Wochenbettdepressionen: Wie eine Tablette aus den USA helfen soll

5 Min
Ein neues Medikament in Form einer Tablette wurde nun in den USA gegen Wochenbettdepressionen zugelassen.
Ein neues Medikament in Form einer Tablette wurde nun in den USA gegen Wochenbettdepressionen zugelassen.
CC0 / Pixabay / blankita_ua

Die Geburt eines Babys markiert bei den Eltern einen neuen Lebensabschnitt. Nach der Geburt kann sich allerdings eine sogenannte Wochenbettdepression entwickeln. Eine Tablette aus den USA soll helfen.

Die Geburt eines Babys wird oft von zahlreichen Emotionen begleitet. Von Freude über das Kind bis hin zu Erschöpfung, Traurigkeit oder sogar Überforderung: Eltern können alle möglichen Emotionen empfinden. Halten Traurigkeit und Ängste allerdings länger an, könnte es sich um eine Wochenbettdepression handeln. Wir stellen dir Anzeichen sowie Tipps zur Behandlung vor.

Nach der Geburt: Intensive Gefühle und Emotionen

Für frisch gebackene Eltern bringt das Baby neue Herausforderungen mit sich. Einerseits können hier Gefühle der Freude aufkommen, sich um das Neugeborene zu kümmern und es zu umsorgen. Auf der Gegenseite sind allerdings ebenso Gefühle wie Überforderung völlig normal. Ein Baby zu haben bedeutet, dass sich dein Alltag als Elternteil verändern wird. Sich auf den neuen Lebensabschnitt einzustellen, braucht in der Regel seine Zeit. Dazu können Schlafmangel, die körperliche Umstellung nach der Schwangerschaft sowie weitere Belastungen, beispielsweise finanzielle Sorgen, kommen. Aufgrund dieser Aspekte sind Stimmungsschwankungen und eine erhöhte Reizbarkeit in den ersten Wochen nach der Geburt vollkommen normal.

Die Stimmungsschwankungen kurz nach der Geburt werden auch "Babyblues" genannt. Ist der Alltag wieder eingespielt, pendelt sich das Gefühl der Niedergeschlagenheit in der Regel wieder ein. Der Babyblues hält also meist nur wenige Tage an und ist vorübergehend. Bleibt die Stimmung jedoch gedrückt, kann sie sich zu einer anhaltenden Depression entwickeln. Eine Depression, die nach der Geburt eines Kindes entsteht, wird als Wochenbettdepression bezeichnet. Die medizinische Bezeichnung lautet postpartale Depression. Wochenbettdepressionen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass die negativen Gefühle deutlich intensiver als beim Babyblues sind. Weitere typische Anzeichen sind:

  • anhaltendes Stimmungstief (tiefe Traurigkeit, häufiges Weinen)
  • Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die normalerweise Freude bereiten
  • Ängstlichkeit
  • Schlafstörungen
  • Appetitlosigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Selbstzweifel
  • Grübeln
  • Gedanken an Selbstverletzung oder daran, dem Baby zu schaden

Erst dann, wenn die Beschwerden für mindestens zwei Wochen anhalten, spricht man von einer Depression. Bis zu 15 von 100 Frauen bekommen in den ersten drei Monaten nach der Geburt eine Depression. Wie stark diese ausgeprägt ist, unterscheidet sich von Person zu Person. Dein Erkrankungsrisiko erhöht sich, wenn du bereits einmal Angststörungen oder Depressionen hattest, viel Stress oder belastende Ereignisse während oder nach der Schwangerschaft hattest oder in einer unglücklichen Beziehung lebst. Die Wochenbettdepression hält je nach Schwere in der Regel 4 bis 6 Monate an. Vor allem dann, wenn die Wochenbettdepression nicht behandelt wird, kann sie länger andauern. So können einige der Beschwerden auch noch nach einem Jahr anhalten. Ein grundlegender Unterschied zu Depressionen in anderen Phasen des Lebens ist jener, dass Mütter oft starke Schuldgefühle gegenüber ihrem Baby empfinden. Sie haben Angst, sich nicht gut genug um ihr Baby zu kümmern und nicht dem Ideal einer "guten Mutter" zu entsprechen.

