Panik vor dem Bohrer und faule Zähne: Wenn Zahnarzt-Angst zur echten Krankheit wird
Autor: Agentur dpa
Berlin, Sonntag, 30. Juni 2019
Niemand geht gerne zum Zahnarzt. Doch es gibt auch eine richtige Phobie vor einer zahnärztlichen Behandlung. Betroffene sollten sich therapieren lassen, bevor die ersten Zähne faulen.
Niemand geht gerne zum Zahnarzt. Und manchen wird unwohl beim Gedanken an den Bohrer oder die Betäubungsspritze. Doch eine echte Behandlungsphobie geht weit darüber hinaus. "Bei einer Zahnbehandlungsphobie erscheinen Betroffene erst gar nicht in der Praxis und das oft über viele Jahre hinweg", sagt Prof. Peter Jöhren. Der Fachzahnarzt für Oralchirurgie ist Leiter der Zahnklinik Bochum. Vor kurzem geriet eine Zahnarztpraxis in Bayern in die Schlagzeilen, weil die Zahnärztin ihre Praxis "Fotznspanglerei" genannt hat.
Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) leiden fünf bis zehn Prozent der Menschen in Deutschland unter einer Zahnbehandlungsphobie. Dabei handelt es sich um eine psychosomatische Angsterkrankung. Betroffene geraten regelrecht in Panik, wenn sie auch nur an den Besuch beim Zahnarzt denken. "Das kann sich beispielsweise in Form von Schweißausbrüchen, Herzrasen, Schwindel und Kreislaufproblemen äußern", erklärt Thomas Wolf. Er ist Oberarzt an der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Universität Bern.
Zittern, erhöhter Blutdruck und Puls
Betroffene zittern mitunter auch am ganzen Körper, haben eine erhöhte Herzfrequenz, der Blutdruck kann in die Höhe schnellen. So unterschiedliche die Symptome, so verschieden sind die möglichen Ursachen. "Oft ist es der erlebte Schmerz vor, während und nach einer Zahnbehandlung, der bei Patienten zur Vermeidung führt", erklärt Jöhren. In einer Studie gaben 86 Prozent der Betroffenen an, dass sie traumatisierende Erfahrungen im Behandlungsstuhl erlebt hätten - zu 70 Prozent in der Kindheit.
"Wenn schon die Behandlungen in der Kindheit schlecht waren, werden es künftige Zahnärzte schwer haben, das Vertrauen wiederzugewinnen", sagt Jöhren. Auch das soziale Umfeld spielt eine Rolle. Haben Angehörige oder Freunde Angst vor der Zahnbehandlung, kann sich dieses Gefühl auf einen selbst übertragen.
Lebensbedrohliche Entzündungen
Was also tun? Einfach nicht hingehen ist schließlich keine Option: Entzündete Zähne, die über einen längeren Zeitraum unbehandelt bleiben, können fatale Folgen haben - vom Schmerz mal ganz abgesehen. "Möglich sind ernsthafte akute und chronische Erkrankungen", sagt BZÄK-Vizepräsident Prof. Dietmar Oesterreich. So können Bakterien über den befallenen Zahn hinaus bis tief in die Kieferknochen eindringen. Über den Blutkreislauf kann es so zu einer manchmal lebensbedrohlichen Entzündung im Körper kommen.
Ferner erhöhen chronische Zahnbettentzündungen laut Oesterreich das Risiko für Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall. Zerstörte Zähne wirken zudem ungepflegt und mindern häufig das Selbstbewusstsein. Weil mit entzündeten Zähnen häufig auch mehr oder weniger starker Mundgeruch einhergeht, sind soziale Kontakte oft eingeschränkt.
Behandlung der Phobie wichtig
Ohne Behandlung der Phobie geht es also nicht. "Das ist aber nicht Aufgabe von Zahnärzten, sondern von ausgebildeten Psychotherapeuten", sagt Wolf. Bei akuten Schmerzen, die eine zahnärztliche Therapie unaufschiebbar machen, kann der Angstpatient gegebenenfalls unter Sedierung oder unter Vollnarkose gesetzt werden.