Leserfrage: Bekommen Flüchtlinge kostenlos Lebensmittel oder Busfahrten?

6 Min
Foto: Axel Heimken/dpa
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Auf Facebook gab es positive Kommentare zum Verhalten von real.
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Mit diesem Plakat hat real Deutschland auf Gerüchte in den sozialen Medien reagiert.
Mit diesem Plakat hat real Deutschland auf Gerüchte in den sozialen Medien reagiert.
 

Die Themen Asyl und Flüchtlinge bewegen unserer Leser. Viele sind unserem Aufruf gefolgt, ihre Fragen an uns zu schicken. Wir haben Verwaltungen, Ministerien und Experten um Stellungnahmen gebeten.

Da sich mehrere Fragen darauf beziehen, ob Flüchtlinge Vergünstigungen bekommen, haben wir die folgenden Fragen zusammengefasst und verschiedene Institutionen um Antworten gebeten.

Stimmt es, dass Flüchtlinge im real-Supermarkt Bamberg-Hallstadt kostenlos
Mineralwasser (lt. Marktleiter vom Staat finanziert) bekommen? Die Flüchtlinge schütten angeblich das Wasser gleich vor dem Markt aus und geben die Flaschen zurück, um das Pfand zu erhalten.

Stimmt es, dass Flüchtlinge kostenlos (Prepaid-)Telefonkarten bekommen, damit sie mit ihren Angehörigen in ihrer Heimat sprechen können?


Stimmt es, dass Flüchtlinge kostenlos mit dem Bus fahren oder ins Schwimmbad dürfen?

Wir stellten dazu am Montag, 18. Januar 2016, vormittags per Mail Anfragen an folgende Institutionen:

Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels / Antwort telefonisch am Montag um 12.30 Uhr, Sprecher Christian Böttcher:

"Wir kennen diese Aussagen aus den sozialen Medien. Aber ich kann für den deutschen Lebensmittelhandel sagen: Flüchtlinge werden behandelt wie jeder andere. Uns ist nicht bekannt, dass eine Supermarktkette kostenlos Mineralwasser oder Lebensmittel an Flüchtlinge abgibt. Das sind Gerüchte und ich finde es gut, dass Sie als Zeitung diesen Gerüchten entgegentreten."

Handelsverband Bayern / Antwort Dienstagvormittag von Sabine Köppel, Bezirksgeschäftsführerin für Bezirk Oberfranken, sowie am Mittwochvormittag von Bernd Ohlmann, Geschäftsführer und Sprecher des Verbands, jeweils telefonisch:

Köppel: "Mir ist nichts bekannt, dass Flüchtlinge kostenlos Mineralwasser bekämen. Da müssten sie viel Wasser ausschütten, damit sie einen ordentlichen Pfandbetrag zusammenbekommen. Von Bayreuth weiß ich, dass das Rote Kreuz Flüchtlinge mit dem Bus zum Supermarkt (überwiegend: real) fährt, damit sie dort von ihrem Taschengeld Dinge des täglichen Bedarfs kaufen können. Natürlich können Händler vor Ort selbst entscheiden, ob sie sich mit Sachspenden für Flüchtlinge engagieren."

Ohlmann: "Mir ist da bis jetzt nichts auf den Schreibtisch gekommen, dass Flüchtlinge kostenlos Mineralwasser oder Lebensmittel im Supermarkt bekommen. Jedoch engagieren sich viele Lebensmittelgeschäfte wie Edeka und Rewe mit Sachspenden wie Rucksäcken oder Lebensmittelpaketen. Da ist der Handel auch zur Unterstützung gefordert und wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass auf Kosten des Steuerzahlers staatlich Lebensmittel rabattiert werden. Das sind nur Gerüchte, die vor allem in den sozialen Medien gestreut werden."

real Deutschland / Antwort Dienstagmittag um 11.37 Uhr von Sprecherin Alja-Claire Dufhues per Mail:

"Sowohl in unserem Markt in Bamberg, als auch in unserem Markt in Hallstadt wurde kein Mineralwasser kostenlos vergeben oder Produkte günstiger an Flüchtlinge verkauft.

