Mit dem Projekt "Weltklassik" sollen etablierte Musiker nach Lichtenfels kommen. Alexey Chernov gelang am Klavier eine vielversprechende Premiere.
Bei Premieren zählt das Gesamtpaket: Wie viele Besucher, wie gut der Vorverkauf, wie gut der Künstler. Die Premiere von "Weltklassik am Klavier" verlief wohl zufriedenstellend. Das alte Jahr hielt somit noch etwas bereit, was sich im neuen Jahr etablieren soll.
Alexey Chernov (36) ist einer von sechs Musikern, die Lichtenfels durch den Winter und den Frühling bringen sollten. Im Abstand von Wochen und in der ehemaligen Synagoge. So saß der russische Pianist und Komponist am Kawai-Flügel, kein in seinen Gebärden schmerzhaft vergeistigter Könner, eher ein Sympathieträger, dessen Virtuosität unbestritten und in internationalen Wettbewerben vielfach ausgezeichnet ist. "Weltklassik am Klavier - Mozart und drei weitere Himmelsrichtungen der Klaviermusik!", so der Programmtitel.
Kleines Klassik-Mekka
Doch warum hier und warum überhaupt? Roberto Bauer, Herrenausstatter und Stilberater, erklärte das Neue und was dahinter steckt. An deutschlandweit 45 Standorten soll durch durch das Projekt "Weltklassik" aufstrebenden Virtuosen aus der Welt der Klassik eine Bühne und eine Verdienstmöglichkeit geboten sein. All das hat sich hauptsächlich über den Kartenverkauf zu tragen und Lichtenfels ist einer der 45 Standorte geworden, so Bauer, der im Raum Lichtenfels eine Art Sektionsleitung für Weltklassik einnimmt. Geht es nach ihm, könnte man so aus Lichtenfels "ein kleines Klassik-Mekka machen".
Baur, der auch in die Auswahl der in Lichtenfels auftretenden Künstler eingebunden ist, wusste über Chernov zu erzählen, dass man diesen "auf den Straßen Moskaus erkennen" würde. Und er sprach hinsichtlich des Veranstaltungsortes von Weltstars in Wohnzimmeratmosphäre, und tatsächlich erschien auch ein begeisterungsfähiges Publikum jenseits des Krawattenzwangs.
Wie moderat ist ein Allegro moderato? Auch wenn Wolfgang Amadeus Mozart die ungefähre Richtung im ersten Satz seiner Sonate Nr. 10 in C-Dur aus dem Köchelverzeichnis 330 vorgab, bleibt es dem Künstler überlassen, das umzusetzen. Chernov gestaltete, setzte Pausen und Synkopen, arbeitete beim Thema mit gewollten Verschleppungen und erfüllte den Raum mit Dramatik. Die Art und Weise, wie er Applaus entgegennahm, war von freundlicher Zurückhaltung; ein Mensch, der sich leise zu freuen schien, wenn es anderen gefallen hat.
Wucht und Inbrunst
Im anschließenden Andante cantabile wurde die Melodik des Abends im Grunde ausgeschöpft, denn was bei Liszt, Skrjabin oder Rachmaninow folgen sollte, war die Tonmalerei, war die Erfüllung des Raums mit Wucht, Inbrunst und Fragezeichen. Sind die rollenden Molltöne, die das Thema in Liszts Funérailles flankieren, als Bedrohlichkeit zu empfinden? Grandios auch, wie der Russe die schnellen Läufe des wirklich teuflischen Mephisto-Walzers bemeisterte, wie er mittels Tasten ein Gleichnis auf Zerrüttung und Weltgeschehen schuf oder die Chromatik bei Skrjabin auskleidete.
Einer, dem es unter den rund 100 Besuchern besonders gut in der ehemaligen Synagoge bzw. in Lichtenfels gefallen hat, ist Roland Mersburger aus Stein bei Nürnberg. Er hätte die Möglichkeit, mit Kitzingen die Nummer 24 der Aufführungsorte anzusteuern, entschied sich aber mit Lichtenfels für die Nummer 26. Erst recht für kommende Termine. "Nachdem ich das gesehen hatte und so beeindruckend fand", erklärt er zu seiner bisherigen Erfahrung mit dem Programm von "Weltklassik", werde es ihn wohl öfter in die Korbstadt führen.