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Lichtenfels: Dieses Unternehmen verdient sein Geld mit gebrauchten Flugzeugsitzen


Autor: Sarah Stieranka

Lichtenfels, Donnerstag, 02. August 2018

Thomas Bulirsch erhielt einst als Praktikant erste Einblicke in das Ersatzteilgeschäft der Luftfahrt. Heute leitet er ein Unternehmen in Lichtenfels und beliefert Kunden in aller Welt. Doch ein Ereignis hätte fast seinen Ruin bedeutet.
Thomas Bulirsch inspiziert einen Flugzeugsitz, der aufbereitet und zertifiziert werden soll.  Fotos: Sarah Stieranka


Die Erfolgsgeschichte von Thomas Bulirsch beginnt mit einem Praktikum. 1998 arbeitet der Lichtenfelser im Homeoffice als Praktikant bei einem amerikanischen Unternehmen, das im Bereich Luftfahrt tätig ist. Er vermittelt Ersatzteile von Flugzeugen aus Europa in die USA und nach China. Das Geschäft läuft so gut, dass sich Thomas Bulirsch und seine Frau dazu entschließen, ein Unternehmen in Lichtenfels hochzuziehen. Heute - 20 Jahre nach der Gründung von "aviationscouts" - ist das Unternehmen auf zwölf Mitarbeiter angewachsen und beliefert Kunden aus aller Welt.



"Airbus ist in Europa immer stärker geworden und Ersatzteile waren gefragt", erklärt Thomas Bulirsch die Anfänge seines Unternehmens. Obwohl die "Luftfahrt eine kleine Branche ist", so der Diplombetriebswirt, entwickelt sie sich stetig weiter und so tut es auch das Unternehmen des Lichtenfelsers.


Zwei Standbeine aufgebaut

Es steht mittlerweile auf zwei Standbeinen. Auf der Internetplattform "aviationgate.com" stellen Verkäufer ihre gebrauchten Flugzeugsitze ein und Käufer können diese direkt kaufen - gleich dem Internetportal "mobile.de". Es besteht auch die Möglichkeit, die gebrauchten Sitze vorher noch zu überholen oder zu lagern - dies übernimmt "aviationscouts". "Wir reinigen ausrangierte Sitze, statten sie mit neuen Teilen aus, modifizieren sie um und zertifizieren sie", erklärt der Diplombetriebswirt die Vorgehensweise. Vor allem große Fluggesellschaften wie die "Lufthansa" erneuern alle sechs bis acht Jahre ihre Flugzeugsitze. Dann reizt es die meisten Fluggesellschaften, den Kabinen ihrer Flugzeuge ein neues Design zu verpassen. Kleine Airlines nehmen die gebrauchten Flugzeugsitze dann ab. "Die Sitze erhalten dadurch ein zweites Leben", sagt Pressesprecherin Filiz Kasim-Herr.


Nachhaltigkeit auch bei Sitzen

Und diese Nachhaltigkeit ist Unternehmer Thomas Bulirsch wichtig. "Die Sitze haben so zwei bis drei Lebenszyklen, das schont Ressourcen." Taugt ein Sitz nicht mehr zur Nutzung, gibt es auch hierfür Lösungen: das Re- und Upcycling. Beim Recycling werden die Ersatzteile des Sitzes weiterverkauft und das Gestell in seine Komponenten aufgeteilt.


Beim Upcycling werden beispielsweise die Lebensrettungswesten zu Tragetaschen umgenäht. Das Bayreuther Unternehmen "Bag to life" ist ein Abnehmer. Über 100 verschiedene Modelle an Flugzeugsitzen führt Thomas Bulirsch mittlerweile - vom Kleinflugzeug bis zum Airbus A330. 2017 kommt es zum bislang größten Auftrag für den Diplombetriebswirt: Acht Flugzeuge des Typs Airbus A330 müssen überholen werden - also über 3300 Sitze.

Aber Thomas Bulirsch muss auch Tiefpunkte durchstehen. Einer davon: der 11. September 2001. Der Terroranschlag in den USA stürzt die Luftfahrt in eine tiefe Krise. Die Kommunikation mit den Geschäftspartnern in den USA bricht für Tage zusammen. Aufträge werden verschoben oder storniert - Kunden, Zulieferer und Partner melden Insolvenz an. Der Vorteil von Thomas Bulirsch: Zu diesem Zeitpunkt besteht sein Unternehmen aus zwei Personen. Er überbrückt diese schwierige Zeit ohne Zahlungseingänge, ohne neue Aufträge und ohne neue Projekte und hält sich teilweise mit Nebenjobs über Wasser.


Standort Lichtenfels kein Nachteil

Der Standort Lichtenfels habe dem Lichtenfelser keine Nachteile bereitet, obwohl die Städte Hamburg und Frankfurt am Main als größte Luftfahrtstandorte Deutschlands gelten. "Wir liegen in der Mitte von Europa", erklärt der Diplombetriebswirt. So können Exportziele wie Singapur, Türkei, Dubai und Australien schnell erreicht werden. Und die Schnelligkeit ist ein entscheidender Vorteil, den Fluggesellschaften haben, wenn sie sich für gebrauchte und aufbereitete Flugzeugsitze entscheiden. "Für alle Sitze eines kleinen Flugzeuges brauchen wir etwa eine Woche, für die eines größeren etwa drei bis vier Wochen."

Und das ist noch wenig, bestätigt Bulirsch. Auf neue Sitze warten Fluggesellschaften unter Umständen mehrere Monate. "Die Ersparnis von einem gebrauchten Sitz im Vergleich zu einem neuen ist etwa 25 Prozent", fügt der Lichtenfelser an.

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