Corona-Impfung verweigert? Würzburger Anwalt hilft Jüngeren per Antrag zur Impfung

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Chan-jo Jun wurde 2015 weltweit bekannt, als er eine Strafanzeige wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gegen Facebook vor Gericht brachte. Nun setzt er sich für das Recht der Bürger auf die Corona-Impfung ein.
Chan-jo Jun wurde 2015 weltweit bekannt, als er eine Strafanzeige wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gegen Facebook vor Gericht brachte. Nun setzt er sich für das Recht der Bürger auf die Corona-Impfung ein.
Jun Rechtsanwälte

Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca bleiben in Deutschland ungenutzt. Wieso also dürfen sich Impfwillige aus der zweiten und dritten Impfgruppe in vielen Bundesländern immer noch nicht impfen lassen? Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun sieht darin eine Rechtsverletzung und ist das Problem juristisch angegangen.

Von der Impfstoff-Knappheit zum "Impfstau": Die Bundesländer erwarten bis Donnerstag (04.03.2021) eine Lieferung mit rund 1,1 Millionen Impfdosen von AstraZeneca. Damit steigt die Zahl auf insgesamt 3,2 Millionen - bisher wurden aber nur etwas mehr als eine halbe Million Dosen verimpft. Während einige Bundesländer bereits versuchen den AstraZeneca-"Impfstau" abzubauen, indem sie die Impfungen für die zweite Priorisierungsgruppe öffnen oder bestimmte Berufsgruppen vorziehen, bleiben andere stur. Doch darf der Staat jüngeren Impfberechtigten die Impfung verwehren? Nein, sagt der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun.

Laut der Impfverordnung hat jeder Bürger einen Anspruch auf die Corona-Impfung. Die einzige Bedingung ist, dass genügend Impfstoff vorhanden ist und die Impfreihenfolge beachtet wird. Ohne diese beiden Kriterien haben die Länder "nicht die Wahl, die Impfungen zu verzögern", so Jun im Gespräch mit inFranken.de. "Aber wir sind nun in einer Situation, wo wir genügend Impfstoff haben." Den jüngeren Impfberechtigten trotzdem die Impfung zu verweigern, nennt der 46-Jährige "eine Farce".

Per Antrag schneller zur Corona-Impfung: Würzburger Anwalt unterstützt jüngere Impfberechtigte

Das Problem liege dabei unter anderem in der zu starren Formulierung der Impfverordnung, wenn es um die Impfreihenfolge geht. Wie Jun erklärt, kann die Impfverordnung nicht so ausgelegt werden, dass die zweite Impf-Gruppe erst geimpft werden darf, wenn der Letzte aus Gruppe 1 geimpft ist. Dieser Fall würde nämlich nie eintreten, da nicht jeder das Impfangebot auch annimmt. Stattdessen muss bei der Reihenfolge darauf geachtet werden, dass ein Berechtigter aus einer höheren Impf-Gruppe von jemandem aus einer nachrangigen Gruppe verdrängt wird.

Der AstraZeneca-Impfstoff wurde in der Priorisierungsgruppe 1 bisher nur eingeschränkt eingesetzt, etwa für Ärzte. Die unter 65-Jährigen aus den Gruppen 2 und 3 hätten also bei der Menge an Impfdosen, die momentan gelagert werden, niemandem den Impf-Platz weggenommen.

Die Bundesländer legen die Bedingung der Impfreihenfolge dennoch sehr unterschiedlich aus. Hessen, Rheinland-Pfalz oder Bayern zum Beispiel bieten bestimmten Personengruppen aus der zweiten oder dritten Priorisierungsstufe schon jetzt Impftermine an. Dabei geht es jedoch meist um bestimmte Berufsgruppen wie etwa die Lehrer und Erzieher sowie Polizeibeamte. Menschen unter 65 Jahren, die zum Beispiel aufgrund einer Vorerkrankung, zur zweiten Impfgruppe gehören, bekommen aktuell kaum Termine.

