Wie geht man mit emotional instabilen und aggressiven Jugendlichen um? Franz Will gab in Lichtenfels in einer Caritas-Fortbildung mit rund 20 Teilnehmern verschiedener Disziplinen eine klare Antwort.
Bei solchen Sätzen sollte man hellhörig werden: Ihm sei die 6 in der Schule egal, das sei sowieso alles nicht wichtig, nennt Franz Will ein Beispiel. So reden Jugendliche, die eigentlich ganz anders denken, sagt er. "Man soll ihnen das bloß nicht glauben." Denn das ist der erste Fehler. Wer sein Gegenüber erreichen will, muss es auch verstehen, wo sein Problem liegt - und in diesem Fall fängt es damit an, dass die Betroffenen sich nicht ausdrücken können.
Solchen Typus Jugendlicher finde man immer öfter, das sei ein Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen: "Wir haben heute mehr Freiheiten, aber auch weniger Sicherheiten." Und aus einer immer komplexeren Realität erwachse Frust, der zu einer Flucht in eine virtuelle Welt führe, etwa mit Gewaltfilmen und -spielen, die letztendlich auch zu einem Abstumpfen führe.
Fehlendes Einfühlungsvermögen wiederum blockiere die Selbststeuerung und führe zu einem impulsiven Verhalten. "Sie beißen in die Hand der Menschen, die ihnen helfen wollen", sagt Will. Und diese Menschen, eben Sozialpädagogen, hofften oft insgeheim darauf, dass ihre Schützlinge mit der Zeit "vernünftig werden".
Doch daraus entstünden zusätzliche Konflikte zwischen Pädagogen und den betroffenen Jugendlichen. "Ich spüre in unserer Gesellschaft schon so etwas wie einen Mangel an Empathie gegenüber solchen Fällen."
Aber ist Einfühlung nicht Billigung des Verhaltens, oder wechsele man einseitig auf die Seite der Jugendlichen? Nein, widerspricht Will. Denn hinter dem coolen Auftritt müsse man auch die Verzweiflung der Jugendlichen spüren, in deren Leben fast alles schief laufe. Dann öffne sich auch der Jugendliche für Kritik.
"Es ist natürlich viel einfacher, jemanden nur sein Fehlverhalten um die Ohren zu hauen", doch dann werde der Sozialarbeiter eine Art Feind. Wenn es nicht gelingt, diese Jugendlichen aufzufangen, kämen sie durchaus auf die schiefe Bahn.
Support (Unterstützung), Empathy (Einfühlung) und Truth (Wahrheit) - SET, hat Will diese Methode genannt.
Andrea Zellmer, die in ihrem Projekt "Meilenstein" strafffällig gewordene Jugendliche betreut, die oft durch solche persönlichen Defizite erst in diese Lage kommen, schätzt den Anteil solcher Jugendlichen in ihren Gruppen auf mehr als 50 Prozent. Aber die Probleme dieser Jugendlichen sind oft schon früher zu spüren. Caritas-Sozialpädagogin Monika Poglitsch macht auch Jugendsozialarbeit an Schulen, und dabei hatte sie auch schon solche Kinder erlebt, die später in Konflikt mit dem Gesetz kamen. Doch nicht alle Auffälligen landen vor dem Richter.
Der Leiter des Lichtenfelser Amtsgerichtes, Armin Wagner, sieht in präventiven Schritten die beste Möglichkeit, Jugendliche vor Straftaten zu schützen: "Unsere Jugend wächst in einer grenzenlosen Welt auf. Unsere vermeintlich liberale Welt hat ihnen Sicherheit genommen. Man muss ins Gespräch kommen", ist seine Erfahrung. Auch vor Gericht. Den Landkreis sieht er dabei auf einem guten Weg, eben durch die vielen Präventionsprojekte: 2001 habe es noch 300 Fälle im Jugendstrafrecht gegeben, im vergangenen Jahr seien es dagegen nur noch 144 gewesen.