Unterschiede zwischen Immunantworten in Europa und Nordamerika
Interessanterweise korrelieren die TCR-β-Motive bei den ARLA-Patienten in Deutschland mit spezifischen genetischen Markern, HLA-DRB1*11 oder HLA-DRB1*13. Diese so genannten Allelen unterscheiden sich jedoch von den Varianten nordamerikanischer Patientinnen und Patienten.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Immunantwort bei ARLA-Patienten in Europa deutlich von der in Nordamerika unterscheidet, was vermutlich auf die unterschiedlichen Borrelien-Spezies zurückzuführen ist. Die bisherigen Forschungsergebnisse, die vor allem in Nordamerika gewonnen wurden, lassen sich daher nicht direkt auf die europäische Situation übertragen“, erklärt Henner Morbach, Leiter der Studie und Letztautor.
Spezifische T-Zell-Rezeptoren halten pathogene T-Helferzell-Reaktionen aufrecht
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist die Entdeckung, dass die TCR-gesteuerte Immunantwort zu einer starken Vermehrung von T-peripheren Helferzellen (Tph-Zellen) führt. Tph-Zellen senden entzündungsfördernde Signale aus und scheinen die chronische Entzündung in den Gelenken aufrechtzuerhalten.
Die Forschung in Deutschland geht weiter: „Durch die Identifizierung der spezifischen T-Zell-Rezeptormotive konnten wir erstmals das Genexpressionsmuster krankheitsspezifischer T-Zellen in den betroffenen Gelenken verfolgen. Diese Erkenntnisse sollen in weiteren Studien vertieft werden, um herauszufinden, gegen welche Strukturen sich die Immunantwort richtet - ob es sich um eine Autoimmunreaktion handelt oder um Bestandteile nicht mehr lebensfähiger Borrelien, die die Entzündung aufrechterhalten“, sagt Johannes Dirks.
Auswirkungen auf Diagnose und Behandlung
Das Studienteam, Allen Steere und die Fachwelt sind sich einig: Die Studienergebnisse werden weitreichende Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung von ARLA haben. Denn durch die Entdeckung spezifischer Immunmarker könnte es Ärztinnen und Ärzten künftig möglich sein, die Erkrankung früher zu diagnostizieren und von anderen chronischen Gelenkentzündungen zu unterscheiden. Auch die Erkenntnisse über die Rolle der Tph-Zellen und des TCR-β-Motivs bieten neue Ansätze für therapeutische Interventionen. Zukünftige Behandlungen könnten diese spezifischen Immunwege gezielt modulieren, um Entzündungen zu verringern und das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, das überschießende Immunsystem frühzeitig ins Visier der Therapie zu nehmen, statt immer wieder auf Antibiotika zu setzen“, betont Henner Morbach.
Auch über die Lyme-Arthritis hinaus könnte die Forschung wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie Infektionen chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen auslösen. Daraus könnten neue Strategien zur Vorbeugung und Behandlung anderer Autoimmunerkrankungen entwickelt werden.
Forschungsförderung
Die Untersuchungen wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (Morbach 2160/4-1). Henner Morbach wird durch das Advanced Clinician Scientist Programm INTERACT des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (BMBF, 01EO2108), das in das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) des Universitätsklinikums Würzburg integriert ist. Johannes Dirks wird durch das Clinical Leave Program des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) gefördert.
Publikation
Disease-specific T cell receptors maintain pathogenic T helper cell responses in postinfectious Lyme arthritis. Johannes Dirks, Jonas Fischer, Julia Klaussner, Christine Hofmann, Annette Holl-Wieden, Viktoria Buck, Christian Klemann, Hermann J. Girschick, Ignazio Caruana, Florian Erhard, Henner Morbach. J Clin Invest. 2024;134(17):e179391.https://doi.org/10.1172/JCI179391.