"Turmbau zu Babel" auf dem Lichtenfelser Marktplatz: Der Mörder trägt den gelben Helm

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Im Gestänge und doch nicht hinter Gittern: Der Aufbau eines Kunstwerks auf dem Lichtenfelser Marktplatz geschieht durch Häftlinge mit Kunstsinn. Foto: Markus Häggberg
Im Gestänge und doch nicht hinter Gittern: Der Aufbau eines Kunstwerks auf dem Lichtenfelser Marktplatz geschieht durch Häftlinge mit Kunstsinn. Foto: Markus Häggberg
Im Gestänge und doch nicht hinter Gittern: Der Aufbau eines Kunstwerks auf dem Lichtenfelser Marktplatz geschieht durch Häftlinge mit Kunstsinn.
Im Gestänge und doch nicht hinter Gittern: Der Aufbau eines Kunstwerks auf dem Lichtenfelser Marktplatz geschieht durch Häftlinge mit Kunstsinn.
 
Im Gestänge und doch nicht hinter Gittern: Der Aufbau eines Kunstwerks auf dem Lichtenfelser Marktplatz geschieht durch Häftlinge mit Kunstsinn.
Im Gestänge und doch nicht hinter Gittern: Der Aufbau eines Kunstwerks auf dem Lichtenfelser Marktplatz geschieht durch Häftlinge mit Kunstsinn.
 

Häftlinge der Justivollzugsanstalt Ebrach gestalten momentan den Turmbau zu Babel auf dem Lichtenfelser Marktplatz. Es soll Kunstwerk und Mahnmal in einem sein.

Luke hämmert. Zehn Stunden am Dienstag, zehn Stunden am Mittwoch. Der Marktplatz hallt wider von den Bemühungen zu dem, was er und zwei weitere junge Männer hier aufstellen. Es soll weithin sichtbar sein, ein Kunstwerk und ein unübersehbares Mahnmal. Dass er hier von einem Passanten erkannt werden könnte, hält er für unwahrscheinlich. Es wäre ihm auch egal, denn er hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Zu Pfingsten wird er mit zwei Mitstreitern etwas in Lichtenfels hinterlassen.

Satz der Selbstüberschätzung
Der Mann unter dem gelben Bauhelm lächelt. Mord, so sagt er, sei sein Vergehen. Für einen Moment blickt der 24-Jährige traurig und so, als sei er sich selbst fremd. Die schiefe Bahn "hat damit zu tun, dass man zu hoch hinaus baut", erklärt der Häftling.
Es ist ein philosophischer Satz der Selbstüberschätzung, Selbstüberhöhung, Selbstbevorzugung und alles Schattige an der Übersteigerung des Selbst zu betonen scheint. Acht Meter lang, acht Meter breit und zehn Meter hoch ist das Stangengebilde, das unter seinen und den Händen zweier Mithäftlinge für das Pfingstwochenende entsteht. Die Installation nennt sich nach dem alttestamentarischen Inbegriff der Grenzüberschreitung, Überschätzung und Übertreibung: Turmbau zu Babel.

Keine Angst vorm Ausbüxen
Josef Fuchs steht entspannt an der Basis des Geschehens und beobachtet die Arbeitsvorgänge. Der Mann mit Bauhelm in Staatsdiensten hat zu wachen. Aber er kennt die jungen Männer, weiß auch, dass er ihnen vertrauen darf. Ausbüxen? "Wo wollen die denn hin?", erklärt er zu den "schweren Jungs". "Außerdem stehen sie kurz vor ihren Entlassungen, das setzen sie nicht aufs Spiel", führt er aus.
Schon mehrmals ging das Kunstwerk auf Reisen, musste auf- und abgebaut werden, noch nie kam es zu unliebsamen Vorfällen. "Ich bin schon das dritte Mal dabei", erzählt Luke. Und ja, er ist "stolz, dass er dabei sein darf". Die Bibel? Ja, die liest er, auch weil er sich 2013, als das Projekt Kunst und Knast aus der Taufe gehoben wurde, dem Thema Turmbau zu Babel stellen musste.

Muth und Lyer dabei
Der im Raum Lichtenfels bekannte Restaurator und Künstler Clemens Muth, der sich bei Kunst und Knast engagiert, ist gemeinsam mit dem Gefängnisseelsorger Hans Lyer federführend. "Da stecken lange Gespräche dahinter", so Muth über die Zeiten, in denen die am Projekt beteiligten Häftlinge über Botschaft, Umsetzung und Konzeption reflektieren mussten. Jetzt, so erklärt er, habe er Freude daran, den Menschen ins Gesicht zu sehen, wenn sie wiederum das Kunstwerk betrachten. "Wenn dann das Feuerwerk losgeht, sind sie echt immer baff."

Brandstifter ist Feuer und Flamme
Dass er von Passanten zum Turm angesprochen werden könnte, begrüßt er. "Ich habe keine Lust, ewig lang ausgeschlossen zu sein." Kurz nachdem er das sagt, reicht er ein Gestänge ein Stockwerk höher. Dort nimmt Lex dieses in Empfang. Ein fröhlicher Mann, ein Mann mit zwei Berufen, ein ehemaliger Brandstifter. "Ich hab' mich damals mit dem Thema auseinandergesetzt - ohne Geschichte geht's nicht", so der 25-Jährige mit dem fröhlichen Gesicht.
Ambitioniert ist er. Ambitioniert ist auch seine Begründung für die Projektteilnahme: "Ich bin Künstler, komme aus einer Künstlerfamilie, komme aus einer Steinmetzdynastie. Die Interpretation des Turmbaus, die wir gefunden haben, finde ich gut", so sein Statement zu dem, was nicht ganz unauffällig werden wird; ein Spielautomat, ein überdimensionierter Schlagring, Geldscheine im Bettlakenformat und dazu Musik von Gustav Mahler und Pyrotechnik von Spezialisten, die schon für die Rolling Stones gearbeitet haben.

"Feuer-Kunst-Werk" um 22 Uhr
Am Samstag, 23. Mai, wird es auf dem Marktplatz pyrotechnisch zugehen. Es beginnt mit einer Eucharistiefeier um 20 Uhr und mündet in einem "Feuer-Kunst-Werk" gegen 22 Uhr. Die Lichtenfelser findet Lex "super nett". Vier Jahre hat er schon "voll", fehlen nur noch 22 Monate.

Der Hauch von Freiheit
Aber Kunst und Knast gibt ihm die Möglichkeit, sich einmal relativ frei zu bewegen. Dann findet er es schön, auf das Projekt angesprochen zu werden.