Leider kommt es im Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge immer wieder zu falschen Gerüchten, zum Beispiel das Flüchtlinge gegenüber anderen Kunden bevorzugt behandelt werden. Rund 100 unserer Märkte haben eine Flüchtlingsunterkunft in unmittelbarer Nähe. In den meisten Fällen führt dieses zu keinerlei größerer Resonanz. In einigen Fällen streuen jedoch seit Wochen Unbekannte böswillige Gerüchte in den sozialen Medien. Darauf haben wir jeweils mit einem Plakat reagiert und so ein deutliches Zeichen gegen die Hetzkampagnen gesetzt.

Über die Märkte kursieren zum Beispiel Meldungen auf Social-Media-Plattformen wie z.B. Facebook, dass Flüchtlinge Waren im Wert von bis zu 50 Euro stehlen dürfen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Oder, dass Asylsuchende bevorzugt behandelt würden. Auch hält sich das Gerücht hartnäckig, dass im Markt ab 20 Uhr nur noch Flüchtlinge einkaufen dürfen. Darauf mussten wir reagieren, schließlich sind sehr viele Kunden durch die gesamte Situation verunsichert und lassen sich schnell beeinflussen. Nicht nur die Märkte vor Ort, sondern auch das gesamte Unternehmen erhält bundesweit Lob in der Presse wie im Stern oder im Handelsblatt."

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg (BAMF) / Antwort Montagnachmittag um 15.37 Uhr von Sprecher Mehmet Ata per Mail:

"Das bayerische Sozialministerium bzw. die Regierung in Oberfranken kann Ihnen dazu sicherlich besser Auskunft geben als wir. Das BAMF ist nicht für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zuständig."

Auf Grund der Antwort des BAMF leiteten wir die Anfrage am Dienstag um 8.50 Uhr an das bayerische Sozialministerium, die Pressestellen der drei fränkischen Regierungsbezirke sowie an den bayerischen Flüchtlingsrat weiter.

Antwort der Pressesprecherin der Regierung von Mittelfranken, Ruth Kronau-Neef, am Dienstag um 12.08 Uhr per Mail:


"Aussagen zur Situation in Bamberg sind uns nicht möglich.

Kostenlose Einkaufsmöglichkeiten, der Bezug kostenloser Telefonkarten, kostenlose Busfahrten und Ähnliches für Asylbewerber in Mittelfranken sind uns nicht bekannt, wir halten sie auch für ausgeschlossen. Ähnliche Gerüchte sind aber immer wieder gerade auch in sozialen Netzen festzustellen. Auf Nachfrage berufen sich die Urheber solcher Gerüchte stets auf "Hörensagen". Aus unserer Sicht werden diese Gerüchte daher in der Regel entweder böswillig oder gedankenlos gestreut.

Ergänzend dürfen wir auf folgendes hinweisen:
In der Zentralen Aufnahmeeinrichtung besteht das Sachleistungsprinzip. Daher werden Getränke im Rahmen der Verpflegung kostenfrei ausgegeben. Gleiches gilt für die Ausgabe von Fahrkarten. Diese werden von uns nur dann zur Verfügung gestellt, wenn wir Asylbewerber von einer Unterkunft in die andere verlegen."

Antwort des Pressesprechers der Regierung von Unterfranken, Johannes Hardenacke, am Dienstag um 13.15 Uhr per Mail:

"Leistungen, die die Asylbewerber erhalten, sind grundsätzlich staatliche und in den Regelsätzen (Regelsatzbedarfsverordnung) beschrieben. Inwieweit Private/Unternehmen oder auch Kommunen zusätzliche freiwillige Leistungen gewähren ist unterschiedlich. Konkrete Erkenntnisse liegen uns dazu aber nicht vor."
Antwort einer Pressesprecherin des Bayerischen Sozialministeriums um 15.38 Uhr telefonisch:
"Das Sozialministerium wird zu diesem Thema keine eigene Antwort verschicken, weil die Regierungsbezirke die Fragen beantworten werden."

Antwort des Pressesprechers der Regierung von Oberfranken, Oliver Hempfling, am Donnerstag um 9.20 Uhr per Mail:

"Uns liegen keinerlei Informationen darüber vor, dass Supermärkte vergünstigte oder kostenlose Einkaufsmöglichkeiten für Asylbewerber anbieten. Erst recht haben wir keine derartigen Vereinbarungen mit Supermärkten geschlossen. Dies macht schon deshalb keinen Sinn, da in der ARE II (Ankunfts- und Rückführungseinrichtung für Asylbewerber, Anm. d. Red.) das Sachleistungsprinzip gilt. Getränke werden im Rahmen der Verpflegung ohnehin kostenfrei ausgegeben.

