Rechten-Demo in Lichtenfels: "Klappe halten geht gar nicht"

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Die Plätze beim "Café der Begegnung" in Lichtenfels, das zweimal im Monat stattfindet, sind immer belegt. Sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische nutzen die Chance bei Kaffee und Kuchen mehr über den jeweils anderen zu erfahren. Archivfoto: privat
Die Plätze beim "Café der Begegnung" in Lichtenfels, das zweimal im Monat stattfindet, sind immer belegt. Sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische nutzen die Chance bei Kaffee und Kuchen mehr über den jeweils anderen zu erfahren. Archivfoto: privat

Nach der Rechten-Demo am Samstag sieht sich das Bündnis "Lichtenfels ist bunt" bestärkt. Dazu ein Interview mit der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner.

Nach der am Samstag kurzfristig anberaumten Rechten-Demo fühlt sich das Aktionsbündnis "Lichtenfels ist bunt" bestärkt. Binnen 30 Minuten konnte man eine zahlenmäßig deutlich stärkere Gegendemonstration auf die Beine stellen. Flagge zeigen - das hält Pfarrerin Anne Salzbrenner auch künftig für ganz wichtig.

Das Bündnis geht auf die überparteiliche Initiative "Weismain ist bunt" zurück. In Weismain, wo sich die beiden großen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber befinden, hatte die NPD vor knapp vier Jahren eine "Mahnwache" angekündigt. Daraufhin hatte sich diese Gegenbewegung gegründet. Inzwischen wurde die Lichtenfelser Pfarrerin zu ihrer Sprecherin. Sie organisiert im evangelischen Gemeindehaus der Kreisstadt zusammen mit den Aktiven Bürgern seit September 2015 regelmäßig zweimal im Monat das "Café der Begegnung" für Einheimische und Flüchtlinge.

"Dass hier im Landkreis verstärkt nationalsozialistisches Gedankengut vorhanden ist, das weiß ich seit 30 Jahren", sagt sie gelassen. Gerade weil so wenig hier passiere. "Rechtsradikale treten normalerweise nicht in den Orten auf, wo sie leben, weil sie im Alltag nicht erkannt werden wollen." Die Tatsache, dass nun doch eine 45 Personen starke Gruppe in Lichtenfels aufmarschierte, ist für sie ein Zeichen dafür, dass sie sich hier sehr sicher und gut fühlen. Umso wichtiger sei es, ihnen deutlich zu zeigen, dass man diese Gesinnung hier nicht will und dass dies nicht die Gesinnung der Mehrheit ist. Darüber hinaus ist in Salzbrenners Augen politische Bildung und Aufklärung wichtig. Parolen, die definitiv nicht stimmen, müssten offen widerlegt werden. Beispiel: Die Behauptung, durch die Flüchtlinge kämen Terroristen ins Land. "Die kommen auch so ins Land! Die haben nicht auf die Flüchtlingswelle gewartet", unterstreicht sie.


Café der Begegnung bleibt

Froh ist Anne Salzbrenner darüber, dass in Lichtenfels ein überparteilicher Konsens besteht. Sie möchte bald wieder ein Treffen des Bündnisses einberufen. Das "Café der Begegnung" bleibt für sie wichtig. Gleichwohl und gerade weil sie weiß, dass Leute gewarnt wurden, sich da zu engagieren. In dem Tenor: "Lass da bloß die Finger davon, nicht dass was passiert!". "Ich bin auch gewarnt worden", sagt die Pfarrerin. Aber sie lässt sich nicht einschüchtern. "Natürlich werde ich diese Veranstaltung weitermachen. Es ist ein Gewinn für beide Seiten."
Sie bekomme auf öffentliche Meinungsäußerungen hin regelmäßig anonyme Post mit der Aufforderung, "die Klappe zu halten". Das sei schon so gewesen, bevor die vielen Flüchtlinge kamen. Auf solche Methoden dürfe man sich nicht einlassen, wenn man in der Öffentlichkeit steht. "Das geht gar nicht." Vielmehr sieht sie es so, dass man sich mitschuldig macht, wenn man schweigt. Man sollte auch sehr vorsichtig mit den eigenen Ängsten umgehen.

