Autos und Heizungen pusten winzige Partikel in die Luft, deren Gefährlichkeit wohl lange unterschätzt wurde. Die unsichtbare Wolke tötet jedes Jahr mehrere zehntausend Menschen. Schärfere Grenzwerte werden immer nur gefordert.
"Wohlauf, die Luft geht frisch und rein." Das Frankenlied könnte manchem Sänger buchstäblich im Halse stecken bleiben, wenn er zur falschen Zeit am falschen Ort einen allzu tiefen Luftzug nimmt.
Denn nach mehrerer Jahren mit tendenziell sinkenden Werten ist die Belastung der Luft mit Feinstaub in den letzten Wochen wieder stark angestiegen. Das Umweltbundesamt und Mediziner schlagen Alarm.
450 Messstellen An 450 Messstellen im Bundesgebiet ermitteln die Umweltexperten die Feinstaubkonzentration in der Luft. 50 solcher Stationen gibt es in Bayern. In Franken wird der Feinstaub unter anderem in Nürnberg, Bamberg, Bayreuth, Kulmbach, Würzburg und in Schweinfurt gemessen, wie ein Sprecher des Landesamtes für Umwelt (LfU) in Augsburg erklärt.
Auf der Internetseite der Behörde kann sich jeder Bürger in Echtzeit informieren, wie frisch und rein die Luft ist:
www.lfu.bayern.de
Beruhigendes Blau Der Blick auf die Karte beruhigt erst einmal: Sie ist hell- bis dunkelblau, was für gute Luftqualität steht, rot wie vor vier Wochen sieht man derzeit nicht einmal in den Ballungsräumen. Doch die Statistik erzählt gerade beim Feinstaub nicht einmal die halbe Wahrheit. Die Werte sind "sehr von der Wetterlage abhängig", weiß man beim LfU. In der Regel wird der Feinstaub vom Wind verweht (das passiert sogar mit Saharastaub) oder vom Regen ausgewaschen. Ist es trocken und windstill, konzentriert sich der Dreck in der Luft.
Fachleute kritisieren auch den in der EU geltenden Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub. Andere Länder wie die Schweiz haben schärfere Regeln. Auch die Messmethode steht am Pranger: Der Staub wird gesammelt und gewogen. Das Gewicht ist aber nicht ausschlaggebend, sagt Michael Schmidt von der Poliklinik in Würzburg. "Die Größe der Staubpartikel ist entscheidend; je kleiner, desto gefährlicher sind sie."
47.000 Todesfälle? Nach aktuellen Studien sterben jedes Jahr bis zu 47.000 Menschen in Deutschland als Folge der Feinstaubbelastung. Joachim Heyder vom Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit warnt zwar vor "voreiligen Schlüssen", da viele Zusammenhänge nicht erforscht seien.
Er geht aber wie Schmidt in Würzburg davon aus, "dass wir seit Jahren das Falsche messen". Grenzwerte seien aber unbedingt sinnvoll: "Jeder Staub, der gar nicht erst entsteht, ist gut für Mensch und Umwelt."
Aktuelle Messwerte für Franken Wetter: Die kühle und regnerische Witterung hat die Luft in Franken erst einmal reingewaschen. Beim Feinstaub meldet das Landesamt für Umwelt in Augsburg gute bis sehr gute Luftqualität.
Oberfranken: In Bamberg wurden am Dienstag sechs Mikrogramm Feinstaub gemessen, einer der besten Werte in Bayern. Kulmbach meldete sieben Mikrogramm.
Mittelfranken: In Nürnberg und Fürth landeten jeweils 15 Mikrogramm Staub im Messbecher.
Unterfranken: Schweinfurt liegt mit 16 Mikrogramm im hinteren Mittelfeld Bayerns. Besser ist die Luft in Würzburg (14 Mikrogramm).
