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Darauf müssen Autofahrer achten, wenn sie ein Müllfahrzeug überholen


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Freitag, 16. Juni 2023

Autofahrer, die ein Müllfahrzeug überholen, haben besondere Sorgfaltspflichten. Aber einfach nur auf ihr Privileg im Straßenverkehr pochen und jegliche Achtsamkeit vergessen, können auch die Müllwerkenden nicht.
Fahrzeuge der Müllentsorgung zu überholen, bedarf besonderer Achtsamkeit.


Autofahrende müssen beim Überholen eines Müllfahrzeugs im Einsatz besonders vorsichtig sein. Eine reduzierte Geschwindigkeit und ein angemessener Seitenabstand sind dabei die zwei wesentlichen Punkte. Die Anforderungen können aber je nach der Verkehrssituation unterschiedlich sein, wie jetzt das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle, Urteil vom 15.2.2023, Az.: 14 U 111/22) feststellte.

Die Kollision mit dem Müllcontainer

Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes überholte mit ihrem Pkw ein stehendes Müllfahrzeug. Dabei kollidierte sie mit einem Müllcontainer, den eine der Arbeitskräfte hinter dem Fahrzeug über die Straße schob. Deutlich erkennbar: Der Müllwagen war im Einsatz – die gelben Rundumleuchten blinkten, die Warnblinkanlage war an und die Trommel bzw. Schüttung des Fahrzeugs rotierte.

Die Gerichte in Niedersachsen hatten die Haftungsfrage zu klären. Das Landgericht (LG) kam zuvor zu einer hälftigen Haftungsverteilung. Begründung: Autofahrende, die ein Müllfahrzeug passieren wollen, müssen einen Mindestabstand von zwei Metern oder Schrittgeschwindigkeit fahren. Dies sei bei der Pflegerin nachweislich nicht der Fall gewesen. Ein Sachverständiger hatte ermittelt, dass die Autofahrerin in einem Abstand von 50 Zentimetern an dem Müllfahrzeug vorbeifuhr und dies mit einer Geschwindigkeit von wahrscheinlich 13 km/h.

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle kam zu einer anderen Einschätzung und sah bei der Autofahrerin nur eine Mit-Haftung von 25 Prozent. Bei ihr sei lediglich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzusetzen. Ein Verkehrsverstoß sei ihr nicht anzulasten.

Auch die Müllabfuhr muss auf den Verkehr achten

Dem beklagten Müllmann sei eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht anzulasten, so das Gericht. Er habe den Müllcontainer quer über die Straße geschoben, ohne auf den Wagen der Mitarbeiterin des Pflegedienstes zu achten. Wobei das Fahrzeug nach Einschätzung des Sachverständigen für den Müllarbeiter erkennbar war.

Die Privilegierung der Müllabfuhr habe ihre Grenzen, erläuterten das Gericht: Insbesondere begründe die Privilegierung von Müllfahrzeugen (§ 35 Abs. 6 Straßenverkehrsordnung, StVO) keine Befreiung vom allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO. Nach § 35 Abs. 6 StVO ist es den LKW lediglich erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen überall und in jede Richtung zu fahren. § 1 StVO sei aber auch von Müllfahrzeugen im Einsatz zu beachten.

Zwar gebe es diverse Urteile, nach denen an Müllfahrzeugen im Einsatz nur langsam, also in der Regel in Schrittgeschwindigkeit oder mit zwei Meter Sicherheitsabstand, vorbeizufahren sei. Es gebe aber keine Regelung in der StVO, die Autofahrer*innen zwingen, nur in dieser Art und Weise zu überholen.

Reduktion der Geschwindigkeit ist Mindestvoraussetzung

Letztlich seien die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Im konkreten Fall hatte der Gutachter erklärt, dass es der Autofahrerin nur möglich war, in einem wesentlich geringeren Abstand als zwei Metern an dem Müllfahrzeug vorbeizufahren. Sie war deshalb verpflichtet, ihre Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren. Das hat sie auch getan. Statt der allgemein zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h am Unfallort, fuhr sie nur 13 km/h.

In Anbetracht der Umstände könne die Geschwindigkeit, mit der die Frau das Müllfahrzeug überholte, nicht als zu hoch angesehen werden. Ein Sicherheitsabstand von zwei Metern war nicht möglich. Die Autofahrerin sei nicht verpflichtet gewesen, mit dem Passieren des Müllfahrzeugs zu warten.

Beim Müllwerker sah das Gericht sogar ein erhebliches Verschulden. Zwar sei ihm zuzubilligen, dass er im Einsatz die Sorgfaltspflichten nicht in gleichem Maße einhalten könne wie andere Verkehrsteilnehmende. Niemand könne erwarten, dass er seine Tätigkeit erheblich langsamer verrichtet. Allerdings habe er aber offensichtlich nicht auf den Verkehr geachtet, als er den schweren Container hinter dem Fahrzeug hervor schob. Deshalb sah das Gericht bei ihm eine Haftung von 75:25 Prozent zulasten des Müllunternehmens.

Fazit

An einem Müllfahrzeug darfst du vorsichtig vorbeifahren, selbst dann, wenn es eng zugeht. Bei einer Kollision wirst du aber vermutlich nicht ganz ohne Haftung davon kommen. Wegen der Betriebsgefahr des eigenen Autos bleibt immer etwas vom Schaden bei dir hängen. Deshalb solltest du lieber hinter dem Müllfahrzeug warten, das gerade im Einsatz ist.

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