Fast 10.000 Sparkassen-Kunden erhalten Kündigungsbrief - Bank spricht von "Ultima ratio"

Knapp 10.000 von insgesamt rund 210.000 Kundinnen und Kunden der Sparkasse Nürnberg finden dieser Tage ein Schreiben im Briefkasten, das in vielen Fällen für ungläubige Gesichter sorgen dürfte. Gegenüber inFranken.de bestätigt eine Sprecherin der Bank: Das Geschäftsverhältnis wurde den Betroffenen bis zum 31. Dezember 2022 gekündigt. Hintergrund sind Änderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem April 2021 begründet sind.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hatte damals gegen die Postbank geklagt, weil deren AGB Klauseln enthalten hatten, nach denen unter anderem Preiserhöhungen nicht aktiv zustimmungspflichtig waren. "Bis dahin war es Usus und auch bei uns der Fall, dass eine stillschweigende Zustimmung vorausgesetzt wurde, wenn der Kunde nach zwei Monaten keinen Widerspruch eingelegt hat", erläutert die Sprecherin der Sparkasse Nürnberg.
"Unangemessene Benachteiligung" der Kunden: BGH-Urteil zu Banken-AGB - Zustimmung oder nicht?
Das für die Finanzbranche laut Sprecherin "überraschende" Urteil des BGH: Diese "fingierte Zustimmung" sei eine "unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners" und damit rückwirkend unwirksam. Im Oktober 2020, also sieben Monate vor der Verkündung des Urteils, habe es eine Erhöhung der Girokontopreise der Sparkasse Nürnberg gegeben, der die Kunden nach damaliger juristischer Auffassung der Bank nicht zustimmen mussten. "Im August 2021 haben wir dann alle Kunden angeschrieben und um Zustimmung zu den neuen AGB gebeten", so die Nürnberger Sprecherin.
Dies sei notwendig gewesen, da ohne Zustimmung "keine Geschäftsbeziehung vorhanden ist, wir dürfen dann auch keine Transaktionen des Kunden durchführen", so die Sicht der Sparkasse. Die Verbraucherzentrale Bayern hingegen rät, die neuen AGB vor einer Zustimmung genau zu prüfen. Denn hier geht man davon aus, dass gerade eine rückwirkende Zustimmung unter Umständen dazu führen könnte, dass Bank-Kunden und -Kundinnen Anspruch auf zu viel geleistete Gebühren verlieren könnten.
Hierfür sollten diese sich die Vertragsänderung und vergangene Kontoführungsgebühren, Entgelte für Ein- und Auszahlungen, Entgelte für Kontoauszüge sowie Entgelte für SMS-TAN-Verfahren genau ansehen - und der Bank dann eine entsprechende Entgeltaufforderung zukommen lassen. Wie die Sprecherin der Sparkasse Nürnberg erklärt, habe man allen Kunden und Kundinnen zu viel gezahlte Kontoführungsgebühren von Mai bis Juli 2021 erstattet.
Sparkasse Nürnberg: Kunden verlieren Rückerstattungsansprüche bei Zustimmung nicht
"Wir sind von dem Monat ausgegangen, in dem wir selbst von dem Urteil und den für uns neuen rechtlichen Voraussetzungen erfahren haben", erklärt die Sprecherin. Die Verbraucherzentrale Bayern betont derweil, dass Rückforderungen von mindestens drei Jahren gültig gemacht werden können. Der Verbraucherzentrale Bundesverband ist der Meinung, dass Ansprüche sogar "erst verjährt sein sollten, wenn sie mehr als 10 Jahre zurückliegen", hierzu liefen aktuell Feststellungsklagen. Wie die Sparkassen-Sprecherin betont, seien Rückerstattungsansprüche bei rückwirkender Zustimmung zu den AGB nicht verloren - automatisch bekäme man diese aber nicht erstattet.
"Wenn jemand Ansprüche geltend macht, die über die drei Monate hinausgehen, dann werden diese selbstverständlich von uns bearbeitet und geprüft", sagt sie gegenüber inFranken.de. Dabei gehe man von einer "dreijährigen Verjährungsfrist laut BGB" aus. "In diesem Zeitraum hatten wir die Preisanpassung von Oktober 2020, das bedeutet, dass unter Umständen Ansprüche von diesem Zeitpunkt bis April 2021 geltend gemacht werden können." Dabei handle es sich jedoch um sehr wenig Geld, so die Sprecherin, "da sind wir vielleicht bei ein paar Euro".
Auch wer jetzt eine Kündigung im Briefkasten finde, "habe immer noch die Chance, zuzustimmen", sagt sie. Diese sei "nach sehr vielen Versuchen, die Kunden am Bankautomaten, online und per Berater zu erreichen", die "Ultima ratio", sprich der einzige übrig gebliebene Weg gewesen. Viele der Briefe der Sparkasse Nürnberg, die nach dem Urteil an die Kundschaft gegangen seien, seien "vermutlich als Werbung wahrgenommen worden und sind in den Müll gewandert". Es sei der Bank wichtig, "dass mit den aktuellen Schreiben keine Angst erzeugt wird", so die Sprecherin. Die Kündigung sei die "Ultima ratio". Die Hoffnung, dass viele Kunden bleiben, sie ist hier groß.