Wie sich die Vater-Rolle verändert - und welche Ansprüche Väter an sich selbst haben

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Immer mehr Väter wollen ihre Kinder aufwachsen sehen.
Immer mehr Väter wollen ihre Kinder aufwachsen sehen.
CC0 / Pixabay / PublicDomainPictures

Väter sind heute anders als früher. Es ist ihnen wichtig, Zeit mit der Familie und den Kindern zu verbringen. Bei der gerechten Verteilung der Hausarbeit hapert es aber immer noch.

  • Väter müssen sich verändern, aber keine Superhelden sein
  • Betrieb verlassen, weil Beruf und Familie nicht in Einklang stehen
  • Erfahrungen mit der Elternzeit und Kinderkrankengeld

Ist der Papa immer noch Elternteil zweiter Klasse? Dieses Rollenbild stimmen nicht mehr so ganz. "Ich will meine Kinder aufwachsen sehen", das ist ein starkes Argument für viele Väter, die mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen. Neue Studien zeigen, wohin die Reise in Sachen Väter geht.

Väter müssen sich verändern, aber keine Superhelden sein

Als Sigmar Gabriel, damals Vizekanzler und Wirtschaftsminister, in Berlin verkündete, mittwochs seine kleine Tochter Marie von der Kita in Goslar abzuholen, war die Aufregung groß. Geht das überhaupt? Kann sich ein Minister wirklich einen Tag um seine Familie kümmern? Als Ursula von der Leyen damals als Arbeitsministerin freitags ins Homeoffice ging, um Zeit mit ihren sieben Kindern zu verbringen, hat das die Gemüter bei weitem nicht so erregt. Liegt das vielleicht daran, dass von der Leyen eine Frau ist? Die Mutter-Vater-Rolle des Politikers und der Politikerin erzählt so einiges über Väter und Mütter in Deutschland.

Viele Männer wollen heute ihre Vaterrolle aktiver leben als sie es selbst erfahren haben. Wie es um die neuen Väter steht, zeigt die sogenannte VAPRO-Studie der Technischen Universität (TU) Braunschweig und der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Kiel, die Titel "You don't need to be Superheroes: Einblicke in die vielfältigen Lebenslagen von Vätern" trägt. Insgesamt haben 2.200 Väter an einer bundesweiten Online-Befragung teilgenommen, mit 55 Vätern wurden tiefergehende qualitative Interviews geführt. 

Wodurch zeichnet sich ein guter Vater heute aus? Da haben die Befragten ein klares Bild: Zeit mit den Kindern verbringen, ihnen Zuneigung geben und zeigen und ihnen etwas beibringen. Darin sehen Väter drei ihre wichtigsten Aufgaben. Die interviewten Väter legen Wert darauf, ihre Kinder "einfühlsam und verständnisvoll" zu erziehen. Hier schließt ein häufiges Motiv insbesondere von Vätern mit Söhnen an, die ihnen ein "freundschaftlicher" Vater sein wollen. Der Vater als alleiniger Ernährer, wie sie es bei ihren Eltern erlebten, lehnte die jetzige Väter-Generation ab. Die "klassischen männlichen Werte" wie Disziplin oder Durchsetzungsfähigkeit halten die befragten Väter unverändert für wichtig.

Betrieb verlassen, weil Beruf und Familie nicht in Einklang stehen

Und wie steht es um die Gleichberechtigung zwischen den Eltern? Fast jeder zweite Vater macht die Ansage, dass er und der andere Elternteil sich gleich viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung wie z. B. Elternabende, Eingewöhnung in der Krippe etc. kümmern. Dem steht eine fast genauso große Gruppe von Vätern gegenüber, die zugibt, dass der andere Elternteil die meisten dieser Aufgaben übernimmt.

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Die Mehrheit der Väter sehen in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber ein Problem. Das drückt sich darin aus, dass Väter einerseits mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten. Anderseits hindern sie die Anforderungen im Beruf, dies umzusetzen. In der Prognos-Studie, mit dem Titel "Wie väterfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?", ist eine gelingende Vereinbarkeit einem Teil der Beschäftigten sehr wichtig. Rund 450.000 Väter haben deshalb schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken häufig oder zumindest manchmal nach, diesen Schritt zu gehen. Die hohe Wechsel­bereitschaft ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein beachtliches Unternehmensrisiko. Betriebe sollten der Vereinbarkeit deshalb mehr Augenmerk schenken.

