Tattoo-Convention in Lichtenfels: Bilder, die unter die Haut gehen

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Keine Mine verziehen und tapfer bleiben. Während die Tätowiermaschine surrt, entsteht dafür auch ein kleines Kunstwerk. Foto: Markus Häggberg
Keine Mine verziehen und tapfer bleiben. Während die Tätowiermaschine surrt, entsteht dafür auch ein kleines Kunstwerk. Foto: Markus Häggberg
Die Welt der Tätowiergeräte ist groß. Die Welt der dazu gehörigen "Kaliber" auch. Foto: Häggberg
Die Welt der Tätowiergeräte ist groß. Die Welt der dazu gehörigen "Kaliber" auch.  Foto: Häggberg
 
Unten das neue Modell, oben der Klassiker. Auch auf dem Gebiet "Tätowiermaschine" schreitet die Zeit voran und macht "den Tätowierer" leichter oder handlicher. Foto: Häggberg
Unten das neue Modell, oben der Klassiker. Auch auf dem Gebiet "Tätowiermaschine" schreitet die Zeit voran und macht "den Tätowierer" leichter oder handlicher.   Foto: Häggberg
 
Katalog und Leistungsschau zugleich sind manche Prospekte auf den Tischen. Hier lässt sich beim Blättern Anregung zu einem möglichen Motiv holen. Foto: Häggberg
Katalog und Leistungsschau zugleich sind manche Prospekte auf den Tischen. Hier lässt sich beim Blättern Anregung zu einem möglichen Motiv holen.  Foto: Häggberg
 
Martialität und Bonbons - die Szene hat Humor und die Tätowier-Szene gilt gleichfalls als launig. Foto: Häggberg
Martialität und Bonbons - die Szene hat Humor und die Tätowier-Szene gilt gleichfalls als launig.  Foto: Häggberg
 
Faustregel der Szene: Wer eine Tätowierung hat, hat zumeist auch eine zweite. Oder dritte, vierte, fünfte... Foto: Häggberg
Faustregel der Szene: Wer eine Tätowierung hat, hat zumeist auch eine zweite. Oder dritte, vierte, fünfte...  Foto: Häggberg
 
Der Shogun ist neu auf der Haut von Karsten Vuletic. Die vergleichsweise frischen Farben belegen das. Foto: Häggberg
Der Shogun ist neu auf der Haut von Karsten Vuletic. Die vergleichsweise frischen Farben belegen das.  Foto: Häggberg
 
Frau und Krieg, heißt das Motiv, das sich dieser Herr auf dem Schenkel verewigen lässt. Er wird sich etwas dabei gedacht haben. Das ist so üblich in der Szene. Foto: Häggberg
Frau und Krieg, heißt das Motiv, das sich dieser Herr auf dem Schenkel verewigen lässt. Er wird sich etwas dabei gedacht haben. Das ist so üblich in der Szene.  Foto: Häggberg
 

Zwei bunte Nachmittage, mit Eindrücken, die unter die Haut gehen - dies bot sich am Wochenende bei der Tattoo-Convention in der Lichtenfelser Stadthalle. In der Tattoo-Szene ist man sich nicht einig, ob man sich noch auf dem Wellenkamm oder schon im Abwärtstrend befindet.

Ab und an perlen kleine Blutstropfen an die Hautoberfläche. Helene aus Bamberg erduldet das. Es ist der Preis für ihren neuerlichen Ausdruck von Individualität. An ihrem Oberschenkel arbeitet Tätowiererin Cindy Meyer ein Motiv heraus, das so wohl niemand sonst auf der Welt noch auf der Haut trägt. "Um die Welt zu reisen ist ein Weg um herauszubekommen, wer man selbst ist", steht da. Dass dem wirklich so sei, beteuert Helene, die auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet und vom Oberschenkel aufwärts wie eine Business-Frau wirkt. Mitleid mit dieser Frau, die gerade unter ihrer Tätowiermaschine leidet, hat Cindy Meyer nicht. Mit anderen mitunter doch.

"Manchmal, mit Mädels, die empfindlich sind, schon", erklärt die Ronneburgerin, die in einem Tätowierstudio angestellt ist. Ihr Werdegang führte von der Gestaltungstechnischen Assistentin zu einem Praktikum beim Tätowierer. Einen zweiten möglichen Lehrberuf hatte sie dabei nicht aufgegriffen, aber sie hat Ambitionen und viel zu tun. An ein Abklingen der Mode des Tätowierens glaubt sie nicht. Aber Warnungen hat sie parat. Ein Fehler wäre es, mit einer Tätowierung nur einer Mode nachjagen zu wollen.