Medikament gegen Wochenbettdepressionen in den USA

Bei schweren Depressionen wird teilweise auf Antidepressiva gesetzt. Diese können auch Depressionen nach einer Geburt lindern. Allerdings ist es ratsam, sich als Betroffener vorher Hilfe bei Freunden, Angehörigen oder im Zuge einer Psychotherapie suchen. Erst dann, wenn dies keine Verbesserung mit sich bringt, können in Einzelfällen von medizinischem Fachpersonal Antidepressiva verschrieben werden. Welches genau der Arzt oder die Ärztin verschreibt, hängt immer von den individuellen Beschwerden ab.

In den USA wurde von der Food and Drug Administration (FDA) nun die erste Tablette speziell gegen Wochenbettdepressionen zugelassen: Zuranolon. Das Medikament mit dem Wirkstoff Zuranolon zielt darauf ab, depressive Symptome nach der Geburt zu lindern. Erprobt wurde das Medikament in einer klinischen Studie, die am 26. Juli 2023 im "The American Journal of Psychiatry" veröffentlicht wurde. Rund 200 Frauen mit einer Wochenbettdepression nahmen an der Studie teil. Gezeigt werden konnte, dass sich depressive Symptome verbessern, wenn das Medikament zwei Wochen lang einmal täglich eingenommen wird. Die eine Hälfte der Frauen bekamen eine Placebo-Pille, die andere eine mit Zuranolon. Diejenigen, die das Medikament bekamen, konnten ihre Beschwerden auf der sogenannten Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) um rund ein Drittel stärker verbessern als die, die das Placebo erhielten. Bei der HDRS handelt es sich um eine Skala, die eine Einschätzung der Schwere der Depression zulässt. Im Gegensatz zu klassischen Antidepressiva - bei denen die Symptome sich mitunter erst nach wenigen Monaten bessern - sollen die Tabletten deutlich schneller helfen. Die genannte Verbesserung der Beschwerden trat bei der Studie bereits nach 15 Tagen ein und hielt auch 45 Tage nach Behandlungsbeginn an.

Zuranolon funktioniert so, dass es in unserem Körper ein Stoffwechselprodukt des Hormons Progesteron imitieren: das Allopregnanolon. Progesteron wird im weiblichen Körper während der Schwangerschaft durchgehend in erhöhten Mengen gebildet. Im Gehirn bindet sich das Stoffwechselprodukt Allopregnanolon an die Rezeptoren für den Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Dieser ist an der Stress- und Stimmungsregulierung beteiligt. Menschen mit Depressionen haben laut derzeitigem Forschungsstand vermutlich einen niedrigen Allopregnanolon-Spiegel. Der plötzliche Abfall des Progesteron-Spiegels nach einer Schwangerschaft zieht einen Abfall des Allopregnanolon-Spiegels mit sich. Dies könnte laut den Forscher*innen der Auslöser für die Wochenbettdepression sein. Bisher sind die Langzeitwirkungen der Tablette allerdings unbekannt. Ob der Effekt von Zuranolon länger als die 45 Tage anhält und ob eine zweite Behandlung notwendig ist, ist bisher unklar. Hierfür sind weitere Studien nötig. In Deutschland ist eine Zulassung des Medikaments bisher nicht absehbar; unter anderem auch deshalb, weil zahlreiche Aspekte noch nicht in den Studien beobachtet wurden. Dazu gehören beispielsweise Nebenwirkungen.

