Stadt der Hundertjährigen: Hier in Franken werden die Menschen so alt wie sonst nirgendwo

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Die Frage, wie gesund Frankenwein und Schäufele sind, beantwortet die Statistik nicht. Auch nicht, warum Würzburg beim Anteil der über 100-Jährigen heraussticht. Eine Spurensuche.

Mediterranes Klima, Frankenwein in Hülle und Fülle, eine liebliche Landschaft zum Spazierengehen, ein vielfältiges Angebot an Gesundheitseinrichtungen: Hat Würzburg beste Voraussetzungen für ein langes und erfülltes Leben? 

Ein Blick in die Daten des Statistischen Bundesamtes auf der Grundlage neuer Zensus-Erkenntnisse legt dies nahe. "Würzburg ist anteilig betrachtet mit 4,6 Personen pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner die Stadt mit den meisten über 100-Jährigen", berichtet eine Sprecherin der Behörde mit Sitz in Wiesbaden. Genau 60 Menschen jenseits der 100 waren zum Stichtag am 15. Mai 2022 erfasst - bei etwa 131.000 Bürgern. Laut dem Zensus 2011 gab es in der Mainstadt lediglich 42 Menschen Ü100, bei rund 124.000 Einwohnern.

Rosenheim in Bayern auf letztem Platz

In Rosenheim am anderen Ende Bayerns lebte 2022 dagegen ein Anteil von nur 0,8 Personen je 10.000 Einwohner über 100: Die Stadt, die gut 63.000 Bürger hat, liegt der Statistik nach mit genau 5 Menschen älter als 100 Jahre im Ranking der kreisfreien Städte hinten. 

Im Vergleich der Bundesländer landet das Flächenland Bayern bei der Anzahl der über 100-Jährigen ebenso auf dem letzten Platz. Auf 10.000 Einwohner kommen nur 1,7 Menschen, die das biblische Alter erreicht haben - in Zahlen waren das am Stichtag 2.278 Männer und Frauen. Der Stadtstaat Hamburg liegt mit 450 Menschen (2,5 Personen je 10.000 Einwohner) im Länderranking vorn.

Der Zensus liefert Daten, die für Kommunen wichtig sind, etwa weil die Einwohnerzahlen bei der Verteilung der Mittel des kommunalen Finanzausgleichs eine Rolle spielen. Für den jüngsten Zensus wurden Daten, die in der Verwaltung ohnehin vorliegen, etwa beim Einwohnermeldeamt, durch die Erhebung aktueller Informationen ergänzt. Rund 100.000 Interviewer befragten bundesweit dafür zufällig ausgewählte Menschen am Wohnort. Eine zweite Befragung betraf den Gebäudebestand und die Wohnsituation in Deutschland und lief schriftlich ab. 

Suche nach 100-Jährigen erschwert

Da der Zensus auf den Melderegistern aufbaut, wird im Zensus die Existenz und Wohnadresse nochmals bestätigt. Damit sind die Zensus-Ergebnisse für die demografische Angabe die verlässlichste Quelle. "Die zum Zensus-Stichtag am 15. Mai 2022 festgestellten Personen, die 100 Jahre oder älter sind, machen in Deutschland nur etwa 0,02 Prozent der Bevölkerung aus", erklärt eine Referentin des Statistischen Landesamtes in Fürth. Das bedeute, dass es in vielen Regionen, insbesondere in kleineren, nur wenige betroffene Personen gebe. 

"Wenn die betrachtete Einheit relativ klein ist, ist der Anteil des Merkmals in dieser kleineren Gruppe besonders anfällig für zufällige Schwankungen." Sprich: Schon eine kleine Änderung in der Zahl der Betroffenen könne den Anteil der Personen deutlich beeinflussen. Daher lasse es sich auch nicht mit Sicherheit sagen, wo in Deutschland die Menschen besonders alt werden. Der Anteil der 100-Jährigen zeige lediglich, "wo gemessen an der Gesamtbevölkerung anteilig die meisten Menschen in dieser Kategorie leben", erläutert die Expertin. 

"In einem Kreis kann also die Lebenserwartung besonders hoch ausfallen, und gleichzeitig kann der Anteil von Menschen im hohen Lebensalter gering sein, wenn der Anteil junger Menschen zum Beispiel sehr hoch ist." Die Anzahl der 100-Jährigen könnte daher theoretisch auch gleich bleiben und sich das Verhältnis trotzdem verändern, wenn sich die Zahl der Menschen unter 100 Jahren ändere.

Wohin nun - Rosenheim oder Würzburg?

Ob es daher tatsächlich so ist, dass man in Würzburg tendenziell älter wird als anderswo, lässt sich also nicht mit Sicherheit sagen, wie der Direktor des Instituts für Psychogerontologie der Uni Erlangen-Nürnberg, Frieder Lang, erklärt. Zwar gebe es in Rosenheim selbst offenbar etwas weniger 100-Jährige als woanders, womöglich aber mehr im Umland der oberbayerischen Stadt, die nur halb so viele Einwohner wie Würzburg habe.

Nach Daten des Statistischen Landesamtes ist der Anteil der 98- und 99-Jährigen in Rosenheim höher als im Bundesdurchschnitt, während der Anteil der Menschen im Alter von 100 Jahren und älter deutlich niedriger ausfällt. "In den Daten-Veröffentlichungen im Zensus werden diese Anteile bereits nicht mehr angegeben, da sie aufgrund der geringen Fallzahl nur eine begrenzt zuverlässige Einordnung bieten können", erläutert die Behördenexpertin aus Fürth.

Im Zensus würden zwar soziodemografische Informationen erhoben. "Diese lassen allerdings keinen Rückschluss auf die genetische Disposition und Lebensweise sowie Biografie der jeweiligen Person zu. Wir haben also keine Informationen über viele Faktoren, die in der Wissenschaft mit Langlebigkeit verbunden werden."

Rezept für ein langes Leben

Die Mainstadt bietet nach Aussage des Alterspsychologen Lang gleichwohl Annehmlichkeiten, die ein langes Leben befördern könnten. "Würzburg hat eine sehr gute Gesundheitsversorgung." Mehrere Krankenhäuser mit Rundumversorgung von der Geburt bis zum Tod, dazu ein Universitätsklinikum sowie geriatrische Häuser. "Mit all seinen Einrichtungen für eine solche kleine Stadt ist Würzburg in der medizinischen Versorgung und Gesundheitsversorgung wirklich sehr, sehr gut aufgestellt."

Für ein langes Leben braucht es nach Langs Worten neben einer guten Gesundheitsversorgung zudem eine gesunde und proteinreiche Ernährung, ausgewogene Bewegung gegen Muskelschwund und gute soziale Beziehungen. "Ältere Menschen brauchen Freude am Leben, damit sie überleben können. Und das wird in der medizinischen Forschung gelegentlich vernachlässigt", sagt der Wissenschaftler. 

Zudem sei Gemeinschaft wichtig. "Wer Oma und Opa liebt, der kümmert sich." Man wisse aus vielen Studien, dass die ältesten Menschen oft ein ungewöhnlich fürsorgliches, liebendes Umfeld haben. Aber es liege nicht allein in der Verantwortung der Verwandten. "Es kommt auch auf den Lebenswillen derer an, die schon sehr alt sind, denn es ist für keinen einfach."

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