Kunst und Schmerz

Bernd Derx denkt da ähnlich. Er braucht Zeit, um sich in ein Motiv fallenzulassen. Eingedenk eines verstorbenen Freundes hat er sich eine symbolhafte Tätowierung stechen lassen. Seine vierte. "Der eine machte es als Körperkunst, der andere muss sich erst mit Tattoo anfreunden - ich muss mir erst Gedanken machen." Wie er so spricht, entwischt ihm ein unbedachter Satz, den er wieder zurücknehmen wird, den man von Tätowierten aber oft zu hören bekommt: "Ich brauche den Schmerz wieder." Auf Nachfrage, wie das zu verstehen sei, rudert er zurück und erklärt, dass es sich um einen "gewollten Schmerz" handele, auf den er sich einstellen könne, und dass die Bedeutung des Motivs den Schmerz überwiege. So ungefähr. Als er den Namen des Standes nennt, an dem er sich tätowieren ließ, wirkt alles Gesagte konterkariert: Painfactory - Schmerzfabrik.

Es liegt ein Surren in der Luft. 45 Tätowierer, überwiegend aus Deutschland, zeigen ihre Fertigkeiten an 30 Ständen. Ihre Tätowiermaschinen klingen wie besonders leise elektrische Rasierer. 120 Euro kann eine kosten. Oder 895 Euro. Karsten Vuletic sitzt hinter einer Aufbaute mit solchen Maschinen, Tätowiernadeln und Tinten. Er meint, die Nachfrage nach Tätowierungen flache ab. Aber das habe auch sein Gutes, denn das würde "die schwarzen Schafe wegspülen" und zu einer Gesundschrumpfung der Branche führen. Derzeit stächen viel zu viele Tätowierungen, vor allem auch Typen, die es nicht gut machen, die zu Hause im Hinterzimmer surren lassen - gegen wenig Geld, weil viele Kunden es billig haben wollen. Und dabei ließen schlechte Tätowierer auch zu wenig Fürsorge walten. Zum Ehrenkodex eines guten Tätowierers gehört nicht nur das Beherrschen des Handwerks, sondern auch das Bemühen, den Kunden vor einem Fehler zu bewahren. Unter 18 läuft mit Tätowierungen gar nichts, und wer in der Bank arbeiten will oder als Rechtsanwalt oder in ähnlichen Berufen, der sollte sich Tattoos genau überlegen. Dafür plädieren auch die Tätowierer selbst. So wie Gerhard Habeck, der von allen hier nur Buby genannt wird, auch er am ganzen Körper gestochen. "Früher hat´s das nur dort gegeben, wo's Ami-Kasernen gab ", sagt er, "zwischen Fürth und Cham war nix." Tätowierungen werde es immer geben, der Markt werde wachsen, glaubt er.

Vor allem aber scheint dieser Markt Nischen zu entwickeln. In so einer ist Buby jetzt tätig. "Ich mache von alten Damen den Namen Ludwig weg, weil ihr Neuer Fritz heißt", erzählt er. Tattoo-Korrekturen, eine Nische der Branche. Dafür bedarf es der Laser-Technik. Buby musste einen Laserschutzkurs absolvieren. Aber er sorgt sich, denn im Internet lassen sich nicht nur Maschinen erwerben, mit denen sich Selbsttätowierer verschandeln können, sie können sich dort zu Korrekturzwecken auch ein Lasergerät kaufen und sich verbrennen. Besser, man überlasse derlei ihm. Zu Hilfe kommt Buby dabei das Lymphsystem. Beschießt er mit Laser die Tinte unter der Haut, löst sie sich und wird ausgeschieden.

Sein Angebot bringt auch Anekdoten hervor. Zum Beispiel die von Tobias und Jenna und Anna. Eine Jenna war Tobias Freundin, der wollte die Buchstaben J und E von seinem Arm weglasern lassen, um sie kostengünstig durch das A seiner neuen Freundin zu ersetzen. Eine Idee, die ihm die neue Freundin nicht durchgehen ließ.