Väter übernehmen gerne solche Aufgaben in der Familie, die ihnen am meisten Spaß machen. Mit den Kindern spielen, ist unter den befragten Vätern der häufigste und auch ihr liebster Erziehungsauftrag. Am unbeliebtesten ist bei den Vätern die körperliche Pflege der Kinder, also zum Beispiel das Kind zu wickeln oder ein krankes Kind zu versorgen. Gezielte "Erziehungsmaßnahmen" wie bestrafen, ermahnen, zur Ordnung rufen etc. übernehmen Väter ebenfalls ungern. Zugleich ducken sich die meisten der Befragten nach wie vor bei den haushalts- und familienbezogenen Aufgaben am liebsten weg. Das überlassen sie gerne dem anderen Elternteil. Viele Aufgaben blieben immer noch am anderen Elternteil hängen, berichtet Studienleiterin Kim Bräuer, Soziologin an der TU Braunschweig. Es zeige sich, dass Väter gedanklich zwar schon beim aktiven Vater angekommen seien, "viele Väter dies auf der Handlungsebene aber nicht erfüllen", erklärte sie im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Erfahrungen mit der Elternzeit und Kinderkrankengeld

Sehr konkret ist familiäres Engagement von Vätern, wenn sie in Elternzeit gehen und sich dadurch Zeit für ihre Kinder nehmen. Von den 1,9 Mio. Elterngeldbeziehern im Jahr 2021 waren 25,3 Prozent männlich, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden meldet. Das Ergebnis der Prognos-Befragung bei den Vätern: Mit der Elternzeit hat die Mehrheit, nämlich 59 Prozent der Väter, keine nega­tiven Erfahrungen gemacht.

Aber: Ein knappes Drittel der Väter berichtet von abschätzigen Kommentaren ihrer Führungskraft. Immerhin 16 Prozent der Väter wurden sogar unter Druck gesetzt, kürzer in Elternzeit zu gehen, als sie eigentlich geplant hatten. Man kann also vermuten, dass einige der Väter eventuell sogar länger als die üblichen zwei Monate gehen wollten. Jeder fünfte Vater macht die Erfahrung, dass Kolleg*innen negativ auf die Elternzeit reagieren. Ein kleiner Teil gibt an, dass sich die Elternzeit negativ auf ihre Karriere ausgewirkt hat.

Trotz positiver Entwicklungen bei der Nutzung von Elternzeit und Elterngeld durch Väter, zeigt sich deutlich weniger Dynamik mit Blick auf die durchschnittliche Bezugsdauer der Väter, wie eine Befragung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zeigt. Sie schwankt bundesweit seit Einführung zwischen 3,1 und 3,7 Monaten. Ursache für die niedrige durchschnittliche Elterngeldbezugsdauer der Väter ist, dass die Mehrheit der Väter (75,4 Prozent) lediglich die Mindestdauer von zwei Monaten (sogenannte Partnermonatein Anspruch nimmt. Ein weiterer Indikator für das gestiegene Engagement der Väter in der Familie ist, dass immer mehr Väter ein krankes Kind zu Hause betreuen und dabei Kinderkrankengeld beziehen. Während nach Daten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) 2009 lediglich neun Prozent der Väter Kinderkrankengeld in Anspruch genommen haben, waren es im Jahr 2019 bereits 22 Prozent. Nach Daten der Barmer Krankenkasse entfielen im Jahr 2020 insgesamt 24 Prozent aller Kinderkrankengeld-Fälle auf Väter. Die Hauptlast bei kranken Kindern liegt allerdings unverändert bei den Frauen.

Fazit

Viele Väter wollen die Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich leben, mehr Zeit mit den Kindern verbringen und gemeinsam mit der Mutter für die Kinder verantwortlich sein. Insgesamt möchten immer mehr Eltern die Kinderbetreuung partnerschaftlich aufteilen. Das ist eine gute Entwicklung. Vielleicht ist die Erzählung von den "neuen Vätern" ja doch kein Mythos.

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