Das soziale Netzwerk Facebook will für die Verbreitung verleumderischer Inhalte kein Schmerzensgeld an den syrischen Flüchtling Anas Modamani zahlen.
Das soziale Netzwerk Facebook will für die Verbreitung verleumderischer Inhalte kein Schmerzensgeld an den syrischen Flüchtling Anas Modamani zahlen. Der Anwalt des US-Konzerns, Martin Munz, schloss eine Zahlung an den Kläger vor dem Würzburger Landgericht am Montag kategorisch aus. Modamanis Anwalt Chan-jo Jun hatte die Justiz angerufen, um eine einstweilige Verfügung gegen Facebook zu erreichen. In der mündlichen Güteverhandlung sagte Munz, eine Schmerzensgeldzahlung für Beiträge von Nutzern, die unverändert veröffentlich worden seien, komme auch "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nicht in Betracht".
Konkret ging es in der Verhandlung um auf Facebook veröffentlichte Bilder, die Anas Modamani mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2015 zeigen. In diversen Beiträgen wird Modamani unterstellt, an islamistischen Terroranschlägen in Brüssel oder zuletzt auch am Berliner Breitscheidplatz vor Weihnachten beteiligt zu sein. Der US-Konzern hat laut Jun die gemeldeten Beiträge trotz Meldung nicht gelöscht, sondern nur für deutsche Nutzer geblockt. Mit wenigen technischen Kniffen seien sie in Deutschland nach wie vor abrufbar, im EU-Ausland auch. Solche Verleumdungen seien überall in der EU strafbar, sagte Jun.
Nicht so kategorisch abgelehnt hatten die Anwälte die Forderung, die bislang gemeldeten verleumderischen Beiträge über Anas Modamani in der EU nicht nur zu blocken, sondern zu löschen. Hier müsse man sich "mit unserer Mandantin beraten", sagte Munz. Allerdings sei dies nur für bereits gemeldete Bilder möglich und die in Zukunft gemeldet würden; nicht aber für ähnliche Bilder, die in Zukunft über Facebook verbreitet würden. Die dafür nötige Software bezeichnete Rechtsanwalt Munz als "Wunderwaffe", die es noch nicht gebe. Dem widersprach Jun und verwies etwa auf Microsofts Anwendung "PhotoDNA".
Beide Parteien haben nun mehr als einen Monat Zeit, sich doch noch gütlich zu einigen - sollte dies nicht geschehen, will die Zivilkammer am 7. März eine Entscheidung verkünden.
Was war der Auslöser des Verfahrens?
Der syrische Flüchtling Anas M. wurde in zwei Facebook-Beiträgen verleumdet: In einem hieß es, er habe einen Obdachlosen in Berlin angezündet, im anderen wurde er mit dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche in Verbindung gebracht. Eingebaut in die Posts wurde ein Selfie, das er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemacht hatte - versehen mit einer Schlagzeile der Art "Merkel machte ein Selfie mit dem Täter". Die Beiträge wurden mehrere hundert Mal bei Facebook geteilt.
Warum zog Anas M. vor Gericht?
Er will erreichen, dass Facebook nicht nur die beiden verunglimpfenden Ausgangs-Beiträge löscht, sondern auch verpflichtet wird, alle Posts, in denen die falschen Aussagen weiterverbreitet ("geteilt") wurden, zu entfernen. Nach derzeitiger Praxis von Facebook muss ein Nutzer jeden Beitrag, in dem er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht, einzeln selbst an das Online-Netzwerk melden. Am Montag ging es zunächst um eine einstweilige Verfügung als Sofortmaßnahme, das Gericht traf jedoch keine Entscheidung und vertagte sich.
Geht es in dem Prozess um "Fake News" - oder eigentlich um etwas anderes?
"Fake News", also bewusst falsche Nachrichten, verbreiteten sich zuletzt unter anderem im US-Präsidentschaftswahlkampf. Zwei Falschmeldungen, nämlich die beiden unwahren Behauptungen über Anas M., sind Auslöser für den Prozess. Im Kern geht es aber um die grundsätzliche Frage, inwieweit ein Online-Netzwerk sich selbst auf die Suche nach rechtswidrigen und damit zu löschenden Informationen in seinen Systemen machen muss. Dabei kann es um alle Arten rechtswidriger Beiträge gehen - vom verletzten Urheberrecht an Bildern bis zur Volksverhetzung. Die beiden Ausgangs-Posts mit dem Bild des Flüchtlings wurden gelöscht, weil sie Persönlichkeitsrechte verletzen, nicht allein weil sie falsche Informationen enthielten.
Wie viel hat der Prozess dann mit der politischen Debatte um "Fake News" zu tun?
Nicht so viel. Denn Persönlichkeitsrechte zu verletzen - online wie offline -, ist nach der derzeitigen Rechtslage schon nicht erlaubt. Politische Vorstöße, die "Fake News" in sozialen Netzwerken verbieten wollen, zielen in eine andere Richtung: Dort geht es darum, Beiträge schon deshalb zu löschen, weil sie nicht der Wahrheit entsprechen. Der Prozess könnte aber auch auf diese Debatte Einfluss haben, weil er zeigen könnte, zu was Facebook nach derzeitiger Rechtslage schon verpflichtet werden kann.
In welchen Fällen machen sich Nutzer strafbar, wenn sie Beiträge teilen, die Persönlichkeitsrechte verletzen?
Eine Haftung sei immer dann möglich, wenn sie sich die fremde Falschmeldung inhaltlich zu eigen machten, erklärte der auf Internet-Recht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke. "Nutzer, die eine Falschmeldung mit einem unterstützenden Kommentar versehen, können also auch rechtlich für eine Falschmeldung verantwortlich gemacht werden." Ob das reine Weiterverbreiten ohne zusätzliche Kommentierung eine Rechtsverletzung darstellen kann, sei dagegen höchstrichterlich noch nicht geklärt.