Hilfe bei Wochenbettdepressionen

An sich sind Wochenbettdepressionen nicht gefährlich. Allerdings sind sie für dich als Mutter stark belastend. Zudem kann es dir durch deine Stimmungslage schwerfallen, dich um dein Kind zu kümmern. Dies kann deine Beziehung zu deinem Baby beeinträchtigen. Bei sehr starken Depressionen, die über eine längere Zeit anhalten, besteht zudem die Gefahr, dass Suizidgedanken aufkommen. Medizinische und psychotherapeutische Hilfe sollte am besten schon früher, allerdings spätestens an diesem Punkt dringend in Anspruch genommen werden. Grundsätzlich solltest du eine längere, intensive Traurigkeit nach der Geburt immer ernst nehmen. Beobachte deine Stimmungslage und hole dir Hilfe, wenn du bemerkst, dass deine gedrückte Stimmung anhält. Wählst du den Weg ohne eine Behandlung, läufst du Gefahr, dass die Wochenbettdepression oder zumindest einige Symptome länger als ein Jahr anhalten. Ärzte, Hebammen, Partner*innen oder Freund*innen, die bemerken, dass eine Person möglicherweise in eine Wochenbettdepression gerutscht ist, sollten Unterstützung anbieten. Depressive Personen sind möglicherweise nicht in der Lage, sich selbst Hilfe zu suchen. In dem Fall sollten sie Menschen aus dem Umfeld unbedingt dabei unterstützen, eine Behandlung zu finden.

Ob Babyblues oder leichte Depressionen: Oft hilft es schon, etwas praktische Hilfe im Alltag sowie emotionale Unterstützung zu erhalten. Als Angehörige*r solltest du versuchen, die Person zu ermutigen und Verständnis zu zeigen. Darüber hinaus kann es helfen, mit Freund*innen oder Bekannten über die eigenen Gefühle zu reden. Es gibt zudem die Möglichkeit, in eine Selbsthilfegruppe in der Nähe zu gehen. Sport und Bewegung können zusätzlich helfen, um depressive Beschwerden zu lindern. Mittlere und starke Depressionen benötigen allerdings unbedingt medizinische oder psychologische Hilfe. Psychotherapeut*innen können dich dabei unterstützen, dein Selbstwertgefühl wieder zu stärken und deine Beziehung zu deinem Kind zu fördern. Mögliche Verfahren, die eingesetzt werden, sind:

  • Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Gemeinsam mit einem Psychotherapeuten bzw. einer Psychotherapeutin arbeitest du hier an deinen Gedanken, Überzeugungen und Verhaltensweisen.
  • Die interpersonelle Psychotherapie: Hier wird der Schwerpunkt auf die aktuellen Lebensumstände und Beziehungen gelegt. Diese Therapie zielt darauf ab, eine individuelle Strategie zu entwickeln, mithilfe derer du im Alltag besser Schwierigkeiten bewältigen kannst.
  • Eine Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie (ESKP): Diese hat das Ziel, die Eltern-Kind-Beziehung zu verbessern und die kindliche Entwicklung zu fördern. Ob sich depressive Symptome hierbei lindern lassen, ist in der Forschung noch nicht eindeutig geklärt.

Hilfe und Schwangerschafts- sowie Familienberatungsstellen kannst du außerdem hier finden:

  • Eine Suche nach Beratungsstellen in deiner Nähe gibt es auf der Webseite familienplanung.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
  • Informationen zum Alltag mit Kind sowie negativen Gefühlen nach der Geburt kannst du auf der Internetseite elternsein.de finden
  • Auf seiner Internetseite informiert der Verein "Schatten & Licht e.V." über psychische Erkrankungen rund um die Geburt. Hier kannst du außerdem Hilfsangebote finden.

Fazit: Wochenbettdepressionen sind gut behandelbar

Etwa 15 Prozent der frischgebackenen Mütter entwickeln aus dem vorübergehenden Stimmungstief nach der Geburt eine sogenannte Wochenbettdepression. Dabei handelt es sich um eine langanhaltende und behandlungsbedürftige depressive Erkrankung. Welche Behandlung genau die richtige ist, muss im Individualfall entschieden werden.

In Deutschland wird dabei vor allem auf eine psychotherapeutische Behandlung gesetzt. In den USA hingegen wurde nun ein Medikament mit dem Wirkstoff Zuranolon zugelassen, das speziell gegen Wochenbettdepressionen helfen soll. Ob eine solche Tablette zukünftig auch in Deutschland zugelassen wird, hängt von der weiteren Forschungslage ab und bleibt zu beobachten.

Mehr zum Thema: