Ein anderer Nutzer aus Niedersachsen hatte dagegen keinen Erfolg. Er hatte Jun geschrieben, dass sein Antrag abgelehnt wurde, und zwar ausgerechnet mit der Begründung, dass es zu wenig Impfstoff gebe. "Das Argument 'Ich habe keinen Impfstoff" muss aber immer auf Länderebene betrachtet werden. Das Gesundheitsamt muss in so einem Fall als Staatsbehörde antworten, dabei geht es nicht darum, wie viel Impfstoff in einem einzelnen Impfzentrum in dem Moment verfügbar ist", erklärt Jun.
Corona-Impfung einklagen: noch Neuland für Anwälte
Auch wenn es keine Erfolgsgarantie gibt, empfiehlt der Anwalt aber, es trotzdem zu versuchen. Wenn der Antrag abgelehnt oder nicht beantwortet wird, kann er zum Beispiel die Grundlage für eine Schadensersatzklage sein. Erkrankt ein Impfberechtigter aufgrund der Verzögerung vonseiten der Länder an Corona und erleidet gesundheitliche Schäden, hätte derjenige damit Anspruch auf Entschädigung.
Buchtipp: Der Corona-Selbsthilfe-Ratgeber: Der vernünftige Mittelweg zwischen Verharmlosung und Panikmache
Wird der Antrag abgelehnt, wäre es auch möglich im Eilverfahren vor Gericht zu ziehen. Bisher hat jedoch noch keiner versucht, seinen Impfanspruch einzuklagen. "Das wird wahrscheinlich auch noch dauern", meint Jun. Viele Anwälte seien zurückhaltend, da eine solche Klage sei momentan noch "Neuland" - und damit ein Risiko für Anwalt und Mandant. Würde Jun den Versuch wagen? Darüber nachgedacht habe er schon, denn so könnte die Situation einmal grundsätzlich geklärt werden. Momentan nimmt seine Kanzlei jedoch gar keine neuen Mandanten auf, das sei auch nicht das Ziel des Musterantrags gewesen.
Der Antrag sollte eher ein Denkanstoß sein, damit die Bürger Druck machen und die Diskussion um die Probleme bei den Corona-Impfungen vorantreiben können. "Da sterben gerade Menschen, Gastwirte gehen pleite, weil wir nicht in die Puschen kommen", so Jun. Der 46-Jährige ist mit seiner Meinung zur Impfverordnung nicht alleine, auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder haben sich für eine flexiblere Impfreihenfolge ausgesprochen.
Auch Politiker kritisieren Impfreihenfolge
Söder erzählte nach dem Bunde-Länder-Gipfel, dass auch die Kanzlerin bei den Länderchefs nachgefragt hat, wo die ungenutzten AstraZeneca-Dosen lagern. Viele behaupteten dabei jedoch, dass bei ihnen keine Impfdosen "herumliegen" würden, "aber die Zahlen vom RKI sind da", so Söder. Das Impfmonitoring des Robert-Koch-Institutes (RKI) hält fest, wie viele Dosen welches Impfstoffs verimpft werden. Bis zum 3. März wurden nur rund 700.000 Dosen des AstraZeneca-Impfstoffes verimpft.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat im ARD-"Morgenmagazin" bereits zugesagt, die Geschwindigkeit bei den Impfungen zu erhöhen. Dazu soll zum Beispiel die Impfverordnung angepasst werden, damit die Länder die Impfreihenfolge flexibler auslegen können und Arztpraxen Corona-Impfungen durchführen dürfen. Auch die Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffes für Menschen über 65 Jahren, soll helfen, dass mehr Menschen schneller geimpft werden können. Am Donnerstag (04.03.2021) hat die Ständige Impfkommission (Stiko) den Impfstoff "für alle Altersgruppen" empfohlen.
Wirkt sich das auch auf den Anspruch auf Impfung der jüngeren Impfberechtigten aus? Nach Juns Einschätzung lässt sich das noch nicht sagen. Zum einen könnten die Ländern nun argumentieren, dass die unter 65-Jährigen einem Impfberechtigten aus der ersten Gruppe den Platz wegnehmen würden. Zum anderen sollte inklusive der AstraZeneca-Impfdosen nun ausreichend Impfstoff da sein. Das hängt jedoch auch davon ab, wie viele aus der ersten Impfgruppe noch übrig sind und geimpft werden wollen.
Bundesländer arbeiten ineffizient bei Impf-Einladungen
Ob mehr Flexibilität bei der Impfreihenfolge große Auswirkungen auf die Geschwindigkeit haben wird, ist ebenso fraglich. Denn die starre Impfreihenfolge ist Juns Meinung nach nicht der einzige Grund für die Millionen ungenutzten Impfdosen: "Das größere Problem ist, dass die Länder ineffizient in ihrem Einladungswesen sind."
Jedes Bundesland nutzt unterschiedliche Methoden und Software. In Bayern ist es zum Beispiel möglich sich online zu registrieren, die Termine werden dann je nach Impfgruppe angeboten. In Niedersachsen werden die Termine dagegen nur an Menschen vergeben, die zuvor eine Einladung erhalten haben. Die Einladungen werden jedoch nach Impfreihenfolge verschickt. Bundesländer, die nur mit Einladungen arbeiten, seien laut Jun oft schlechter in der Corona-Impfstatistik.
Dazu kommt, dass selbst wenn von Länderseite schneller geimpft wird, die Kapazität in den Impfzentren begrenzt ist. Aktuell nutzen die meisten Zentren noch nicht alle "Impflinien", Jun gibt dennoch zu bedenken, dass die Impfzentren die Corona-Impfungen nicht alleine stemmen können. Die geplante Anpassung der Impfverordnung, mit der auch Haus- und Fachärzte impfen dürfen, ist daher dringend nötig. Das bestätigte auch Söder, denn auf diese Weise fällt auch "die starre Bürokratie und übertriebene Dokumentation" bei der Corona-Impfung weg.
Besserung bei Diskussion um Corona-Impfung in Sicht?
Bis Ende März sollen die Arztpraxen vorbereitet werden, damit auch dort geimpft werden kann. Werden sich Deutschlands Impf-Probleme ab April dann auflösen? Chan-jo Jun vermutet, dass uns die Diskussion um Gerechtigkeit beim Impfen noch länger begleitet wird, sie wird sich nur verändern. Durch die Impfung bei den Hausärzten beispielsweise seien neue Probleme "vorprogrammiert".
Der Arzt kann dann Bescheinigungen für Menschen, die ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf im Fall einer Corona-Infektion hätten, ausstellen. Damit können die Patienten schneller geimpft werden. "Es wird wahrscheinlich viel mehr Individualentscheidungen geben", schätzt Jun. Letztendlich brauche es in der Gerechtigkeitsdiskussion eine vernünftige Balance - ohne dass die Corona-Impfungen auf Kosten der Sicherheit der Bürger unnötig verlangsamt werden.
*Hinweis: In der Redaktion sind wir immer auf der Suche nach nützlichen Produkten für unsere Leser. Es handelt sich bei den in diesem Artikel bereitgestellten und mit einem Einkaufswagen-Symbol beziehungsweise einem Sternchen gekennzeichneten Links um sogenannte Affiliate-Links/Werbelinks. Wenn Sie auf einen dieser Links klicken und darüber einkaufen, bekommen wir eine Provision vom Händler. Für Sie ändert sich dadurch nichts am Preis. Unsere redaktionelle Berichterstattung ist grundsätzlich unabhängig vom Bestehen oder der Höhe einer Provision.