Wie die deutsche Einheit in Oberfranken Fahrt aufnahm

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Heinz Gehring war von Amts wegen live dabei, als auf den Verkehrswegen zwischen DDR und BRD zur Grenzöffnung Unüberschaubarkeit herrschte. Das trug auch amüsante Züge, berichtete er in seinem Vortrag. Foto: Markus Häggberg
Heinz Gehring war von Amts wegen live dabei, als auf den Verkehrswegen zwischen DDR und BRD zur Grenzöffnung Unüberschaubarkeit herrschte. Das trug auch amüsante Züge, berichtete er in seinem Vortrag. Foto: Markus Häggberg

Ein CHW-Vortrag in Kloster Banz beleuchtete die Wiedervereinigung aus Sicht des ehemaligen Leiters des Straßenbauamts Kronach.

Eine Fernstraße hat die Breite von 5,5 Metern und ein Trabi von 1,75 Metern - das ist Spezialwissen. Heinrich Gehring ist Diplom-Ingenieur und hat so ein Wissen. Der Mann erlebte die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten auf direktem Wege. Dort, wo sich Straßen kreuzten, verbanden, instand gesetzt wurden.

Eigentlich hätte der Vortrag mit dem etwas sperrigen Titel "Die Grenzöffnung 1989 und die Wiederherstellung von Verkehrsverbindungen im Raum Kronach" zu dieser Zeit und an diesem Ort gar nicht stattfinden sollen. Der Freitag war laut CHW-Programm im Museum von Kloster Banz eigentlich dem Kölner Literaturwissenschaftler Ralf Czapla vorbehalten gewesen, der sich mit Bier in der Dichtung auseinandersetzt. Das aber platzte. Was nun? An dieser Stelle wusste der Weismainer CHW-Bezirksgruppenleiter zu intervenieren, und er kam mit der Banzer Museumsleiterin Brigitte Eichner-Grünbeck überein, jenen Mann aus Kronach vorzuschlagen, der vor 1989 Abteilungsleiter im Straßenbauamt Kronach war und aus Verkehrswegesicht erzählen konnte, wie die deutsche Einheit Fahrt aufnahm. Ein Thema, das Eichner-Grünbeck besonders am Herzen lag, befindet man sich doch in einem Jubiläumsjahr zur Wiedervereinigung. So gesehen läutete man im Museum das CHW-Programm zur Einheit ein.

Allerlei Ratlosigkeiten

Dass er Diplom-Ingenieur und kein Historiker ist, ist bei Gehring wahrlich kein Nachteil. Der Moment, als die Mauer fiel, kam aber auch für ihn an jenem Donnerstagabend des 9. November '89 überraschend. "Wahrscheinlich lag ich auf der Couch und habe ferngesehen", so Gehring, der vermutete, dass "es vielleicht schwere Kost" sein könnte, was er da bot. Es war auf jeden Fall komplexe Kost, denn die Zutaten reichten von abweichenden Verwaltungsstrukturen hüben und drüben bis zum Zustand der Straßen, von allerlei Ratlosigkeiten zu Befehlsvollmachten bis zur DDR-Mangelwirtschaft, die sich auch auf den Straßenbau erstreckte. Man wollte Verbindung schaffen, aber seit der Energieumstellung in der DDR auf Braunkohle war ein Bestandteil rar geworden, der von Asphaltmischanlagen dringend gebraucht wurde. Von Baumaschinen ganz zu schweigen. Also kam es vor, dass kurz nach dem Mauerfall Straßen in Thüringen seitens des Coburger Landkreises durch Bundesmittel instand gesetzt wurden, wobei durch Umtauschkurse auch ordentlich Geld verbrannt wurde.

Gehring gab gerne zu, dass es nicht einfach sei, für sein Thema so etwas wie den "roten Faden" zu finden, aber für eine Zeit, die über Wochen und Monate hinweg eh aus dem Ruder gelaufen zu sein schien, dürfte das auch schwer möglich sein. Der rote Faden war ja die Ratlosigkeit bei all den Umwälzungen, der rote Faden war aber auch das Anekdotische. So soll der Stockheimer Bürgermeister eine Verzögerung der Grenzöffnung zwischen Burggrub und Neuhaus-Schierschnitz verursacht haben, weil er zu Hause zu tapezieren hatte ("Sonst bekomme ich Ärger mit meiner Frau"). Und wer hätte auch gedacht, dass orangefarbene Warnwesten als Visum-Ersatz für oberfränkische Straßenbauer dienten, die im einstigen Todesstreifen Verbindungen zuwege brachten? Wohl beinahe 20 Besucher erlebten am Freitagabend eine Freude daran, ihm für gut 100 Minuten auf all die sich verzweigenden Wege zu folgen.