe" für viele tödliche Infektionen gelten Tiergifte - bisher sind diese aber nur wenig erforscht. Deutsche Wissenschaftler schafften es jetzt, das Gift des Bücherskorpions zu analysieren. Seine Wirkung könnte für die Medizin bald an Wert gewinnen.
Ein Pseudoskorpion könnte bald zum Lebensretter werden: Vor kurzem gelang es deutschen Forschern des Loewe-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), das Gift des Bücherskorpions (Chelifer cancroides) genauer zu untersuchen. Sie fanden "Moleküle mit starker Wirkung gegen sogenannte Krankenhauskeime". Dies könnte an riesiger medizinischer Bedeutung im Kampf gegen schwere Infektionskrankheiten gewinnen.
Laut dem Robert-Koch-Institut erkranken jedes Jahr in Deutschland etwa 400.000 bis 600.000 Patienten an nosokomialen Infektionen - rund 10.000 bis 20.000 sterben daran. Als nosokomiale Infektionen werden Infekte verstanden, die während eines ambulanten oder stationären Aufenthalts im Krankenhaus auftreten und in der Regel schwer behandelbar sind. "Laut Prognosen könnten antibiotikaresistente Infektionen in den nächsten Jahrzehnten zur global häufigsten krankheitsbedingten Todesursache avancieren", so Dr. Michael Marner, Postdoktorand am Fraunhofer IME-BR und Co-Autor der wissenschaftlichen Arbeit.
Effektiv gegen Krankenhauskeime: Gift des Bücherskorpions bald in Medizin eingesetzt?
In einem Labor wurden alle bekannten Arten der Giftstofffamilie des Bücherskorpions künstlich hergestellt und ihre Aktivität näher beobachtet. Laut der Pressemitteilung stellten die hessischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine unerwartet stark ausgeprägte Wirksamkeit gegen den bekannten Krankenhauskeim Staphylococcus aureus (MRSA) fest.
Als häufig auftretende Bakterien lassen sich Staphylokokken insbesondere auf der Haut und den Schleimhäuten nieder. Die MRSA-Varianten sind besonders tückisch, da "sie gegen das Antibiotikum Methicillin resistent sind und dadurch schwer behandelbare Infektionen beim Menschen verursachen".
Doch bis das Gift in der Medizin eingesetzt werden kann, ist es noch ein weiter Weg: Der Giftcocktail "Checacine" scheint auch gegenüber menschlichen Zellen schädlich zu sein und könnte für Entzündungsreaktionen sorgen. Daher müssen die Forscher die Struktur sowie Wirkung durch weitere biotechnologische Verfahren optimieren. Das Potenzial sei aber schon deutlich zu erkennen: "Tiergifte sind eine wahre Schatztruhe voller möglicher Wirkstoffkandidaten", bekräftigt Studienleiter Dr. Tim Lüddecke, Leiter der Nachwuchsgruppe Animal Venomics am Fraunhofer IME-BR und der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie Mitglied des LOEWE-Zentrums TBG.
Gehört zur Gruppe der Spinne
Das ein bis sieben Millimeter kleine Tierchen gehört in Mitteleuropa zu den bekanntesten Pseudoskorpionen, die ein Teil der Familie der Spinnentiere sind.
Doch sind die circa 3000 verschiedenen Arten so wie ihr Gift bisher wenig erforscht worden. Grund dafür ist ihre Größe, die eine Analyse erschwert.