Pflegeheime stehen unter Druck

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Eine Mitarbeiterin des AWO-Pflegeheims in Redwitz beim Anziehen der Handschuhe Foto: Thilo Münch/AWO
Eine Mitarbeiterin des AWO-Pflegeheims in Redwitz beim Anziehen der Handschuhe Foto: Thilo Münch/AWO
Eine Mitarbeiterin des Lichtenfelser BRK-Pflegeheims "Am Weidengarten" mit einer Bewohnerin. Foto: BRK
Eine Mitarbeiterin des Lichtenfelser BRK-Pflegeheims "Am Weidengarten"  mit einer Bewohnerin. Foto: BRK
 

Neue Handlungsanweisungen sind da, aber an Schutzmasken mangelt es weiterhin. Die Belastung für Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen ist hoch.

Es gibt - Stand Dienstag, 7. 4. - keinen bestätigten Corona-Fall unter hiesigen Altenheimbewohnern. Eine einzige Pflegekraft im ganzen Landkreis wurde behördlicher Auskunft zufolge positiv getestet und in Quarantäne gesetzt. Die Lage ist angespannt. Jeder weiß, was ein Infektionsausbruch in so einer Einrichtung bedeuten könnte. In Bamberg ist der Ernstfall bereits eingetreten, aus Würzburg gab es schon Mitte März traurige Nachrichten. Deshalb geht es den Verantwortlichen darum, so ein Szenario mit allen Mitteln zu verhindern und das Leben der Bewohner zu schützen.

Besucherverkehr ist seit Wochen untersagt. "Unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist bewusst, dass von ihnen selbst das größte Risiko für die Bewohner ausgeht", sagt Steffen Coburger, Gesamtleiter des AWO-Sozialzentrums Redwitz, zu dem sowohl ein Heim für stationäre Pflege als auch ein ambulanter Pflegedienst gehören. Mitarbeiter könnten das Virus von draußen in die Einrichtung bringen, trotz aller Vorsicht. Keiner lebt ja völlig isoliert. Deshalb arbeite sein Team permanent mit Mund- und Nasenschutz. Da dieser nicht ausreichend vorhanden und auf üblichem Weg nicht zu beschaffen war, wurden auskochbare Exemplare selbst hergestellt. Sie bieten eine weitreichende, aber keine hundertprozentige Sicherheit. "Das treibt auch unsere Pflegekräfte um, die engen Kontakt zu den Bewohnern haben und jeden Tag bangen, nur ja keine Infektion weiterzutragen", sagt der Heimleiter. Denn: "Niemand weiß, ob ihn das Coronavirus schon eingeholt hat oder nicht." Nicht nachzuvollziehen sei es deshalb für ihn, "dass wir darum kämpfen mussten, dass eine Pflegekraft mit grippalen Symptome getestet wurde." Der Hausarzt habe zunächst einen Corona-Test abgelehnt und erst auf Intervenieren des Heimes doch noch zugestimmt. Bis dahin war weiter Zeit vergangen. "Wir waren sehr froh, als dann nach Tagen ein negatives Ergebnis vorlag", so Coburger. Insbesondere die betroffene Mitarbeiterin, die bis zur Entwarnung zu Hause blieb, habe eine schlimme Zeit durchlebt. Große Sorgen hätten sie geplagt, "ihre" Bewohner womöglich angesteckt zu haben. Und sie fehlte natürlich.

Einer Pflegekraft, in deren Haushalt Familienmitglieder Grippesymptome zeigten, sei ebenfalls zunächst kein Test zugestanden worden. Auch da habe man viel Zeit und Energie aufwenden müssen, um mit einem - negativen - Testergebnis beruhigt weiterarbeiten zu können.

Steffen Coburger klingt etwas frustriert, wenn er vor diesem Hintergrund auf die neuesten Handlungsanweisungen zu sprechen kommt, die das Ministerium für Gesundheit und Pflege am Wochenende erlassen hat. Angesichts des eklatanten Mangels an Schutzausrüstung seien die Vorgaben kaum umsetzbar. Benötigt würden für den möglichen Ausbruchsfall zum wirkungsvollen Schutz der Pflegekräfte vor allem so genannte FFP 2-Masken, die im gesamten Land auch vier Wochen nach Beginn der Krise so gut wie nicht zu beschaffen seien. Coburger sieht hier die staatlichen Instanzen gefordert.

Selbst Vorsorge getroffen

Man selbst habe freilich versucht, rechtzeitig vorzusorgen und verfüge nun über einen Notfall-Bestand, der jedoch nur für wenige Tage reichen würde. Ein Beifall im Bundestag oder die in Bayern angekündigte Bonus-Zahlung für Pflegekräfte seien zwar schöne Gesten, helfen aber in diesem Fall auch nicht weiter: "Leben und Gesundheit sind unbezahlbar."

