Mit dem Bau des neuen Postamtes kam 1897 eine neue Technologie in die Korbstadt, die aber an erheblichen Kinderkrankheiten litt.
Im Umkreis des Lichtenfelser Bahngeländes wurde 1897, etwas versteckt hinter einem großen Bahngebäude, das neue Postamt errichtet. 1970 wurde es für den Neubau der Pakethalle abgebrochen. Mit dem Bau des repräsentativen Baus fiel der Anschluss von Lichtenfels an das Telefonnetz zum 1. November 1897 zusammen.
Das Telefon verkörpert eine der wichtigsten zukunftsweisenden Innovationen: Das Kommunikationsnetz wurde, eingeleitet schon durch den Telegrafen, vollends unabhängig vom Verkehrsnetz. Man konnte Nachrichten übermitteln, ohne dass ein Mensch oder ein Gegenstand zum Ziel befördert werden musste.
Bereits 1893 hatte das Lichtenfelser Bezirksgremium für Handel und Gewerbe auf die Einrichtung einer öffentlichen Sprechstelle gedrungen. Doch erst vier Jahre später ging der Wunsch in Erfüllung. Zuversichtlich berichtete 1897 die Handels- und Gewerbekammer für Oberfranken (heute IHK): "Nachdem der Stadt Lichtenfels die Errichtung einer öffentlichen Telephonanlage von zuständiger Stelle zugesagt [ist] und sich auch bereits 22 Firmen zum Abonnement verpflichtet haben, so dürfte die Anlage gesichert sein. Da in Lichtenfels ein ausgedehnter und reger Exporthandel betrieben wird, so bitten die Interessenten, daß sie telefonisch mit den Städten: Coburg, Sonneberg, Frankfurt a./M., Mainz, Mannheim, Cöln, Bremen, Hamburg, Berlin, Leipzig und Dresden verbunden werden, denn dadurch würde die Anlage vollen Erfolg und größte Rentabilität erzielen."
Doch war aller Anfang schwer. Denn man konnte sich durch das Fräulein vom Amt keineswegs an alle Orte verbinden lassen. Es rächte sich nicht zuletzt die Autonomie Bayerns in Postangelegenheiten, während der Rest des Deutschen Reichs von der Reichspost versorgt wurde. So waren 1897 in Coburg, Sonneberg oder Köln "bayerische Ortstelephonanlagen überhaupt nicht zum Sprechverkehre zugelassen". Wegen Überlastungen des Leitungsnetzes war anfangs auch der "Sprechverkehr" mit Berlin und Frankfurt a. Main nicht möglich. Erreichbar war freilich eine Vielzahl sächsischer Städte.
Lichtenfelser Spediteure klagen
1903/04 klagten die drei großen Lichtenfelser Spediteure Gutmann, Rosenberg, Loewe & Co. und Gondrand, "daß Lichtenfels immer noch nicht zum Sprechverkehr mit den nordthüringischen Industriestädten Ilmenau, Waltershausen, Ohrdruf, Kahla u. A. zugelassen ist. Es schädigt die genannten Speditionsgeschäfte, wenn dieselben sich nicht ebenso wie die Thüringer Konkurrenzfirmen mit den Fabrikanten an den genannten Plätzen über Verfrachtungen telephonisch verständigen können. Selbstverständlich entgehen dadurch auch der bayerischen Staatsbahn eine große Zahl Frachtgüter. Auch der längere Zeit schon angestrebte Sprechverkehr mit Berlin, der für den Lichtenfelser Platz von Wichtigkeit ist und sicher lebhaft benutzt werden würde, wird bei dieser Gelegenheit wiederholt in Erinnerung gebracht und dessen baldige Einrichtung angelegentlichst empfohlen."
Den Korbhändlern lag überdies an einer Fernsprechverbindung zu ihren Lieferanten, den Korbmachern in Michelau, Schwürbitz, Redwitz, Buch am Forst sowie Weidhausen und Sonnefeld: "Der Verkehr mit diesen Orten würde sich von Lichtenfels aus sehr lebhaft gestalten und sich in Folge dessen auch rentabel erweisen." Doch obwohl schon 1901 dieser Wunsch laut wurde, ließ die Erfüllung auf sich warten. Erst im November 1905 wurde Michelau tatsächlich ans Telefonnetz angeschlossen.