"Zu wenig Impfstoff"? Verweigerung der Impfung nicht rechtens

Jun hat daher eine Mustervorlage für einen schriftlichen Antrag zur Impfung entworfen, die er auf Twitter kostenlos zur Verfügung stellt. Jüngere aus den Priorisierungsgruppen 2 und 3 können mit dem Formular ihr Recht auf die Corona-Impfung beim jeweiligen Gesundheitsamt geltend machen.

Bei einigen Twittern-Nutzern hat der Antrag bereits Erfolg gezeigt. Ein Mann aus Mecklenburg-Vorpommern wurde zum Beispiel erst abgewiesen, nachdem er den Antrag gestellt hatte, bekam er dann doch einen Termin. "An dieser Stelle nochmal besten Dank. Es hat tatsächlich geklappt", schrieb er in einem Tweet mit einem Bild seines Impfpasses. "Ich freue mich, dass die Antragsstellung Wirkung zeigt", so Jun.

Ein anderer Nutzer aus Niedersachsen hatte dagegen keinen Erfolg. Er hatte Jun geschrieben, dass sein Antrag abgelehnt wurde, und zwar ausgerechnet mit der Begründung, dass es zu wenig Impfstoff gebe. "Das Argument 'Ich habe keinen Impfstoff" muss aber immer auf Länderebene betrachtet werden. Das Gesundheitsamt muss in so einem Fall als Staatsbehörde antworten, dabei geht es nicht darum, wie viel Impfstoff in einem einzelnen Impfzentrum in dem Moment verfügbar ist", erklärt Jun.

Corona-Impfung einklagen: noch Neuland für Anwälte

Auch wenn es keine Erfolgsgarantie gibt, empfiehlt der Anwalt aber, es trotzdem zu versuchen. Wenn der Antrag abgelehnt oder nicht beantwortet wird, kann er zum Beispiel die Grundlage für eine Schadensersatzklage sein. Erkrankt ein Impfberechtigter aufgrund der Verzögerung vonseiten der Länder an Corona und erleidet gesundheitliche Schäden, hätte derjenige damit Anspruch auf Entschädigung.

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Wird der Antrag abgelehnt, wäre es auch möglich im Eilverfahren vor Gericht zu ziehen. Bisher hat jedoch noch keiner versucht, seinen Impfanspruch einzuklagen. "Das wird wahrscheinlich auch noch dauern", meint Jun. Viele Anwälte seien zurückhaltend, da eine solche Klage sei momentan noch "Neuland" - und damit ein Risiko für Anwalt und Mandant. Würde Jun den Versuch wagen? Darüber nachgedacht habe er schon, denn so könnte die Situation einmal grundsätzlich geklärt werden. Momentan nimmt seine Kanzlei jedoch gar keine neuen Mandanten auf, das sei auch nicht das Ziel des Musterantrags gewesen. 

Der Antrag sollte eher ein Denkanstoß sein, damit die Bürger Druck machen und die Diskussion um die Probleme bei den Corona-Impfungen vorantreiben können. "Da sterben gerade Menschen, Gastwirte gehen pleite, weil wir nicht in die Puschen kommen", so Jun. Der 46-Jährige ist mit seiner Meinung zur Impfverordnung nicht alleine, auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder haben sich für eine flexiblere Impfreihenfolge ausgesprochen.