Dicke Luft in Nürnberg In Bayern herrscht vor allem in Regensburg und in Nürnberg dicke Luft. In den beiden Städten hat das Landesamt für Umwelt bereits an 27 und 20 Tagen zu viel Feinstaub in der Luft gemessen. Das ist außergewöhnlich zu einem so frühen Zeitpunkt im Jahr. Nach den EU-Vorschriften darf der Richtwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft nur an 35 Tagen im Jahr überschritten werden.
Trotz dieser Ausreißer ist die Luft in Bayern besser als in vielen anderen Bundesländern. Wie das Umweltbundesamt (UBA) meldet, können die Grenzwerte an etlichen Messstellen in diesem Jahr nicht eingehalten werden. Das betrifft vor allem die Großstädte und die Bundesländer im Osten. Spitzenreiter ist laut UBA die Messstelle in der Berliner Silbersteinstraße. Dort sei der erlaubte Tagesmittelwert 2014 bereits an 33 Tagen überschritten worden. An zweiter Stelle liegt eine Messstelle in Frankfurt (Oder) mit 32 Tagen.
Auch an Messpunkten in Leipzig und Halle lag die Belastung an 30 Tagen zu hoch. "Überschritten werden die Grenzwerte vor allem dort, wo viel Verkehr ist, in den Ballungsräumen", sagt der Feinstaub-Experte des UBA, Marcel Langner.
Folge der Energiewende? Nach seinen Worten ist das Staub-Problem vor allem auf die Witterung zurückzuführen. Der Winter war nicht nur sehr mild und trocken, sondern durch stabile Wetterlagen ohne großen Luftaustausch geprägt.
Einen Zusammenhang mit der Energiewende will das UBA nicht herstellen. Die Kohlekraftwerke im Osten Deutschlands liefern derzeit so viel Strom wie seit Jahren nicht mehr. Das UBA fordert vielmehr Maßnahmen im Stadtverkehr, etwa erweiterte Durchfahrtsverbote für Lastwagen.
Daten & Fakten Feinstaub: Die mikroskopisch kleinen Partikel entstehen bei allen Verbrennungsvorgängen von der Zigarette bis zum Hochofen. Die Wirkungen des Feinstaubs und Strategien zum Schutz vor den gefährlichen Teilchen werden erst seit wenigen Jahren gründlich erforscht. Ob die bislang geltenden Grenzwerte und die Vorschriften (Partikelfilter für Verbrennungsmotoren und Heizungen, Umweltzonen ...) ausreichen, ist in der Fachwelt stark umstritten.
Ozon: Der aus drei Atomen bestehende Sauerstoff wird in der Natur durch die Einwirkung energiereicher Strahlung aus normalem Sauerstoff (O2 = zwei Atome) gebildet; in Bodennähe entsteht Ozon durch die Reaktion von Stickoxiden in Abgasen mit dem Licht. Während die Ozonschicht in großer Höhe die Erde vor gefährlicher Weltraumstrahlung schützt, schädigt das bodennahe Ozon die menschlichen Atemwege.
Stickoxide: Reiner Stickstoff ist kein Problem - die Atemluft der Erde besteht zu 78 Prozent aus diesem farb- und geruchlosen Gas. Die zahlreichen Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen (NO-x), die unter anderem bei der Verbrennung entstehen und teilweise stechend riechen, greifen die Lunge an. Das bekannteste Stickoxid ist Lachgas, das früher als Betäubungsmittel verwendet wurde.
Schwefeloxid: Diese giftigen gase produziert nicht nur der Mensch durch die Verbrennung von Kohle und Erdöl. Auch Vulkane blasen Schwefelgase in die Luft, die als Hauptverursacher des "sauren Regens" und des Waldsterbens gelten. Wie "gründlich" Schwefeldioxid gilt, sieht man daran, dass das Gas zur Desinfektion verwendet wird. Es killt jeden Keim.
Kohlenmonoxid: Bei der unvollständigen Verbrennung organischer Stoffe entsteht das farb- und geruchlose Gas. Unbemerkt aufgenommen, verhindert es den Sauerstofftransport im Blut. Kohlenmonoxid-Vergiftungen verursachen die meisten Todesfälle bei Bränden.