Nürnberg
Dramatische Momente

Nach anonymer Geburt reagiert Hebamme emotional: "Sie wollte ihr Kind nicht sehen" - nur Vater wusste Bescheid

Christine Maek ist am Klinikum Nürnberg als Hebamme tätig. Im März begleitete sie eine anonyme Geburt, nach der eine Mutter den weiteren Kontakt zu ihrem Kind konsequent abbrach. Ein emotionales Erlebnis, das Maek nachgehe.
Nürnberg: Hebamme erlebt emotionale anonyme Geburt - "sie wollte ihr Kind nicht sehen"
Christine Maek vom Klinikum Nürnberg ist seit 36 Jahren Hebamme. Vertrauliche und anonyme Geburten seien ganz besondere Erlebnisse. Foto: sippakorn/pixabay.com (Symbolbild); Christine Maek; Collage: inFranken.de
  • Nürnberger Hebamme betreut Mutter bei anonymer Geburt
  • Frau wollte eigenes Kind nicht mehr sehen: Nur Vater des Babys wusste Bescheid
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Ein in einer Babyklappe der Kreisklinik Roth abgelegtes, wenige Tage altes Kind hat im März viele berührt. Daneben gibt es für Frauen die Möglichkeit, ihr Kind unter medizinischer Aufsicht anonym zur Welt zu bringen und es gleich darauf abzugeben. Christine Maek arbeitet seit 27 Jahren am Südklinikum Nürnberg. Während ihrer Laufbahn als Hebamme habe sie von mehreren vertraulichen und anonymen Geburten mitbekommen. Sie selbst habe unter anderem eine Geburt selbst betreut, bei der eine Mutter ihr Kind auf die Welt brachte, ohne ihre Identität zu hinterlassen.

"Deshalb entschied sie, es anonym zu bekommen": Nürnberger Hebamme erinnert sich an besondere Geburt

Bei einer vertraulichen Geburt hinterlasse eine Mutter einen Teil ihrer Identität, damit das zur Adoption freigegebene Kind ab dem 16. Lebensjahr Kontakt zu ihr aufnehmen kann, erklärt Maek im Gespräch mit inFranken.de. Diese Option lege das Klinik-Team den Müttern ans Herz. Bei einer anonymen Geburt verlasse die Mutter das Krankenhaus ohne solch eine spätere Möglichkeit für das Kind. Diesen Fall habe Maek vor etwa drei Jahren erlebt.

"Es sind ganz schöne Schicksale dabei", leitet sie ihren Bericht ein. Sie als Hebamme sei häufig während der Geburt alleine mit den werdenden Müttern in einem Raum. "Da kommen wir natürlich ins Gespräch." Die Betroffene habe ihr berichtet, dass ihr drittes Kind schon nicht mehr geplant gewesen sei. Ein viertes sei der Familie nicht möglich gewesen. "Deshalb entschied sie, es anonym zu bekommen. Nur ihr Mann wusste davon", so die 58-Jährige. Drei bis vier Stunden nach der Entbindung sei die Frau bereits wieder nach Hause gegangen. "Sie wollte ihr Kind nicht sehen und ich habe es gleich aus dem Raum gebracht."

Die Stimmung der Verabschiedung sei selbstverständlich schwerer und "viel emotionaler", als bei einer üblichen Geburt. "Ich habe die Frau in den Arm genommen, ihr alles Gute gewünscht und angeboten, dass sich sie sich bei mir melden kann, wenn sie jemals wieder das Bedürfnis hat, darüber zu reden. Denn das hat uns jetzt verbunden", sagt sie zu dem intimen, bewegenden Erlebnis. Die Frau habe währenddessen einen rationalen Eindruck gemacht. Generell zögen solche Mütter die Entscheidung einfach durch. "Die Gefühle werden zur Seite geschoben." Dies sei Selbstschutz, wie Maek es einordnet. 

Stress und keine medizinische Versorgung bei Babyklappen - Hebamme wägt Möglichkeiten ab

Wie Maek annimmt, habe das gesamte Umfeld von der Schwangerschaft nichts mitbekommen. Dies sei durchaus möglich, wenn Frauen den Bauch gut kaschierten, andere Erklärungen für ihn entwickelten oder direkt wieder arbeiten gingen, ohne den Mutterschutz in Anspruch zu nehmen.

"Ich finde, es ist eine unglaubliche Leistung, ein Kind zu gebären, es wegzugeben und damit weiterzuleben. Sie konnte sich nur mit ihrem Mann austauschen. Es begleitet sie für den Rest ihres Lebens", so die Hebamme. Sie denke da an die Fragen, wo das Kind gerade sei, ob es ihm gut gehe und ob man es nicht doch hätte behalten sollen. Solche Erlebnisse nehme sie durchaus nach der Arbeitszeit mit und diese stimmten sie nachdenklich.

Maek spricht sich klar für die anonymen oder vertraulichen Geburten im Gegensatz zu Babyklappen aus. Das große Risiko bei letzteren sieht sie in der Sicherheit. "Dabei bekommt die Frau in der Regel das Kind ganz alleine irgendwo. Sie ist unversorgt, steht unter Stress und muss es vielleicht noch dazu vertuschen." Bei der anonymen und vertraulichen Geburt bekomme sie wenigstens medizinische Hilfe und die Kosten würden vom Bund übernommen.

Hebamme würdigt Entscheidung der Frau gegen Abtreibung - wo es Hilfsangebote gibt

In Deutschland existieren etwa 70 bis 100 Babyklappen. Sie werden lediglich geduldet, während die vertraulichen und anonymen Geburten gesetzlich geregelt sind. Dennoch seien sie immerhin eine Mindesthilfe als Alternative zu einer lebensbedrohlichen anderweitigen Entsorgung des Neugeborenen.

"Die Frau hätte das Kind auch abtreiben können", fügt sie hinzu. So aber habe sie ihm aber sein Leben geschenkt und eine Adoptivfamilie glücklich gemacht. "Denn dabei handelt es sich ja oft um Familien, die keine eigenen Kinder bekommen können", betont Christine Maek vom Klinikum Nürnberg abschließend.

Für weitere Informationen für Schwangere in ausweglosen Situationen empfiehlt sie die Aktion Moses vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. in Zusammenarbeit mit der Caritas Nürnberg und dem Klinikum Nürnberg. Hier finden beispielsweise Beratungen und Vermittlungen anonymer Entbindungen statt.