Auch Politiker kritisieren Impfreihenfolge

Söder erzählte nach dem Bunde-Länder-Gipfel, dass auch die Kanzlerin bei den Länderchefs nachgefragt hat, wo die ungenutzten AstraZeneca-Dosen lagern. Viele behaupteten dabei jedoch, dass bei ihnen keine Impfdosen "herumliegen" würden, "aber die Zahlen vom RKI sind da", so Söder. Das Impfmonitoring des Robert-Koch-Institutes (RKI) hält fest, wie viele Dosen welches Impfstoffs verimpft werden. Bis zum 3. März wurden nur rund 700.000 Dosen des AstraZeneca-Impfstoffes verimpft. 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat im ARD-"Morgenmagazin" bereits zugesagt, die Geschwindigkeit bei den Impfungen zu erhöhen. Dazu soll zum Beispiel die Impfverordnung angepasst werden, damit die Länder die Impfreihenfolge flexibler auslegen können und Arztpraxen Corona-Impfungen durchführen dürfen. Auch die Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffes für Menschen über 65 Jahren, soll helfen, dass mehr Menschen schneller geimpft werden können. Am Donnerstag (04.03.2021) hat die Ständige Impfkommission (Stiko) den Impfstoff "für alle Altersgruppen" empfohlen.

Wirkt sich das auch auf den Anspruch auf Impfung der jüngeren Impfberechtigten aus? Nach Juns Einschätzung lässt sich das noch nicht sagen. Zum einen könnten die Ländern nun argumentieren, dass die unter 65-Jährigen einem Impfberechtigten aus der ersten Gruppe den Platz wegnehmen würden. Zum anderen sollte inklusive der AstraZeneca-Impfdosen nun ausreichend Impfstoff da sein. Das hängt jedoch auch davon ab, wie viele aus der ersten Impfgruppe noch übrig sind und geimpft werden wollen.

Bundesländer arbeiten ineffizient bei Impf-Einladungen

Ob mehr Flexibilität bei der Impfreihenfolge große Auswirkungen auf die Geschwindigkeit haben wird, ist ebenso fraglich. Denn die starre Impfreihenfolge ist Juns Meinung nach nicht der einzige Grund für die Millionen ungenutzten Impfdosen: "Das größere Problem ist, dass die Länder ineffizient in ihrem Einladungswesen sind." 

Jedes Bundesland nutzt unterschiedliche Methoden und Software. In Bayern ist es zum Beispiel möglich sich online zu registrieren, die Termine werden dann je nach Impfgruppe angeboten. In Niedersachsen werden die Termine dagegen nur an Menschen vergeben, die zuvor eine Einladung erhalten haben. Die Einladungen werden jedoch nach Impfreihenfolge verschickt. Bundesländer, die nur mit Einladungen arbeiten, seien laut Jun oft schlechter in der Corona-Impfstatistik. 

Dazu kommt, dass selbst wenn von Länderseite schneller geimpft wird, die Kapazität in den Impfzentren begrenzt ist. Aktuell nutzen die meisten Zentren noch nicht alle "Impflinien", Jun gibt dennoch zu bedenken, dass die Impfzentren die Corona-Impfungen nicht alleine stemmen können. Die geplante Anpassung der Impfverordnung, mit der auch Haus- und Fachärzte impfen dürfen, ist daher dringend nötig. Das bestätigte auch Söder, denn auf diese Weise fällt auch "die starre Bürokratie und übertriebene Dokumentation" bei der Corona-Impfung weg.

Besserung bei Diskussion um Corona-Impfung in Sicht?

Bis Ende März sollen die Arztpraxen vorbereitet werden, damit auch dort geimpft werden kann. Werden sich Deutschlands Impf-Probleme ab April dann auflösen? Chan-jo Jun vermutet, dass uns die Diskussion um Gerechtigkeit beim Impfen noch länger begleitet wird, sie wird sich nur verändern. Durch die Impfung bei den Hausärzten beispielsweise seien neue Probleme "vorprogrammiert". 

Der Arzt kann dann Bescheinigungen für Menschen, die ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf im Fall einer Corona-Infektion hätten, ausstellen. Damit können die Patienten schneller geimpft werden. "Es wird wahrscheinlich viel mehr Individualentscheidungen geben", schätzt Jun. Letztendlich brauche es in der Gerechtigkeitsdiskussion eine vernünftige Balance - ohne dass die Corona-Impfungen auf Kosten der Sicherheit der Bürger unnötig verlangsamt werden.

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