Wo genau der Schädlingsbefall im Flüchtlingsheim aufgetreten sein soll, geht aus dem Brief der Geflüchteten nicht eindeutig hervor. "Für die Reinigung der Privatzimmer sind die Bewohner selbst verantwortlich", hält Wolfrum fest. "Für die Gemeinschaftsräume sind drei Reinigungskräfte zuständig." Zusätzlich komme seit Beginn der Corona-Pandemie zweimal pro Woche eine externe Putzfirma in die Unterkunft. In der Quarantänezeit vom 30. Juli bis 15. August sei die Reinigung durch die Fachfirma auf dreimal die Woche ausgeweitet worden. Gleiches gelte für die derzeitige Quarantäne.
Flüchtlingsunterkunft gilt offiziell als schädlingsfrei
Aus den entsprechenden Unterlagen gehe indes hervor, dass die Unterkunft in der Schloßstraße seit Ende 2019 von Schädlingsbefall betroffen gewesen sei. Seit Januar 2020 gelte die Immobilie jedoch offiziell als schädlingsfrei. "Wenn neuer Befall auftritt, werden Maßnahmen ergriffen", erklärt der Sozialamtsleiter.
Aktuell sei ein Kammerjäger regelmäßig einmal im Monat vor Ort, da es keinen akuten Befall in den Gemeinschaftsflächen gebe, der eine höhere Besuchsfrequenz rechtfertige. Die Protokolle der Schädlingsbekämpfung zeigten, dass in Bezug auf kriechende Insekten in den Gemeinschaftsflächen im gesamten Jahr 2020 kein Befall festgestellt werden haben können.
Laut Betreiber habe es vereinzelt Bewohner gegeben, die in ihren Zimmern über Schaben geklagt hätten. In diesen Fällen sei die Schädlingsbekämpfung außerhalb ihrer wiederkehrenden Einsätze durch den Betreiber eingeschaltet worden. Laut Betreiber seien dann speziell in Bezug auf diese Zimmer Gegenmaßnahmen ergriffen worden.
Unterkunft "nicht annähernd voll belegt"
Dem Unmut der Hausbewohner über die aus ihrer Sicht beengte Wohnsituation entgegnet Wolfrum, dass die Unterkunft mit aktuell lediglich 32 Prozent an Kapazität "nicht annähernd voll belegt" sei. Trotzdem könne Wolfrum durchaus nachempfinden, dass sich die Bewohner während der Quarantäne wie eingesperrt vorkommen. "Das ist zum Schluss aber eine häusliche Isolation, wie sie jeden von uns treffen kann."
Bewohner, die ein negatives Corona-Testergebnis erhalten haben und keine enge Kontaktperson der positiv getesteten Bewohnerin sind, haben laut Stadt Nürnberg die Möglichkeit erhalten, bis zum Ende der Quarantäne übergangsweise in ein anderes Gebäude zu ziehen, das sonst nicht belegt ist. 15 Personen sind demnach am 2. September in die Gemeinschaftsunterkunft am Schleifweg verlegt worden, 28 Personen haben das Angebot in den Schleifweg zu ziehen indes nicht wahrgenommen.
Eine Etage des Anbaus sei darüber hinaus als Quarantänetrakt - sechs Zimmer mit Küche und Bad beziehungsweise Toiletten - ausgewiesen worden. Alleinstehende Personen nutzten maximal zu zweit ein Zimmer, teilweise gebe es auch Einzelzimmerbelegung.
Linke-Stadträtin: "Ich habe nicht den Eindruck, dass sich da viel tut"
Hinsichtlich der Lebensbedingungen der Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in der Schloßstraße sieht die Nürnberger Linke keine Besserung in Sicht. Die Linke wirft der städtischen Verwaltung in diesem Punkt mangelnde Aktionsbereitschaft vor. "Ich habe nicht den Eindruck, dass sich da viel tut", sagt Stadträtin Kathrin Flach Gomez inFranken.de.
Die unter Quarantäne gestellten Bewohner litten demnach weiterhin unter den Zuständen in der Gemeinschaftsunterkunft. "Meines Wissens hat sich die Situation der Bewohner nicht verbessert. Die Menschen stehen noch immer unter Quarantäne. Ich glaube, viele sind ein bisschen am Resignieren."