Genauso wenig haben wir Kenntnis von einer etwaigen kostenlosen Ausgabe von Telefonkarten.

Was kostenlose Busfahrten und sonstige Vergünstigungen für Asylbewerber (wie etwa verbilligter Eintritt ins Hallenbad) anbelangt, können wir nur auf die jeweilige Kommune verweisen (siehe Stadt Bamberg). Seitens der staatlichen Unterbringungsverwaltung werden hier keine zusätzlichen Leistungen gewährt. Dies auch deshalb nicht, da zur Verpflegung in der ARE II noch ein Taschengeld ausbezahlt wird, das für derartige Leistungen des täglichen Lebens gedacht ist.

Im Übrigen darf ich mich den Ausführungen der Regierung von Mittelfranken anschließen, dass derartige Gerüchte immer wieder, vor allem im Netz, gestreut werden, sich aber eben als haltlos, erfunden, ausgedacht erweisen."

Antwort einer Pressesprecherin des Bayerischen Sozialministeriums um 15.38 Uhr telefonisch:

"Das Sozialministerium wird zu diesem Thema keine eigene Antwort verschicken, weil die Regierungsbezirke die Fragen beantworten werden."


Antworten von Ben Rau vom bayerischen Flüchtlingsrat am Dienstag, 15.10 Uhr, per Mail:

Zum Thema Mineralwasser:

"Solche Geschichten gehören mittlerweile zum klassischen Repertoire rechter Bewegungen, um Stimmungen gegen Flüchtlinge zu machen. Ähnlich ist eine immer wieder kursierende Geschichte zu teuren Sportschuhen, die Flüchtlinge angeblich auf Kosten des Landratsamtes kaufen würden, zu horrenden Preisen.
Tatsächlich ist es so, dass Flüchtlinge Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, die sich an den Hartz IV-Sätzen orientieren, aber etwas darunter liegen. Unter diese Leistungen fällt auch die Verpflegung.
Für die Ernährung erhalten Asylsuchende laut Gesetz 128,46 Euro im Monat. Diese Leistung soll aber großteils in Sachleistungen ausgegeben werden, das Geld steht also ohnehin nur manchen Asylsuchenden zur Verfügung, die sich selbst verpflegen dürfen. Viele erhalten auch Essen aus der Kantine oder Essenspakete, wobei Qualität und Auswahl sehr zu wünschen übrig lassen."

Zum Thema Telefonkarten:
"Es wäre schön und wichtig, Flüchtlingen kostenfreie Kommunikation zu ermöglichen. Denn in einem fremden Umfeld, nach einer oftmals jahrelangen Flucht und häufig in Unkenntnis, ob es der Familie gut geht, ist es ungemein wichtig, mit Familie und Freunden sprechen zu können.
Auch diese Leistungen sind über das Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. 143 Euro erhalten Flüchtlinge monatlich, in der Regel in bar, für soziokulturelle Bedarfe. Dazu gehören Verkehr, Bildung, Freizeit und eben auch Kommunikation. Wenn man bedenkt, dass oftmals mehrere Behördengänge monatlich notwendig sind und von den Unterkünften zur jeweiligen Behörde oder auch zum Arzt oftmals hohe Kosten für Bus und Bahn anfallen und dann häufig noch Rechtsanwälte zur Unterstützung im Asylverfahren bezahlt werden müssen, ist das sehr, sehr wenig Geld.
Vielleicht gibt es ehrenamtliche Initiativen, die Gelder für Handykarten sammeln - dann wäre das angesichts der Situation eine sehr, sehr sinnvolle Initiative."

Zum Thema Vergünstigungen:
"Konkret haben wir hier keinen Überblick. In Städten kann es zum Beispiel aber der Fall sein, dass der ÖPNV bezuschusst wird oder caritative Einrichtungen Tickets an Flüchtlinge ausgeben.
Grundsätzlich gilt: Angesichts der Gesetzeslage und der niedrigen Sozialleistungen trotz vieler ungewöhnlicher Bedarfe braucht niemand Angst haben, dass Flüchtlinge übervorteilt werden. Im Gegenteil."

Anmerkung der Redaktion: Auf Nachfrage bei den Stadtwerken Bamberg bekamen wir zur Antwort, dass Flüchtlinge nicht kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können, aber zu einem reduzierten Eintrittspreis ins örtliche Schwimmbad dürfen.