Trotz seiner 65 Jahre hat der Schwürbitzer Laufsportler Kurt Herbicht noch ambitionierte Ziele - wie zum Beispiel den Weltmeistertitel.
Er läuft und läuft und läuft. Ein Statistiker ist aufgrund all der von Kurt Herbicht gemeldeten Wettkämpfe und ihrer Distanzen samt Trainingsläufe auf rund 120 000 Kilometer gekommen. Das entspricht ziemlich genau drei Erdumrundungen. Eigentlich habe er mit 40 Jahren aufhören wollen. Doch "Eigentlichs" gab es viele in seinen 65 Lebensjahren. Der Mann, der so alt ist wie die Bundesrepublik, hat auch Geschichte geschrieben. Seine. Und laufend.
Wenn der langjährige Versandleiter und jetzige Rentner vor seinem Pokal- und Medaillenschrank steht, dann kann er in Erinnerungen greifen. Sie sind dicht gedrängt, metallen, der Glasschrank birst geradezu vor ihnen. Ein Wettkampf hier, ein Rennen dort, in ganz Franken, Deutschland und der Welt.
2000 Starts und 1500 Siege im Amateurbereich, auf unterschiedlichen Strecken und in unterschiedlichen Altersklassen.
Leidenschaft lässt ihn nicht los
Wenn Herbicht von seiner Leidenschaft erzählt, wird deutlich, wie sehr sie ihm Lebensqualität, Geschichte und Geschichten geschenkt hat. "Unter zehn Stück Kuchen ist nichts drin", erklärt er schmunzelnd manche Kaffee- und Kuchenrunde, die er wegen seines erlaufenen Stoffwechsels so üppig genießen dürfe.
Das erste "Eigentlich" seines Läuferlebens geschah in Schwürbitz. Dort, in seinem Heimatort, habe er als 15-Jähriger Fußball gespielt. "Am Main entlang sah ich einen Läufer entgegenkommen. Der rannte an uns vorbei, da bin ich hinterher gelaufen." Es war die Neugierde, die ihn packte, denn damals, 1964, war das Laufen noch kein Volkssport, kein Joggen, sondern ein Spleen.
Er heftete sich dem Läufer am Main neugierig an die Fersen. "Beim Hinterherlaufen bin ich an dem Mann dran geblieben. Der war auch aus Schwürbitz und ein Meister auf der Bahn über 5000 Meter." Dass er mithielt, habe den Läufer beeindruckt und ihn selbst überrascht, so Herbicht. Aber es war der Beginn einer Freundschaft und Konkurrenz. "Er lud mich zum Trainieren ein, fünf Jahre lang. Nach fünf Jahren habe ich ihn bei einem Wettkampf geschlagen", sagt Herbicht. Noch ein "Eigentlich" - denn Kurt Herbicht kommt von der Marathonstrecke. Doch bei seinem Umstieg auf Kurzstrecken wie drei- oder fünftausend Meter blieb er erfolgreich.
"Das begreift die Fachwelt in Oberfranken sowieso nicht." Zwei Stunden und 20 Minuten habe er in seiner besten Zeit für die 42 Kilometer benötigt, 16 Minuten über der Weltspitze. Das klingt wenig, entspräche aber doch einer Strecke zwischen Michelau und Grundfeld.
Das wäre wohl unaufholbar geblieben, sagt Herbicht. Dennoch liest sich seine Bilanz beeindruckend: 200 Mal oberfränkischer Meister, 230 Mal Kreismeister aller Strecken, 48 Mal deutscher Meister, sechs Mal süddeutscher Meister, vier Mal Vize-Europameister und einmal Weltmeister der über 55-Jährigen über 800 Meter in der Halle.
Eigentlich verbraucht sich, was stets genutzt wird. Doch Abnutzung, so Herbicht, kenne er nicht. Erst neulich hätte ein Arzt ihm das versichert, und so bleibt er eben gut zu Fuß. Und eigentlich ist er immer Amateur gewesen, doch einmal habe sich in seinem Leben die Möglichkeit zu einem Wechsel ins Profilager ergeben. Eine Nürnberger Firma hätte ihn 1980 mit Job und Dienstwohnung sponsern wollen, aber im Gegenzug verlangt, dass er nur die 1500 Meter laufe. Doch er liebe die Streckenvielfalt zu sehr, um sich zu begrenzen.
Abgelehnt habe er das Angebot einst und "auch wenn ich heute 25 Jahre alt wäre, würde ich nicht Profi werden wollen".
Die Freude am Laufen ohne Druck stünde im Vordergrund, sie ließ ihn durch die USA, Tschechien, Finnland, Australien oder Frankreich laufen. Dennoch hat er vom Laufen profitiert, durch Sachpreise bei Siegen und guten Platzierungen. "Rasierapparate, Föne, Teppiche, Radios, Haushaltsgeräte - ich habe mir meinen Haushalt erlaufen."
Keine Spur von Ruhestand
Eigentlich könnte er sich zur Ruhe setzen und das Leben laufen lassen. Doch der Mann, der sich nicht alt fühlt, bleibt dem Laufen erhalten: in Schwürbitz mittwochs und beim TSV Staffelstein montags und donnerstags als Lauftrainer, im Ehrenamt, seine Trainingsmethoden und Erfahrungen weitergebend. Damit andere auch laufend schöne Erfahrungen machen können. Ziele hat Herbicht auch mit 65 Jahren noch: "Auf der 400- und 800-Meter-Strecke. möchte ich mit 70 noch den WM-Titel holen."