"Respektvolles Verhalten vonseiten der Behörden und Mitarbeiter sollte eine Selbstverständlichkeit sein", betont Flach Gomez. "Die Bewohner jedoch berichten davon, dass sie respektlos und unfreundlich behandelt werden." Dies dürfe nicht sein, denn die Menschenrechte gälten für alle Menschen gleich, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Aufenthaltsstatus. "Genauso selbstverständlich muss daher neben den Umgangsformen auch die menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten sein."
Die Stadträtin will sich von der Wohnsituation in der Gemeinschaftsunterkunft in der Nürnberger Schloßstraße in Kürze persönlich ein Bild machen. "Ich plane, das Ganze einmal zu besichtigen, sobald die Quarantäne vorbei ist. Um mir selbst einen Eindruck zu verschaffen."
inFranken.de hatte bereits Anfang September von den Zuständen in dem Flüchtlingsheim berichtet.
Erstmeldung von 01.09.2020: Linke fordert Stadt Nürnberg zum Handeln auf
Die Nürnberger Linke hat an den Hygienezuständen, die in der städtischen Gemeinschaftunterkunft in der Schloßstraße herrschen, scharfe Kritik geübt. Die Linke fordert "eine menschenwürdige Behandlung" der derzeit mehr als 100 Bewohner. "Das Problem ist, dass zu viele Menschen auf engem Raum leben. Da ist es schwer, die Hygiene einzuhalten", sagt Linke-Stadträtin Kathrin Flach Gomez inFranken.de.
Nachdem eine Bewohnerin positiv auf Covid-19 getestet wurde, stehen alle anderen Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft unter Quarantäne. Und das schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen. Dies erschwere die Lage zusätzlich, meint die Stadträtin. "Wenn keiner raus darf, macht es das sicherlich nicht leichter." Die hygienischen Missstände hätten sich während der Quarantäne-Zeit zugespitzt. Der Stadträtin wurden von Flüchtlingen Fotos und Videos zugespielt, die Mäuse-, Mehlwürmer- und Kakerlakenbefall in der Einrichtung dokumentieren sollen.
Flüchtlingsunterkunft in Nürnberg - "solche Zustände sind untragbar"
"Solche Zustände in einer sogenannten Stadt der Menschenrechte sind untragbar. Die Menschen, die hier bei uns Schutz suchen, erfahren stattdessen Diskriminierung und Gleichgültigkeit", kritisiert Flach Gomez. "Da muss wirklich was gemacht werden für die Menschen vor Ort", lautet ihr Appell. Die Stadträtin fordert die zuständigen Stellen auf, die hygienischen Mängel zu beseitigen.
Im Gespräch mit inFranken.de räumt Nürnbergs Gesundheitsreferentin Britta Walthelm ein, dass es in der Einrichtung durchaus Probleme in Bezug auf Schädlinge gibt. "Es ist richtig, dass es in der Unterkunft schon Ungezieferfälle gegeben hat", bestätigt sie. "Soweit ich informiert bin, gab es auch Fälle mit Mäusen."
Die Gemeinschaftsflächen würden mehrfach pro Woche durch eine Spezialfirma gereinigt - auch während der laufenden Quarantänemaßnahmen. "Für die eigenen Zimmer sind natürlich die Bewohner selber verantwortlich." Ob sich die Ungezieferfälle auf Gemeinschafts- oder Privaträume erstrecken, ist unklar. "Wir überprüfen das gerade und gehen dem nach. Wir müssen jetzt erst einmal feststellen, was Sache ist." Aktuell sei eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamts - "eine Fachfrau für Hygiene" - nahezu täglich in der Flüchtlingsunterkunft vor Ort.
"Ob Abstände eingehalten werden, hängt von den jeweiligen Personen ab"
Die Kritik der Linken, Abstands- und Infektionsschutzmaßnahmen seien in der Einrichtung angesichts der hohen Bewohnerzahl nicht einzuhalten, weist die Gesundheitsreferentin indes zurück. So liege die gesetzlich erlaubte Kapazität einer derartigen Unterkunft bei 300 Personen. "Wir haben aktuell etwas mehr als 100 Bewohner. Das ist deutlich weniger." Mit Blick auf den nötigen Sicherheitsabstand nimmt sie zunächst die Flüchtlinge in die Verantwortung.
"Ob Abstände eingehalten werden, hängt - wie überall - von den jeweiligen Personen ab", sagt Walthelm.
Auch das Seniorenheim Langenzenn im Landkreis Fürth sah sich unlängst Kritik ausgesetzt. Die Hygienemaßnamen in der Einrichtung seien schon vor der Corona-Pandemie nicht eingehalten worden, kritisierte eine ehemalige Mitarbeiterin.