Spritparadox: Warum Autofahrer trotz hoher Spritpreise weiter Gas geben
Autor: Andreas Hofbauer
Deutschland, Mittwoch, 13. Juli 2022
Deutsche Autofahrer fahren trotz des gestiegenen Spritpreises weiterhin gerne schnell. Warum das so ist, was Branchenverbände fordern und wann mit Entspannungen zu rechnen ist.
Die Inflationsrate ist innerhalb eines Jahres von 2,3 Prozent auf zwischenzeitlich 7,9 Prozent gestiegen. Derzeit befindet sie sich bei 7,6 Prozent. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern machen dabei, vorwiegend, die hohen Energiepreise zu schaffen. Die steigen vordergründig infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine.
Das hängt mit der wirtschaftlichen Verbundenheit Deutschlands mit Russland zusammen, sowie damit, welchen Stellenwert Erdöl in der Gesellschaft genießt. Aus Erdöl werden fossile Brennstoffe wie Diesel, Benzin und Kerosin hergestellt. Selbst Asphalt besteht zu einem gewissen Anteil aus Erdöl. Bislang hat Deutschland einen Großteil seines Erdöls aus Russland bekommen. Dasselbe gilt für Gas, das zu 55 Prozent aus Russland stammt. Bis zum Angriffskrieg war Russland, noch weit vor den USA und Kasachstan, der wichtigste Erdöllieferant Deutschlands.
Russlands Angriffskrieg als Brandbeschleuniger der Inflation
Russland, als Teil der Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC), vereinbart mit Abnehmerinnen und Abnehmern bestimmte Fördermengen. Der Ölpreis ist dabei von Angebot und Nachfrage abhängig. Zudem orientiert sich der Preis an den sogenannten Inventaren. Je mehr Erdöl in Tanks vorrätig ist, desto günstiger ist das Angebot, da eine reduzierte Nachfrage besteht. Und je stärker die Inventare sinken, desto stärker steigt der Preis. Und da derzeit bereits weniger Erdöl und Gas von Russland nach Deutschland fließt, offiziell wegen eines Fehlers der Pipeline Nordstream 1, steigen auch die Preise. Expertinnen und Experten schätzen, dass der Krieg in der Ukraine 10 bis 15 Prozent des gesamten Preisanstieges ausmacht.
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Mit einem Sinken der Preise ist zudem ebenfalls nicht zu rechnen. Ende 2022 treten weitere Sanktionen gegen Russland in Kraft, die direkt die Abnahme von Erdöl betreffen. Trotzdem ist ein Rückgang des Energieverbrauches nicht zu erkennen, obwohl es sich um eine der effektivsten Maßnahmen Geld zu sparen handelt. Dass die Energiefrage eine der entscheidenden Faktoren bei der Preisfrage und Inflation ist, untermauern Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis).
Sie zeigen: Im direkten Vergleich des Juni 2022 mit dem Juni 2021 wird deutlich, dass der Energiepreis um 7,6 Prozent gestiegen ist, trotz Tankrabatt. Das Verbraucherportal "Clever Tanken" zeigt, dass sich der Dieselpreis pro Liter derzeit wieder bei etwa zwei Euro bewegt. Ein Anstieg um satte 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Superbenzin ist rund 20 Prozent teurer geworden.
Trotz Preisanstieg: Deutsche verändern Tankverhalten nicht
Wer in seinem Leben bereits mit Wirtschaft oder Wirtschaftsprinzipien vertraut ist, der kennt die Regel, dass ein steigender Preis mit sinkender Nachfrage einhergeht. Benzin scheint von dieser Regel ausgenommen. Laut Statistischem Bundesamt wurde bis zum April 2022 mehr Rohöl importiert als vor der Pandemie. Damals war der Kraftstoff rund 30 Prozent billiger als heute.
Trotz des starken Anstiegs der Kraftstoffpreise hätten Autofahrerinnen und Autofahrer ihren Fahrstil nicht an die gestiegenen Preise angepasst. Das belege eine Auswertung des Navigationssystemherstellers TomTom für das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus.
Das durchschnittliche Tempo auf deutschen Autobahnen lag im Juni bei rund 104 Kilometern pro Stunde. Verglichen mit dem Februar, vor der Sprittpreiserhöhung, in dem das durchschnittliche Tempo bei 105 Kilometern pro Stunde lag, ist das kein wirklicher Rückgang. "Zumal man bedenken muss, dass Baumaßnahmen auf den Autobahnen zugenommen haben", erklärte der Datenanalyst Ralf-Peter Schäfer von TomTom gegenüber der Tagesschau. Er ergänzte: "Die Deutschen fahren wie früher, und Geld scheint keine Rolle zu spielen."