Der rechtsradikale Richter Maik B. scheint still verschwunden zu sein. Sein Intermezzo als Richter am Lichtenfelser Amtsgericht ist beendet. Was steckt aus Psychologensicht hinter seinem Verhalten?
Weg wie vom Erdboden verschluckt. Keine Spuren hat der Richter mit rechtsradikalem Hintergrund am Lichtenfelser Amtsgericht mehr hinterlassen. Eine Nachfolgerin für seinen Bereich im Amtsgericht Lichtenfels ist schon im Amt, bestätigt ein Sprecher des Oberlandesgerichtes Bamberg.
An seinem Wohnort im Landkreis Kulmbach scheint er sich nicht aufzuhalten. Ein Auto soll er nicht besessen haben. Ganz unauffällig bewegte er sich mit der Bahn zu seinem Arbeitsplatz nach Lichtenfels. Wenn es keine Absicht war, war es zumindest geschickt - mit einem Auto hinterlässt man schneller Spuren.
Das ausgesprochen angepasste Verhalten will nicht so recht zu seinen verbalen Auftreten in rechtsradikalen Kreisen passen - oder passt es gerade deshalb so gut? Wie kann man das Verhalten von Maik B. psychologisch einordnen? Niels Habermann von der Fakultät für Angewandte Psychologie der Universität Heidelberg erläutert mögliche Hintergründe für B.s Verhalten; außerdem zieht der Professor zwei andere aufsehenerregende Täuschungen aus ganz anderen Bereichen zur Verdeutlichung heran, die schon länger zurückliegen.
Wie kann man das Verhalten von Maik B. einordnen?Niels Habermann: Zweifellos auffällig, aber nicht unbedingt gestört. Es erinnert mich an eine schmutzig-braune Variante des Hauptmanns von Köpenick. Ich vermute dahinter weitverbreitete Einstellungen wie: Man kann es ja mal "drauf ankommen lassen". Und "wenn die so doof sind, mich einzustellen, dann sind sie selber schuld". Vielleicht gar nicht so weit entfernt von dem Verhalten von Steuerhinterziehern.
Warum verhält er sich so, obwohl ihm klar sein müsste, dass er kein Richter bleiben kann?Das Ganze bringt doch auch ein tolles Machtgefühl, in Sinne der Konsistenztheorie des großen deutschen Psychotherapieforschers Klaus Grawe. Das Grundbedürfnis nach Selbstwerterhöhung wird hier gleich doppelt bedient: Einerseits finden die Kameraden mich toll, weil ich das "System unterlaufe", andererseits geht das Richteramt ja auch selbstverständlich mit bürgerlicher Aufwertung einher. Und wenn ich mich dabei ins Fäustchen lache, weil ich klüger und gewiefter bin als alle anderen, habe ich dabei noch mehr Spaß.
Spielt das Thema Rechtsradikalismus hier eine besondere Rolle?Kann ich nicht sagen. Aber als echter intellektueller Rechter hat es vielleicht besonderen Reiz, an die Schalthebel der Macht zu kommen, um die eigene Ideologie direkt ins Betriebssystem zu implementieren. Ist doch viel cooler (bzw eine "höhere ideologische Entwicklungsstufe") als als Glatzkopf brüllend durch die Straßen zu laufen. Hitler hat ja auch mal klein angefangen.
Gibt es eine Tendenz in der rechtsradikalen Szene, sich nach außen hin unauffällig zu geben?Das müssen Sie Extremismusforscher fragen. Aber mir scheint das der Trend zu sein, ja. Siehe AfD, wie da manch einer geschniegelt und gebügelt daherkommt, dass jetzt sogar Herrn Henkel schlecht wird.
Gibt es diese Erscheinungen am anderen Ende des politischen Spektrums, also bei den Linksradikalen?Aber sicher. In ihrer irrationalen Ablehnung der bestehenden Ordnung kann man beide Extreme ja kaum mehr auseinanderhalten.
Was kann die Gesellschaft tun, um sich vor solchen Menschen zu schützen?
Das, was hier auch passiert ist: aufdecken, berichten, korrigierende Entscheidungen treffen. Ansonsten: Prävention, Prävention, Prävention.
Wie kann man das Verhalten von Ottmar Pfaff, dem ehemaligen Chef von Nici, der seine Firma mit Scheingeschäften in zweistelliger Millionenhöhe in die Insolvenz trieb, und das des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg im Vergleich dazu einordnen?Sind wohl alle drei trickreich-charmante, sprachgewandte Blender mit oberflächlichem Charme - was eines von 20 Merkmalen des Konstrukts Psychopathy ist.
Welche Unterschiede gibt es in den drei Fällen?Das Betrügerische findet in unterschiedlichen Milieus statt: Justiz, Politik, Business. Zusammen mit Kultur sind das die vier Bereiche, in denen Menschen wegen ihrer Neigung zu Projektionen besonders anfällig für Blender sind.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es in den drei Fällen?Jeder versucht auf seine Weise, in seinem angestammten Biotop die Leute zu "verführen". Wahrscheinlich haben alle, die in dieser Weise auffällig werden, eine mehr oder weniger narzisstische Persönlichkeitsstruktur: gekennzeichnet durch starken Ehrgeiz, extremen Selbstbezug, Gefallen an Kontrolle und Macht und einem Mangel an Einfühlungsvermögen.
Die Fragen stellte Tobias Kindermann.
Ein Psychologe sondert hellseherische Glaskugel-Unterstellungen ab und die Redaktion druckt ein solches Elaborat auch noch ab. Unfassbar und Tiefpunkt einer soliden Zeitung!?
...hat BILD - Zeitungsniveau!