Druckartikel: Tina aus Franken (33) mit Einblicken für Angehörige: "Wie fühlt es sich an, Krebs zu haben?"

Tina aus Franken (33) mit Einblicken für Angehörige: "Wie fühlt es sich an, Krebs zu haben?"


Autor: Isabel Schaffner

Schwabach, Mittwoch, 11. Sept. 2024

Die gebürtige Schwabacherin erkrankte mit Ende 20 an Brustkrebs. In dieser Zeit versuchten ihr Mitmenschen gut zuzureden, doch das ging in ihrer Wahrnehmung oft nach hinten los. Mit intimen Einblicken in ihre Krebs-Erfahrungen will Tina deshalb Aufklärung leisten.
"Krebs assoziierte ich vor meiner Diagnose immer mit Tod. Ohne die Krankheit kleinreden zu wollen, weiß ich es heute besser. Ich bin der lebende Beweis", schreibt die Ex-Schwabacherin auf ihrem Instagram-Kanal cancer_life_balance.


In Schwabach geboren, zog Tina Rottmann später in einen Vorort von München. In der Landeshauptstadt arbeitete sie zusammen mit ihrem Verlobten in einer Firma für Projektentwicklung im Immobilienbereich. 2019 begann das Paar seine Hochzeit zu planen, als die damals 28-Jährige erstmals einen kleinen harten Knoten in ihrer Brust spürte. Beim Arzt wurde sie beruhigt, es sei nur eine Zyste, wie sie inFranken.de berichtet. Zwar dachte die junge Frau nicht an Krebs, doch sie spürte, "dass etwas anders ist". Auf der Suche nach Klärung wechselte Tina mehrmals ihre Ärzte, wie sie erzählt.

Letztlich verstrichen drei Jahre bis zur Diagnose - die Pandemie erschwerte die Arztbesuche zusätzlich, da sie nicht als Notfall angesehen wurde, erinnert sie sich. Schließlich bestand die gebürtige Fränkin bei einem Termin auf eine sofortige Untersuchung - der Knoten hatte da schon einen Durchmesser von sechs Zentimetern erreicht. "Mit einem Seufzen hat er eine Gewebeprobe entnommen und mir nach vier Tagen mitgeteilt, dass es metastasierter Brustkrebs ist", hält Tina mit Blick auf ihren damaligen Arzt fest. "Ich solle mich ins Krankenhaus begeben. Dann hat er sich in den Urlaub verabschiedet", denkt sie an die schlimme Zeit der Diagnose zurück. 

"Ist doch gut, wenn das Zeug endlich rauskommt": Diese Sätze bekam die Schwabacher Krebspatientin zu hören

Ein Ärzteteam habe sie daraufhin als Palliativpatientin eingestuft und angekündigt, den Tumor so weit es noch geht, einzugrenzen. "Dann kam meine spätere Ärztin und hat alles umgeschmissen und gesagt: 'Nein, wir kriegen Sie gesund.'" Obwohl Tina sich schon mit dem Palliativweg abgefunden hatte, sagte sie schließlich doch einer Chemotherapie zu. Am 27. Juli 2021 erstellte sie ihren ersten Post auf Instagram dazu. "F*CK cancer. Konzentriere mich für eine Weile auf die echte Tina hinter den Fotos." Auch Patrick (38) aus Nürnberg leidet an Krebs - jedoch unheilbar. Vor wenigen Wochen veranstaltete er ein letztes Fest.

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Zu Beginn von Tinas Chemotherapie wuchs der Tumor erst weiter. Es folgte später eine weitere zwölfwöchige Chemotherapie sowie eine Antikörpertherapie, die letztlich endgültigen Erfolg bringen sollte, wie die heute 33-Jährige aufzählt. Niemand ihrer Mitmenschen im engeren Kreis habe bisher Berührungspunkte mit Krebs gehabt. Deren gut gemeinten Zusprüche seien oft nach hinten losgegangen, konstatiert Tina. Sie spricht beispielsweise den Satz "Du bist so stark" an. "Das hat mich getroffen, weil ich mich überhaupt nicht stark gefühlt habe. Man kommt ja aus der Situation nicht raus und kann nur diesen einen Weg gehen."

Wenn Menschen diese "Phrase" dann auch noch per Karte verschickten und wegen des "unangenehmen Themas" sich ein halbes Jahr nicht mehr meldeten "und nichts dahinter steckt, fühlt man sich doch sehr alleingelassen". Im näheren Umfeld habe sie ebenfalls folgende Sätze gehört: "Ist doch alles halb so wild. Brustkrebs ist gut heilbar, wie ein Anfängerkrebs", "Du bist ja noch so jung, dein Körper ist kräftig, das bekommst du hin" oder vor einer einschneidenden, sechsstündigen Operation, bei der ihr die Brust abgenommen wurde "Ist doch gut, wenn das Zeug endlich rauskommt."

"Sag' einfach nichts und halt' meine Hand" - Tina bezeichnet sich als "Krebsmuggel-Trainerin"

Sie schätze durchaus die Absicht, sie anzufeuern, erklärt Tina. "Aber man ist einfach am Ende seiner Kräfte. Sag' einfach nichts und halt' meine Hand", lautet die Reaktion der 33-Jährigen hierauf. Viele Patientinnen und Patienten machen demnach ähnliche Erfahrungen, wie die gebürtige Schwabacherin auf Instagram herausfand. In Amerika bezeichne der Begriff "Cancer Muggles" Menschen, die nicht viel über Krebs wissen. Mit dem Ausdruck (deutsch: Muggel), der ursprünglich aus den Harry-Potter-Büchern stammt, ist eine Person gemeint, die in etwas nicht eingeweiht ist oder von etwas keine Kenntnis hat. So nennt sich Tina auf ihrem Instagram-Account heute "Krebsmuggel-Trainerin".

Sie erinnert sich an den Beginn ihrer gedankenreichen Posts. "Immer wieder kam die Frage: 'Wie fühlt es sich denn an, Krebs zu haben?'" Um dies nicht immer wieder im Gespräch beantworten zu müssen und Kraft zu sparen, habe sie mit dem Blog begonnen. "Vielleicht hat man dann ein besseres Verständnis und reagiert anders", sagt sie zu ihrer Motivation. So verarbeitet sie beispielsweise in einem Beitrag die vielen Untersuchungen an ihrem Körper durch fremde Menschen: "Du versuchst diese Berührungen an deinen intimsten Bereichen über dich ergehen zu lassen. An keine neuen Befunde und Knoten zu denken. Und atmest jedes Mal erleichtert auf, wenn die Tuchfühlung ein Ende findet und du im allerbesten Falle noch eine lebensverlängernde Nachricht als Entschädigung erhältst."

Im Gespräch mit inFranken.de blickt sie auch zurück auf die erfolgreiche Antikörpertherapie: "Ab dem Moment habe ich fast gespürt, dass er von Tag zu Tag in sich zusammenfällt." Ein Leben lang werde sie mit den Folgen der Erkrankung und Nebenwirkungen, wie Osteoporose, zu tun haben, wie Tina mitteilt. Insgesamt brauche sie noch zehn Jahre lang eine Antihormontherapie. Zum Schluss teilt sie ihre Erkenntnis: "Man sollte immer seiner Intuition vertrauen und dran bleiben, wenn man das Gefühl hat, da stimmt was nicht." Fränkische Wissenschaftler forschen unterdessen an einer neuen Therapie gegen Krebs. Die ersten Ergebnisse sind offenkundig vielversprechend. Weitere Nachrichten aus Nürnberg und Umgebung findest du in unserem Lokalressort.