Wenig später stellte die Handels- und Gewerbekammer für Oberfranken befriedigt fest: "aus dem Verkehr dieser Neuleitung dürfte wohl ersichtlich sein, wie sich die Anlagen nach den übrigen Korbmacher-Ortschaften gestalten und rentieren werden." Allerdings gehörten noch 1914 zum Ortsbereich Lichtenfels lediglich fünf öffentliche "Telephon-Stellen": in Lichtenfels, Michelau, Schney, Mistelfeld und Stetten. Ferner zählte man 1914 104 private Teilnehmer, zumeist Betriebe, Behörden und einige Gaststätten.
Rufnummer 1 hatte die Exportbier-Brauerei Kloster Langheim, die wenige Jahre später ihre Pforten schloss, die höchsten Rufnummern (103 und 104) hatten die Firma Bruno Klett Metall-Industrie in Schney und die Gendarmeriestation Michelau.
Technische Probleme
Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer im Ortsnetz Lichtenfels wohnten in der Stadt, mehrere in Michelau und Schney, einzelne in Seubelsdorf (Holzwarenfabrik Hourdeaux-Bergmann und Geweihhandlung Fritzmann), Trieb (Gutsbesitzer Benecke und Forstdienststelle), Klosterlangheim (Brauerei), Buch a. Forst (Schlossbesitzer v. Stockmar) und Hausen (Porzellanfabrik). Technische Probleme erschwerten die Nutzung des neuen Mediums, wie die Handels- und Gewerbekammer immer wieder beklagte.
1906 wird bemängelt, "daß im Telephonverkehr zwischen Lichtenfels und Nürnberg und der über Nürnberg gehenden Verbindungen München, Mannheim, Frankfurt a/M. u. A. in letzterer Zeit häufig sehr große Verzögerungen vorkommen. Auf Verbindung mit Nürnberg selbst muß öfters über eine Stunde gewartet werden, mit Frankfurt a/M. - Mannheim sogar mehrere Stunden." Wenn die Leitung überlastet sei, dann könnten "mitunter Gespräche mit Mannheim, die um 10 Uhr Vormittag angemeldet wurden, bis 12 Uhr nicht zu Stande kommen, bei Neuanmeldung Nachmittags 2 Uhr konnte wieder erst nach einigen Stunden das Gespräch vollzogen werden. Dadurch wird der rege Geschäftsverkehr zwischen Lichtenfels und den genannten Plätzen sowie anderen südlich und westlich von Nürnberg gelegenen Städten sehr geschädigt. Die Verzögerungen werden teilweise dadurch hervorgerufen, daß die Verbindung mit Nürnberg in Bamberg umgeschaltet werden muß und die Leitung Bamberg - Nürnberg an und für sich schon von Bamberg selbst meist sehr stark in Anspruch genommen wird."
Doch die direkte Leitung von Lichtenfels nach Nürnberg, die manche Probleme sicher behoben hätte, kam so rasch nicht zustande. So legte die Handels- und Gewerbekammer 1908 dar: "Mehrseitig wird darüber Klage geführt, daß die Gespräche von Lichtenfels nach Frankfurt a. M. und Mannheim zumeist sehr undeutlich gehört werden, während auf weitere Entfernungen, z. B. nach Köln a. Rh. die Verständigung ausgezeichnet ist." Erläuternd setzte die Kammer hinzu: "Diese Telephonverbindungen werden besonders in den Lichtenfelser Speditionsgeschäften vielfach benützt. Es handelt sich dabei häufig darum, in Erfahrung zu bringen, ob gewisse für Uebersee bestimmte Waren die Flußschiffahrten und im Anschluß daran die Uebersee-Dampferabfahrten erreichen können. Eine korrekte Verständigung mit dem genannten Binnenhafenplätzen liegt auch im Interesse der Lichtenfelser Industrie und wird um Erleichterung dieser technischen Fehler ersucht."
Noch 1925 wetterten die Michelauer Telefonkunden in einem Leserbrief über "das Tohuwabohu in den Telefonleitungen [...], das schon zu einer alltäglichen Erscheinung geworden ist. Ist es schon keine Seltenheit mehr, daß die Teilnehmer in Michelau mehrere Stunden am Tag ohne jegliche Verbindung mit der Telefonzentrale in Lichtenfels sind, so gehört das Durcheinandersprechen von zwei bis drei Teilnehmern zu den Regelmäßigkeiten des täglichen Geschäftsverkehrs. Das Mithörenmüssen ist für jeden Michelauer Teilnehmer zu einer ungewollten Selbstverständlichkeit geworden."