Würzburg
Glaubensfrage

Das Universelle Leben in Unterfranken vor dem Aus?

Die "Christusfreunde" konzentrieren sich aufs Geldverdienen. Konflikte sind selten geworden. Niemand weiß, was los ist im "Friedensreich" Gabriele Witteks.
Grafik: Heike Grigull
Grafik: Heike Grigull
Einst noch vom Magazin ,Stern" als Deutschlands gefährlichste Sekte einsgetuft, ist das Universelle Leben (UL) derzeit kaum mehr als ein Schatten seiner selbst. Das schreibt Michael Fragner in einem Beitrag in den "Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern". Fragner ist Pfarrer von Geroldshausen im Landkreis Würzburg, früher war er in gleicher Funktion in Michelrieth im Landkreis Main-Spessart tätig, wo viele Anhänger der UL-Prophetin Gabriele Wittek leben und eine "Naturklinik" betreiben.

Pfarrer Fragner hat beim UL nach Jahrzehnten "überbordender Aktivität" zuletzt "weitgehende Leere" beobachtet. In der "Sophia-Bibliothek" in Marktheidenfeld-Altfeld im Landkreis Main-Spessart traf er keine weiteren Besucher an. Und auf der Internetseite, wo vor wenigen Jahren noch "Unmengen an Inhalten" abrufbar gewesen seien, beschränke man sich mittlerweile auf wenige Links. Außerdem habe das UL europaweit "Begegnungsorte" geschlossen, und bei UL-Fernsehsendern wie "Gabriele-TV" seien, Zitat Fragner "wie in einer Endlosschleife blutleere Gesprächsrunden alternder Märchenerzähler" zu sehen.

Fakt ist: Wer die Internetseite der Klinik aufruft, landet im Gegensatz zu früher auf einem virtuellen Formular. Ein für alle möglicher Einblick in die angebotenen Therapien und deren Preise sowie ein Blick auf die Klinik und deren Ausstattung sind nicht möglich.

Ähnlich dürftig sieht die Internetseite des UL aus. In der kurzen Selbstdarstellung heißt es: "Im Universellen Leben geht es nicht darum, Menschen zu Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft zu machen." Das dürfte zahlreiche Menschen erzürnen, die sich in der Vergangenheit seelisch und materiell gebunden und am Ende ausgebeutet fühlten.

Überall, wo es in den vergangenen Jahrzehnten heftige Konflikte um die Ansiedlung von "Christusfreunden" gab, ob in Hettstadt, Greußenheim (Landkreis Würzburg) oder Michelrieth, ist es still geworden um die Gemeinschaft. Die Posaune Gottes - so nennen ihre Anhänger UL-Prophetin Gabriele Wittek - ist seit Jahren verstummt.

Die 83-Jährige ist mittlerweile so etwas wie das Phantom einer Prophetin: Einmal heißt es, Wittek sei durch Michelrieth chauffiert worden, dann soll sie hinter den verdunkelten Scheiben eines Geländewagens auf der Zufahrt zum Hofgut "Terra Nova" bei Greußenheim gesichtet worden sein. Es gibt Leute, die wissen wollen, Wittek habe nach wie vor alles unter Kontrolle beim UL. Andere glauben fest, die alte Frau sei längst gestorben.


Kreuzzug mit Paragrafen

Anders als früher erregen die "Christusfreunde" kaum noch Aufsehen. Demonstrationen wie die, bei der Hunderte Jagdgegner unter anderem durch Würzburg marschierten, liegen viele Jahre zurück. Die aggressive Polemik mit Flugblättern und Plakaten gegen "Lusttöter" (Jäger, d. Red.), Amtskirchen und kritische Medien ist nur mehr in der Erinnerung lebendig.

Der Kreuzzug mit Paragrafen, die UL-typische Flut von Gerichtsverfahren gegen missliebige Personen und Institutionen, ist abgeebbt. Was auch, aber nicht allein dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass mit Christian Sailer 2012 und mit Dominik Storr 2016 zwei renommierte Juristen mit der sich urchristlich nennenden Gemeinschaft brachen. Etwas Wirbel verursachte zuletzt nur noch der Kampf von "Gut Terra Nova" gegen eine Windkraftanlage in der Nähe des Hofguts.

Aus alledem kann man wie Fragner folgern, das Universelle Leben liege im Sterben. Doch nicht nur im Sprichwort leben Totgesagte länger. Die notorische Angriffslust der von Kritikern als Sekte eingestuften Gruppierung scheint erlahmt zu sein. Solange der Rubel rollt, bildlich gesprochen, lässt sich davon gut leben, jedenfalls auf der Führungsebene. Mit den am Markt etablierten, von Anhängern der Gemeinschaft geführten und kräftig beworbenen "Christusbetrieben" lässt sich Geld verdienen.

Geld kommt nicht nur durch die Produkte aus nach eigenen Angaben "friedfertigem Anbau" in die Kassen, sondern auch durch Spenden, die vor allem die "Internationale Gabriele-Stiftung" eintreibt, um "Land für Tiere" und "Lebensraum Wald" zu erwerben. "Die kaufen und tauschen noch immer, was sie kriegen", sagt Greußenheims Bürgermeisterin Karin Kuhn, die das "Friedensreich" des UL wachsen sieht: Ein Hunderte Hektar großes Reich, das weit um "Gut Terra Nova" herum Zäunen und anderen Barrieren durchziehen. Tilman Toepfer