Denn so einen Fall sehe man in der Onkologie selten. „Das Monitoring mit der Smartwatch unterstrich den Einfluss von Selpercatinib auf die deutlich verbesserte Lebensqualität und bestätigte die Wirksamkeit der Therapie durch verbesserte körperliche Leistungsindikatoren. Die Messung der Schrittzahl und der Herzfrequenz lieferte einen Echtzeit-Einblick in das Aktivitätsniveau und die physiologischen Reaktionen des Patienten.“
Als der Patient seine drei Chemotherapien erhielt, ging jeder Wechsel mit einer Abnahme der Schrittzahl einher, was den zunehmenden Einfluss der Krankheit und der Nebenwirkungen der Behandlung widerspiegelte. Im Gegensatz dazu markierte die Einführung von Selpercatinib eine positive Wende mit einer klaren und schnellen Zunahme der Schrittzahl, was auf eine verbesserte Mobilität und ein Ansprechen auf die Therapie hindeutete. Gleichzeitig wies eine signifikante Abnahme der durchschnittlichen Ruheherzfrequenz auf eine verringerte systemische Belastung und eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands hin.
Der Zustand des Patienten ist seit über einem Jahr stabil, es sind nur noch minimale Restbefunde vorhanden. Er hat keine Schmerzen mehr, nimmt wieder aktiv am Leben teil, treibt Sport, hat einen deutlich besseren Appetit und sein Gewicht hat sich normalisiert.
Fallbericht motiviert Forschende und Behandelnde
„Unser Fallbericht zeigt, wie moderne Technologien, insbesondere Smartwatches, in der personalisierten Medizin eingesetzt werden können, um Behandlungserfolge schneller und präziser sichtbar zu machen – nicht nur für die Behandelnden, sondern auch für Patientinnen und Patienten“, sagt Vivek Venkataramani. Für die Betroffenen böten diese Geräte die Chance, mögliche körperliche Frühwarnzeichen kontinuierlich zu erfassen und selbstständig im Auge zu behalten. Der Mediziner, der Fallbeispiele wie diese regelmäßig in seinen Vorlesungen „Neues aus der Präzisionsonkologie“ bringt, plant, künftig auch tragbare Technologien, so genannte Wearables, in klinische und akademische Studien zu integrieren und zu evaluieren.
Barbara Deschler-Baier betont, dass der Fallbericht eine enorme Motivation für Forschende und Behandelnde sei, die personalisierte Diagnostik und Therapie weiter zu verfeinern und möglichst vielen Patientinnen und Patienten zugänglich zu machen: „Genveränderungen wie Fusionen im RET-Gen konnten gelegentlich die Ursache für die Entstehung verschiedener Krebsarten und bieten ideale Angriffspunkte für Präzisionsmedikamente, die gezielt Krebszellen bekämpfen und gesunde Zellen schonen. Fallberichte wie dieser zeigen das Potenzial einer hochmodernen, zielgerichteten Krebstherapie.“
Weiterentwicklung der Präzisionsonkologie
Weltweit und insbesondere in der Universitätsmedizin Würzburg mit dem CCC MF, dem Zentrum für Personalisierte Medizin (ZPM) einschließlich des Molekularen Tumorboards, der Interdisziplinären Studienambulanz (ISZ) und der Early Clinical Trial Unit (ECTU) sowie den Partnern in Erlangen, Regensburg und Augsburg im Rahmen der WERA-Allianz wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Genauigkeit und Wirksamkeit der Krebsbehandlung durch neue innovative Diagnostik und Therapien weiter zu verbessern und möglichst vielen Krebskranken zugänglich zu machen.
Wichtige Punkte sind dabei die Intensivierung der molekulargenetischen Testung und der Ausbau der molekulargenetischen Analysen. „In unserem interdisziplinären Expertengremium, dem Molekularen Tumorboard, werden jährlich rund 400 Patientenfälle vorgestellt“, berichtet Dr. Markus Krebs, Arzt im Molekularen Tumorboard am UKW. „Durch unsere enge Vernetzung mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten in der Region und die Kooperationen im CCC WERA und NCT WERA sowie den bayern- und bundesweiten Konsortien wie dem Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) steht die Präzisionsonkologie am UKW immer mehr Patientinnen und Patienten zur Verfügung.“
Publikation: Deschler-Baier, B.*, Krebs, M* et al. Rapid response to selpercatinib in RET fusion positive pancreatic neuroendocrine carcinoma confirmed by smartwatch. npj Precis. Onc. 8, 167 (2024). https://doi.org/10.1038/s41698-024-00659-x
* geteilte Erstautorenschaft