Eine Feier unter Iranern in der Asylbewerberunterkunft in Weismain läuft aus dem Ruder, als plötzlich ein Klappmesser im Spiel ist.
"Bitte geben Sie mir eine Chance", waren am dritten Prozesstag die Schlussworte eines 20-jährigen Asylbewerbers aus dem Iran, dem versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen wurde. Er wolle ein neues Leben anfangen und die sechsmonatige Untersuchungshaft sei ihn eine Lehre gewesen, übersetzte sein Dolmetscher. Eine Dreiviertelstunde später fiel das Urteil.
Der Beschuldigte wurde am Mittwochnachmittag zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Anders als in der Anklageschrift ging das Gericht nicht von einem versuchten Totschlag aus, sondern von einer gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung.
In seiner Urteilsbegründung ging der Vorsitzende Richter Christoph Gillot auch auf die Widersprüche ein, in die sich die zum Tatzeitpunkt anwesenden Zeugen im Verlauf der Verhandlung vor der großen Jugendkammer am Landgericht in Coburg verwickelten. "Das Gericht hatte das Gefühl für dumm verkauft zu werden und das Gefühl, dass kein Vertrauen ins Gericht besteht", sagte Gillot. Dem Gericht sei auch aufgefallen, dass jeder Teilnehmer der Party versuchte, die Sache zu verharmlosen und den Beschuldigten in einem guten Licht darzustellen.
Fete im Flüchtlingsheim
Auslöser des Streits war eine Feier, die sein Mitbewohner zusammen mit weiteren Landsleuten in dem gemeinsamen Zimmer in der Asylbewerberunterkunft in Weismain veranstaltete, in dessen Verlauf der Beschuldigte seinen Mitbewohner mit einem Klappmesser an der Hand verletzte. Laut dem Vorsitzenden Richter hatte das Gericht zu prüfen, ob es einen Tötungsvorsatz gab oder nicht und ob der Ausspruch des Beschuldigten "Ich bringe Euch alle um" nur ein "großspuriger Ausspruch" gewesen war.
Letztlich ging das Gericht davon aus, dass es sich dabei nur um "Säbelrasseln" gehandelt hatte. Zugunsten des Beschuldigten wertete das Gericht ein Teilgeständnis, seine Entschuldigung und dass seine Privatsphäre durch die in seinem Zimmer lautstark feiernden Personen missachtet worden war. Zu seinen Lasten sprach die hohe Gefährlichkeit seines Angriffs und dass er mehrere Personen bedroht hatte. Des Weiteren ging das Gericht von einer verminderten Schuldfähigkeit aus, weil der 20-jährige Asylbewerber an einer Borderline-Störung und einer hirnorganische Schädigung leidet. Das Strafmaß von einem Jahr und neun Monaten setzte das Gericht nicht zur Bewährung aus, denn dazu hätte die Sozialprognose günstig sein müssen. Was das Gericht als nicht gegeben ansah.
In seinem Plädoyer ging Staatsanwalt Christian Pfab nicht von einem Tötungsversuch aus. Pfab sah auch keine altersbedingten Reiferückstände, da der Beschuldigte alleine die Flucht aus dem Iran bewältigt habe, dabei auch einen mehrmonatigen Gefängnisaufenthalt in der Türkei überstand und zuletzt völlig selbstständig lebte. Er forderte die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts und damit eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung.
Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Freiherr Albrecht von Imhoff, ging dagegen von einem minderschweren Fall aus und plädierte für eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr, die zur Bewährung auszusetzen sei.