Motiv des Schützen: Krieg auf der Autobahn

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Ein Einschussloch in einem Auto. Insgesamt 762 Schüsse werfen die Ermittler Michael K. vor. Foto: dpa
Ein Einschussloch in einem Auto. Insgesamt 762 Schüsse werfen die Ermittler Michael K. vor.  Foto: dpa
In diesem Haus in der Eifel-Gemeinde Kall ist am Sonntag ein verdächtiger Mann festgenommen worden. Hier soll der 57-Jährige mutmaßliche Schütze gewohnt haben. Foto: dpa
In diesem Haus in der Eifel-Gemeinde Kall ist am Sonntag ein verdächtiger Mann festgenommen worden. Hier soll der 57-Jährige mutmaßliche Schütze gewohnt haben. Foto: dpa
 

Weil ihn irgendwann einmal ein anderer Fernfahrer fast abgedrängt haben soll, schoss der 57-jährige Michael K. auf der Autobahn zurück. Auf Autos, auf Lastwagen - insgesamt 762 Fälle der Selbstjustiz.

Für Michael K. war es Krieg. Sein Schlachtfeld: die Autobahn. Sein Feind: andere Lastwagen. Auf sie schoss er. Mit zwei Pistolen und aufgesetztem Schalldämpfer und mit einem "Schießkugelschreiber". 762 Schüsse haben die Ermittler gezählt. In der Vernehmung gab der mutmaßliche Autobahnschütze an, er habe sich auf seinen Fahrten über andere Lkw-Fahrer geärgert. Würzburgs leitender Oberstaatsanwalt Dietrich Geuder sagte am Dienstag: "Er hat seine Schüsse als eine Art Selbstjustiz bezeichnet."

Am Dienstagvormittag informierten Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaften aus Würzburg und Koblenz über die Motive des mutmaßlichen Schützen.

Der Mann, Michael K., 57 Jahre alt, aus Kall, einer Stadt mit 11800 Einwohnern in der Eifel, soll gestanden haben. "Er hat die Daten pauschal eingeräumt", sagt Geuder.
Bei 161 Fällen können die Ermittler eindeutige Zusammenhänge belegen.
Fast fünf Jahre lang soll der Mann, der selbst Berufskraftfahrer ist, auf andere Verkehrsteilnehmer geschossen haben. In 606 Fällen auf Autotransporter, 150 Mal auf andere Fahrzeuge, fünf Mal auf Gebäude und einmal in eine Lärmschutzwand. Im November 2009 soll Michael K. einer Frau durch die Seitenscheibe in den Hals geschossen haben. Ein Versehen?

In der Vernehmung gab der Mann an, ein guter Schütze zu sein. Er habe so gezielt, dass niemand verletzt werde.


Boris Raufeisen, ein weiterer Oberstaatsanwalt aus Würzburg, leitet die Ermittlungen. Er war dabei, als dem mutmaßlichen Täter die Vorwürfe am Montag in Würzburg eröffnet wurden. "Er hat auf mich einen absolut normalen Eindruck gemacht, durchschnittlich und umgänglich", sagt Raufeisen. In schwarzem T-Shirt und Trainingshose führten Ermittlungsbeamten den 57-Jährigen beim Ermittlungsrichter vor. "Er sieht nicht aus wie der typische Serientäter", sagt Raufeisen.

Aber Michael K. könnte einer gewesen sein. Weil ihn einmal ein Autotransporter fast von der Straße gedrängt haben soll, begann er zu schießen.

Aus dem Gegenverkehr oder beim Überholen. Die Schwerpunkte seiner Tataen waren die Autobahnen A3, A4, A5, A6, un A61, zwischen Aachen im Westen und Nürnberg im Osten und Köln im Norden und Karlsruhe im Süden. Knapp 1100 Kilometer STraße, knapp 1100 Kilometer Tatort. "Ein mobiler Tatort", sagt Raufeisen, deshalb war die Ermittlung so schwierig. Die Ermittler setzten "Automatisierte Kennzeichenlesesysteme" ein, scannten tausende Nummernschilder. Mitte April dann der Durchbruch: sechs Beschüsse mit 9-Millimeter-Munition. Drei der Schüsse fielen am 15. April, für die Ermittler eine breite Datenbasis in einem engen Zeitfenster.

Nach dem Abgleich mit den Daten aus drei Opferfahrzeugen blieb am Ende nur ein Lkw übrig - der von Michael K.

BKA-Chef Jörg Ziercke sagte am Dienstag: "Wir haben die berühmte Nadel im Heuhaufen gefunden." Die Vorwürfe von Datenschützern wies Ziercke zurück. Wenn keine Schüsse gemeldet wurden, seien die Daten nach zehn Tagen ungelesen gelöscht worden.
Am Sonntagmorgen stürmten Spezialkräfte das Haus des mutmaßlichen Schützen in der Eifel. Michael K. soll sich unter anderem wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. mit dpa