Auf die Vorfälle in Köln eingehend, die von den Rechten ja zum Gegenstand ihrer Protestkundgebung gemacht worden waren, betont Salzbrenner, selbst wenn Flüchtlinge als Täter ermittelt würden, dann wären es eben einige Kriminelle. Es dürfe da keine pauschalen Vorurteile geben. "Ein Flüchtling ist nicht per se ein Gutmensch, nur weil er Flüchtling ist." Aber sie sei auch schon von Deutschen nachts angepöbelt worden - in reinem fränkischen Dialekt.

Sie wünscht sich, dass Leute den Mut haben, falschen Behauptungen, die sie hören, zu widersprechen - um deutlich zu machen, dass der Landkreis offen ist für Menschen jeder Hautfarbe und Nationalität, "und wir miteinander leben wollen".

Interview mit MdB Emmi Zeulner:
Frau Zeulner, Sie haben sich darüber betroffen gezeigt, dass zwei Drittel der Teilnehmer der Rechten-Demo aus dem Landkreis kamen und viele junge Leute darunter waren.
Emmi Zeulner: Ja. Ich sehe das als Aufgabe an, im Kreis Lichtenfels genau hinzuschauen und die Strukturen transparent zu machen und hierzu mit dem Landratsamt und der Polizei ins Gespräch zu kommen.

Die Genehmigung wurde sehr kurzfristig von der Polizei erteilt, weil das zuständige Landratsamt am Samstagnachmittag nicht besetzt ist. War das angemessen?
Es gibt im Gesetz verschiedene Abstufungen; die Versammlungsfreiheit ist als Grundrecht ein hohes Gut. Meiner Meinung nach wurde seitens der Lichtenfelser Polizei mit Augenmaß entschieden.

Auf den Transparenten war der NPD-Slogan "Vorbild Ungarn" zu lesen. Was empfinden Sie, wenn Sie so etwas lesen?
Wenn die Menschen das Gefühl haben, von den etablierten Parteien keine Antworten auf ihre Sorgen zu bekommen, kriegen die rechten und auch die linken Ränder Zustrom. Ungarn ist selbstverständlich kein Vorbild! Es ist meine tiefe Überzeugung, dass ein Flüchtling, sobald er bei uns ist, ordentlich behandelt werden muss. Wir können es selbstverständlich nicht zulassen, dass Persönlichkeitsrechte von Frauen, wie in Köln, verletzt werden. Aber es gibt bei uns keine Sippenhaft: Eine Straftat wird immer von einem Täter begangen. Es gilt das Individualstrafrecht.

In der Süddeutschen wurde Bayern als "das deutsche Ungarn" bezeichnet.
Bayern hat auf allen Ebenen - von den Behörden, über die Polizei bis zu den Ehrenamtlichen - die größte Last zu tragen, weil hier die meisten Grenzübertritte stattfinden. Andere Bundesländer stöhnen unter weitaus weniger schwierigen Herausforderungen. Dieser Vergleich ist einfach falsch.

Auf Ihrer Facebookseite wurden Sie mit dem Vorhalt konfrontiert, deutsche Politik sei durch Waffenlieferungen und den Einsatz in Syrien mitverantwortlich für die hohen Flüchtlingszahlen.
Wir werden über künftige Waffenlieferungen diskutieren müssen. In Syrien haben wir uns beteiligt, weil uns unsere Freunde in Frankreich um Unterstützung gebeten haben. Deshalb habe ich dem auch zugestimmt. Es muss auch in Zukunft verstärkte Zusammenarbeit geben.

Wie arbeiten Sie an einer Lösung des Asyl-Problems?
Das Thema wird uns in Berlin massiv beschäftigen. Wir unternehmen alle Anstrengungen, den Zustrom zu reduzieren. Ziel muss es sein, die Fluchtursachen vor Ort anzugehen. Hierbei ist das Abkommen mit der Türkei der wichtigste Ansatzpunkt. Auch entmilitarisierte Zonen können in den betroffenen Regionen ein Lösungsansatz sein. Aber es dauert einfach, bis die von uns auf den Weg gebrachten und noch geplanten gesetzlichen Änderungen wirken.
Die Fragen stellte Ramona Popp