Im Rahmen des diesjährigen CSD in Nürnberg haben am Staatstheater am Donnerstagabend Politiker*innen mehrerer Parteien über Selbstbestimmung und das Transsexuellengesetz diskutiert.
Auf der Sommerbühne des Museums für Kommunikation und des DB-Museums in Nürnberg fand am Abend des 29.7.2021 eine Diskussion statt, die mit Blick auf die Bundestagswahl in weniger als zwei Monaten am 26.09.2021 durchaus Brisanz besitzt: Das Thema war die Abschaffung des Transsexuellengesetzes, das derzeit die Möglichkeiten zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen für trans Personen regelt.
Eingeladen hatten der CSD Nürnberg e.V. mit dem Staatstheater Nürnberg und Museum für Kommunikation Nürnberg. Das Import/Export-Café des Staatstheaters Nürnberg ist laut Seite der Veranstalter*innen ein Format für offenen Austausch, Perspektivwechsel und Horizonterweiterung. Jedes Café entsteht in Kooperation mit Vereinen und Initiativen aus Nürnberg. Die Veranstaltung fand auf der Sommerbühne im Museum statt. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung ist auf dem Youtube-Kanal des Staatstheaters Nürnberg zu finden.
Konsens - ohne die Union auf der Bühne
Auf der Bühne stellten die Moderator*innen Luca Fabièn Dotzler und Yascha Finn Nolting zunächst das Thema vor und gaben den Zuhörenden ein kurzes Glossar mit, um etwaigen Verständnisfragen im Lauf des Abends vorzubeugen - im Schnelldurchgang wurden ein paar grundsätzliche Begriffe wie Cis-Geschlechtlichkeit, trans* / inter* oder Sexualität /Geschlechtlichkeit geklärt.
Für die eigentliche Diskussion kamen queerpolitische Sprecher*innen fast aller größerer demokratischer Parteien auf die Bühne: Tessa Ganserer MdL (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Josephine Taucher (DIE LINKE), Alexander Irmisch (SPD) und Daniel Rene Bayer (FDP). Von der CSU war kein*e Vertreter*in anwesend.
Schnell wurde klar, dass unter den anwesenden Politiker*innen weitestgehend Konsens darin bestand, dass das Transsexuellengesetz (TSG), wie es derzeit besteht, den im Grundgesetz formulierten Grundrechten widerspricht und im krassen Gegensatz etwa zur persönlichen Entfaltung steht. Hier gab es - wohl auch aufgrund der fehlenden Unionsvertretung - kaum Raum für kontroverse Debatten, vielmehr stellten die Politiker*innen dar, inwiefern und an welcher Stelle besonders aus ihrer Sicht die derzeitige Regelung gegen Menschenrechte verstoße.
"Dieses Gesetz atmet einen sehr dunklen Geist schrecklicher Vergangenheit."
Etwas mehr Spannungen und unterschiedliche Ansichten gab es, als die Sprache auf die Abstimmung im Bundestag am 19. Mai kam. Damals hatten Grüne und FDP jeweils einen Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt, die beide jedoch an den Stimmen der Großen Koalition scheiterten. Gerade für den Vertreter der SPD auf dem Podium, Alexander Irmisch, keine einfache Situation in der Diskussion. Er tat sich sichtlich schwer, das Abstimmungsverhalten der Bundestagsfraktion der SPD gleichzeitig zu verteidigen oder wenigstens zu erklären und dennoch seine persönliche Meinung dazu kundzutun. Oder, um es mit seinen Worten zu sagen: "Ich bin verankert in der SPD, auch wenn das manchmal nicht einfach ist."
In eindrücklichen Gesprächsbeiträgen stellten die Diskutierenden auch die Geschichte der Gesetzgebung dar und es wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass das Transsexuellengesetz eigentlich seit seiner Schaffung im Jahr 1981 zumindest teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Bereits 1982 machte das Bundesverfassungsgericht Fußnoten zu dem Gesetz und machte kritische Anmerkungen. Tessa Ganserer, die im September für die Grünen in den Bundestag einziehen will, machte angesichts der Bestimmungen im Gesetz klar: "Dieses Gesetz atmet einen sehr dunklen Geist schrecklicher Vergangenheit." Konkret meinte sie damit die Regelungen im Gesetz, die vorsahen, dass Menschen erst dann vom Gericht ihr richtiges Geschlecht zugewiesen bekommen konnten, wenn sie nicht mehr zeugungsfähig waren. Ganserer erklärte, dass der Staat so bestimmte - ähnlich wie in "dunkleren Zeiten" - wer sich fortpflanzen durfte und wer nicht.