Auch Thomas Petrak sieht bei den Vorgaben noch Klärungsbedarf. Er ist Kreisgeschäftsführer des BRK, das in Lichtenfels und Bad Staffelstein Pflegeheime mit insgesamt rund 230 Bewohnern und etwa ebenso vielen Mitarbeitern betreibt. Vor allem eine Vorgabe, auch Bewohner mit Mund- und Nasenschutz zu versehen, hält er für schwierig. Derzeit wird seinen Schilderungen zufolge sehr viel Kraft und Zeit investiert, Maßnahmenpläne zu entwickeln, um für den Fall vorbereitet zu sein, von dem jeder sich wünscht, dass er nicht eintreten möge. Es geht dabei um Fragen, wie man in den Häusern Bereiche für Infizierte schaffen könnte, um deren Pflege und weiterhin größtmöglichen Schutz zu gewährleisten. Durch die jetzt schon umgesetzten Präventivmaßnahmen erlangten die Mitarbeiter immer mehr Routine. "Man merkt die Anspannung, aber sie gehen äußerst professionell und sehr besonnen damit um", stellt Petrak fest. Wie auch bei dem Haus in Redwitz hat man auch beim BRK nicht gewartet, bis Anweisungen "von oben" kamen, sondern ist frühzeitig von sich aus tätig geworden. Und zum Schluss kommt Petrak nicht umhin, daran zu erinnern, wie in den Zeiten vor Corona ständig an den Kosten für in der Pflege notwendige Materialien herumgeknapst worden sei.

Hilfe, die von außen angeboten wird

Gerade in der angespannten Lage tut es Mitarbeitern von Pflegediensten und -heimen gut, Solidaritätsbekundungen und Anerkennung zu erfahren. "Das gibt auch Kraft für die täglichen Herausforderungen", sagt Steffen Coburger, Leiter des AWO-Sozialzentrums Redwitz. Eine Mitarbeiterin der Sozialstation, die täglich mit dem Auto unterwegs ist, um Senioren zu Hause zu versorgen, habe kürzlich berichtet, dass sie derzeit freundlicher gegrüßt werde - von entgegenkommenden Autofahrern mitunter sogar mit Lichthupe. Am Bahnübergang habe der Lokführer eines vorbeifahrenden Zuges ihr zugewunken.

"Es hat uns auch außerordentlich gefreut, dass eine Redwitzer Firma mit ihren 3-D-Druckern für uns Gesichtsschutz in Visierform produziert, der nun als persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt wird", fährt der Heimleiter fort. Es gebe noch viel mehr Beispiele für Unterstützung. Besonders erwähnenswert erscheinen die Bekundungen, im Bedarfsfall für einen Einsatz im Pflegeheim bereit zu stehen, sollte es das hauptamtliche Personal einmal nicht mehr schaffen, die Bewohner zu versorgen. "Für derartige Solidarität sind wir unendlich dankbar", sagt Coburger. Wie das konkret aussehen könnte, werde gerade überlegt. Die Meldungen kamen aus den Reihen der regelmäßig im Sozialzentrum ehrenamtlich Tätigen, aber auch aus örtlichen Vereinen wie den "Mountainbikern" und dem AWO-Ortsverband. Die Freiwilligen sind natürlich keine Fachkräfte. Aber um beispielsweise beim Essen und Trinken zu helfen muss man das ja auch nicht sein.

Auch das Rote Kreuz, Träger zweier Pflegeheime im Landkreis, hat die Namen von 132 Personen notiert, an die man im Bedarfsfall herantreten könnte, wie Kreisgeschäftsführer Thomas Petrak berichtet. Sie sind Teil einer noch größeren Liste Ehrenamtlicher, die lange vor den ersten Corona-Infektionen erstellt wurde. Inwieweit diese Helfer dann einsetzbar wären, müsse natürlich erst geprüft werden.

Kommentar: "Es geht alle etwas an" Mit der ganzen Familie zum Einkaufen gehen, den Mitarbeiter schutzlos und ohne Regelwerk an die Arbeit schicken, im Wohnzimmer mit fünf Freunden gemütlich beisammensitzen: Diejenigen, die nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen, worum es bei den Verhaltensregeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie geht, lassen Tag für Tag Dummheit, Egoismus oder Ignoranz aufblitzen. In der unüberschaubaren Kette von Begegnungen treffen die Folgen ihres Tuns möglicherweise ganz andere Personen - die vielleicht zu den Hochrisikopatienten zählen, für die eine Infektion eben nicht mal wie ein Schnupfen vorübergeht, oder Pflegekräfte, die ihrerseits solche Menschen gefährden würden, ohne es zu ahnen. Es kann sich niemand aus der Verantwortung stehlen.

Die Bemühungen um ausreichend Schutzkleidung und -masken sind hinlänglich bekannt. Man kann nur hoffen, dass der Mangel schleunigst abgestellt werden kann. Dass auch Tests nicht unbegrenzt verfügbar sind, ist zwar vorstellbar. Dass aber in der jetzigen Situation Hausärzte die Entscheidung treffen können, Mitarbeiter eines Pflegeheims nicht zum Test und stattdessen mit ihrer Sorge und Verantwortung allein zu lassen, das ist ein Ermessensspielraum, der nur noch schwer zu verstehen ist.